Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

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dauliche Gemüse, wie Kohlarten, ungeschälte Hülsenfrüchte, 
sind gänzlich zu vermeiden. Fleisch muß frisch und zart 
sein, weich zubereitet und jeglichen Fettes entbehren. Kar⸗ 
toffeln und Schwarzbrod sind am besten vollständig auszu— 
schließen. Merkwürdigerweise sind diese beiden Speisearten 
die Lieblingsgerichte der kleinen Kinder, welche sie besonders 
die Kartoffeln, allem anderen vorziehen. Doch sind sie dem 
Kind entschieden schädlich. Das blasse aufgeschwemmte Ge⸗ 
sicht, die bleichen Lippen und das weiche „schwappelige“ 
Fleisch dieser Kinder, deren Körper der normalen Frische 
entbehrt, die geistig stumpf und körperlich ungeschickt sind, 
ihr aufgedunsener dicker Leib verrät dem Sachkundigen so— 
fort, daß man es mit sogenannten „Kartoffelkindern“ zu 
ihun hat. Die Frage des Arztes an die Mutter, ihr Kind 
esse wohl gerne Kartoffeln läßt diese über den ärztlichen 
Scharfblick staunen und ihre Antwort ist, daß sie Kartoffeln 
ihrem Kinde gar nicht zeigen dürfe, so versessen sei dasselbe 
auf diese Speise. Diese „Kartoffelkinder“ sind es haupt— 
sächlich, unter welchen bei herrschenden Epidemien von 
Kinderkrankheiten der Tod so reiche Ernte hält. Derartige 
Kinder haben gegen jede andere passende Nahrung, besonders 
die Milch eine wahrhafte Antipathie und es hält dem Arzte 
schwer, daß er die Mutter zur Verabreichung einer dem 
Kinde zuträglichen Nahrung überredet, da ihre Antwort 
immer lautet: „mein Kind will durchaus keine Milch trinken.“ 
— Nur in geringem Maße gereicht, sind die Kartoffeln für 
das älter werdende Kind nährend und nützlich, in größeren 
Mengen genossen, sind fie Gift. 
Hiermit ganz ähnlich verhält es sich mit den, meist 
dus Freundschaft und üffenliebe gereichten Süßigkeiten. 
Kuchen z. B. welcher fett und noch dazu frisch gebacken ist, 
darf niemals von seinem Kind verspeist werden. Derartige 
süße Substanzen sind nur trocken und in kleinen Quantitäten 
eriaubt; denn wer wüßte nicht aus Erfahrung, wie störend 
diese Zuckerwaren auf den Appetit der Kleinen einwirken 
und wie leicht durch Säurebildung nach dem Genusse der— 
selben schwere Erkrankungen des Verdauungskanals entstehen? 
Wer kennt nicht die schlechten, verdorbenen Zähne jener 
so beneideten Kinder, welche mit süßen Geschenken gleichsam 
dombardiert werden? 
Alle schwer verdaulichen Leckerbissen und Reizmittel, 
welche dem Pagen der Erwachsenen zusagen, sind dem Kinde 
zu verweigern. Das Hauptnahrungsmittel sei immer die 
Milch; Thee oder Kaffee sind nur mit reichlichem Milch⸗ 
zusatz versehen zu verabreichen; Wein und Bier nur in 
getingen Mengen, hauptsächlich nur als Medikament. — 
Gute frische Butter und nicht verdorbener Käse sind dem 
Kinde unschädlich. Auch gutes, gekochtes Odst, wohl auch 
frisches jedoch vollständig reifes Obst, besonders Aepfel und 
Birnen find in nicht zu großen Quantitäten zu gestatten, 
jedoch dürfen dieselben nur geschält verspeist werden. Bei 
anderen Odstsorten, welche ebenfalls in reifem Zustande 
den Kindern nicht schädlich sind, ist mit großer Aufmerksam⸗ 
keit darauf zu achten, daß die Kinder die Steine und Kerne, 
auch selbst die kleinen Kerne der Wein- und Johannis- 
trauben nicht mitverschlucken, weil dadurch tötliche Krank⸗ 
jeiten des Darmkanals verursacht werden können. 
(Fortsetzung folgt.) 
Unter Glas und Rahmen. 
Von Wilhelm Fischer. 
C—2— Rachdruck verboten 
Weiß der geneigte Leser, was Marzipan ist? de 
krzähler ist großjährig geworden, ehe er's erfahren hat, 
veiß es aber seitdem um so besser. Hat er doch erst ver— 
gangene Weihnachten eine köstliche Probe ovn einem lübischen 
Freunde erhalten und eine hübsche Schnurre dazu, und diese 
gjiebt er gern zum Besten, was bei jener nicht mehr mög— 
sich ist. Dadurch zeichnen sich die geistigen Genüsse vor 
den leiblichen aus: tausende können daran teilnehmen, ohne 
daß einer darum weniger hätte. Marzipan ist der Haupt⸗ 
'ache nach ein Gemisch von Zucker und Mandeln, beides 
ein zerrieben und zermalmt; ein wenig eingedickter Frucht— 
aft dazwischen oder ein paar Tropfen Rosenwasser ver— 
derben nichts — gelt Süßmäulchen! da läuft einem das 
Wasser im Munde zusammen. Man kann aus der noch 
veichen Masse allerhand schöne Gebilde formen: Aepfel so 
eizend, wie sie auf keinem Baume jemals gewachsen sind, 
zerzen, durch und durch voll Süßigkeit, wie das eines 
chönen siebenzehnjährigen Mädchens, und runde flache 
duchen mit halberhabenen Ansichten von malerischen Stadt⸗— 
eilen. Ein solches Kunstwerk nur anzusehen ist schon der 
Mühe wert, und es thut einem ordentlich leid, es auch an⸗ 
zuschneiden und anzubeißen, wozu es doch eigentlich bestimmt 
st. Am ganzen Üfer der Ostsee, in Königsberg so gut 
wie in Danzig, Stralsund und Rostock wird vortrefflicher 
Marzipan gemacht, der beste aber soll von Lübeck kommen, 
aund aus Luͤbeck war auch der reiche Kaufherr, mit dem 
mein Stückchen beginnen muß. 
Er hatte einmal nicht gerade krank, nur von der Ar— 
beit erschöpft, zur schönen Sommerzeit das kleine, aber lieb— 
liche Bad Eilsen bei Bückeburg aufgesucht und machte von 
dort aus fleißig Aueflüge, nach der Arensburg, die so 
schmuck von ihrem steilen Hügel auf die dunklen Teiche 
ind den prächtigen Hochwald niederschaut, auf die Luhdener 
lippe, um einen weiten Blick ins gesegnete Weserthal zu 
hun, ja auch die Paschen- und Schaumburg lagen ihm, 
als seine Kräfte zunahmen, nicht zu fern. Eines Tags 
satte er die Bückeberge erstiegen, um die Fernsicht zu ge— 
nießen und die großartigen Steinbrüche zu besichtigen. 
Den Rückweg wolite er über Obernkirchen nehmen. Aber 
noch ehe er dies freundliche Städtchen erreichte, zwang ihn 
ein aufsteigendes Gewitter, das nächste schützende Obdach 
aufzusuchen. Er traf es gut. Das Häuschen gehörte einem 
braven Bergmanne, der, von der Schicht zurück gekehrt, 
ind sauber gewaschen, mit Weib und Kind beim dünnen 
Zaffee saß. Die Leute wußten, was sich schickt, sie boten 
dem fremden Herrn höflich den besten Sitz und luden ihr 
ogar „zum Mitmachen“ ein, was er mit Dank annahm, 
denn er war durstig, und alles sah recht sauber aus. So 
aßen sie, während die Regenflut in dicken Tropfen an die 
Scheiben prasselte, zwar nicht gar kühl aber recht gemütlich 
zeisammen und piauderten über dies und das. Der Kanf— 
mann merkte mit Wohlgefallen, wie verständig und ordent— 
lich seine Wirte waren, wie froh und zufrieden in ihren 
bescheidenen Verhältnissen; er ward aufs neue die alte, 
oft vergessene Wahrheit inne, daßz das Glück nicht an den 
Reichtum gebunden ist und ebenso gut in Hütten wie in 
Palaͤsten wohnen kann. Als das Wetter endlch nachließ, 
fand er nicht nur ein paar blanke Münzen für die Kleinen 
in seinem Geldtäschchen und brachte sie trotz des schwachen 
Einspruchs der Eltern glücklich an, sondern schrieb sich auch 
ganz unauffällig den Namen des wackern Vaters auf. Dann 
zog'er nach herzlichem Ahschiede durch die erquickte Flur 
seines Wegs, und bald darauf vor Eilsen wieder seiner 
Heimat zu. 
Aber als Weihnachten herrannahte, gab er der Post 
etwas zu verdienen, die dann überall viel zu thun hat, 
nicht am mindesten in Lübeck: eine Unzahl großer und
	        
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