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oder eine jaure Gährung in demselben hervorgerufen, damit
wird die Begierde nach Nahrung, der Appetit, vernichtet
und wenn alsdann die Brust gereicht werden soll, will das
sKind nicht saugen und es kostet große ausdauernde Mühe,
dasselbe diese Kunst zu lehren. In vielen Fällen zieht man
dieser Mühewaltung es vor, kurz zu sagen: „Das Kind
nimmt die Brust nicht an“ und das Unglück ist geschehen,
vielleicht war dies das Todesurteil für das Kind oder es
zibt einen schwächlichen kränklichen Menschen, welcher im
anderen Fall, d. h. wenn man dem Kinde die richtige
Nahrung gereicht hätte, kräftig und gesund geworden wäre.
(Fortsetzung folgt.)
Bilder aus Berlins Umgegend.
Nachtruck verboten.
4.4
Berlins Obstkammer.
Nicht zahlreich sind die Punkte, die dem Berliner zur
Auswahl stehen, wenn es ihm gilt, in der näheren Um—
gebung seiner stolzen Stadt dem Auge Naturschönheiten
darzubieten. Nicht mit Unrecht steht die Mark Branden—
durg von Alters her in dem Rufe, von des Schöpfers Hand
hinsichtlich der Ertragsfähigkeit ihres Bodens und reizvoller
Abwechselung von Berg und Thal arg vernachlässigt wor—
den zu sein; schon seit alten Zeiten ist sie, wohl etwas
mehr als gerechtfertigt, verschrieen und verhöhnt als des
heiligen römischen Reiches Streusandbüchse. — Es muß zu⸗
zegeben werden, daß weite Strecken dieses Stammlandes
des heute mächtigen preußischen Staates überaus einförmig
gestaltet find — weite Ebenen, bedeckt mit ausgedehnten
Kieferwaldungen oder den meist dürftigen Erzeugnissen des
Ackerbaues — nur vereinzelt zeigen sich liebliche, dem Auge
des Naturfreundes wohlgefällige Bilder. Solche finden sich
insbesondere an dem Mittellaufe der Havel und unter
diesen ist es vornehmlich eines, welches dem Residenzler
besonders lieb und wert ist, nicht allein weil es sein Auge
erfreut — bei seinem Anblick gedenkt er auch des Guten,
womit der Ort, welcher der Mittelpunkt dieses Bildes ist,
seinen Gaumen schon öfter erfreut hat.
Um von der Hauptstadt zu diesem Ort zu gelangen,
benutzen wir die Eisenbahn, die von derselben über Pots-
dam nach Magdeburg führt. In knapp einer halben Stunde
ist Potsdam erreicht, jetzt noch eine Viertelstunde Geduld
und wir werden entschädigt werden für die Langeweile, die
die einförmige Gegend, welche wir durcheilt, über uns ge⸗
bracht hat. Vor unsern Augen, zur Linken die Bahnlinie,
breilet sich eine gewaltige Wassermasse aus. Aus dem
blauen Wasserspiegel ragt eine Insel auf, sanfte Hügel-
wellen steigen aus der Flut empor, bedeckt mit dichtem
SBrün — wir haben zu unserm Ausflug den Monat Juni
gewählt — nicht das Grün von Kieferwaldungen, wie sie
uns bisher begleitet, auch nicht das Grün von Eichen und
Buchen; es sind Obstbaumpflanzungen, die sich ohne Unter⸗
brechung über das ganze Hügelterrain fortsetzen. Mensch-
liche Wohnungen sind in das Grün hineingebettet; die
dicht am Wasser erbauten erkennen wir an den aufgespannten
Fischernetzen und den vor den Häusern schaukelnden Kähnen
als Wohnungen von Fischersleuten; weiter nach der Höhe
zu zeigen sich saubere, stattliche Häuser, aus hellen Back—
steinen erbaut; beherrscht wird das Ganze von der auf der
höchsten Erhebung der Insel stehenden gothischen Kirche.
Das herrliche Landschaftsbild verdient es, näher in Augen—
schein genommen zu werden. Ein einziger weit ausgedehnter
Barten ist es. in den wir eintreten; fast der ganze Boden
st mit Erdbeerpflanzungen bedeckt; an den Mauern und
Bretterwänden strebt die Aprikose, die Pfirsiche oder die
Weinrebe in die Höhe; Kirschen- und Pflaumenbäume sind
es, die uns in ihren Schatten aufnehmen; Himbeer- und
Johannisbeerhecken ziehen sich zwischen ihnen hindurch. Wer
unbewnßt hierher versetzt würde, würde nicht glauben, daß
er sich in der Mark Brandenburg befände, würde viel eher
annehmen, daß er an einen bevorzugten Ort im sonnigen
Süden gezaubert worden sei.
Und wie heißt der Ort, der gleich einem hellblinkenden
Edelstein aus dem Sande der Mark hervorleuchtet?
Sein Name ist Werder und die weite Wasserfläche,
die wir als See vor uns haben, ist kein See, sondern nur
eine seeartige Ausbreitung der Havel; „Werder“ bedeutet
einen von Wasser umflossenen Ort. Die Lage in einer mit
diel Feuchtigleit gesättigten Luft ist wohl vornehmlich die
Ursache, daß der auch hier vorzugsweise aus Sand bestehende
Boden die herrlichsten Früchte, die sich durch besonderen
Wohlgeschmack auszeichnen, hervorbringt; Kirschen und
Erdbeeren insbesondere sind von ausgezeichneter Güte.
Die Obstkultur ist denn auch die vornehmste Nahrungs⸗
quelle der Bewohner dieses gesegneten Fleckchens Erde.
Ramentlich die Blütezeit der Kirschen und Erdbeeren ist
für sie von hoher Bedeutung, denn diese Zeit birgt für den
Werderaner Glück oder Unheil in ihrem Schoße. Jubel
herrscht auf der Insel, wenn diese Blütezeit ohne Fröste
berlaufen ist, denn nun ist die Ernte gesichert und es werden
die blanken Goldstücke der Residenzler ihren Weg nach
Werder finden; auf die sauern Wochen des Bangens und
angestrengter Urbeit in den Obstgärten werden frohe und
mühelose Winterwochen folgen.
(Schluß folgt.)
Beehrung des Kaisers Karl V und seines Bruders Ferdinand
am 6. und 7. Juni 1530 zu Schwatz.
Vor Schwaz wurden die Majestäten angenehm über—
rascht; es waren ihnen nämlich sämtliche Bergknappen dieser
Ortschaft bei 3000 an der Zahl bereits eine Stunde weit
entgegengezogen, ausgerüstet nach Brauch und Manier der
Landsknechte mit langen Spiesen, Hellebarden, großen
Zchlachtschwertern, Handröhren und „ziemlichem Feldge—
chütz“. Die Knappen selbst hatten sich in zwei Haufen
uufgestellt, welche ca. 8300 Schritte von einander standen
Jeder einzelne Haufe bildete wiederum mehrere Glieder,
hon denen jedes 71 Mann zählte. In der Nähe der
nappen stand ein anderer Haufe von Buben. die eben—
alls bewaffnet waren.
Als nun beide Monarchen herangekommen waren und
snappen und Buben in Augenschein genommen hatten,
vurde von diesen ein Scheingefecht ausgeführt. Nach Be—
endigung desselben hielten Karl und Ferdinand ihren feier—
ichen Einzug in Schwaz. Die „Bergherrn“ verehrten den
Majestäten gleich bei ihrer Ankunft eine große silberne
Medaille im Werte von 1700 Gulden, auf welcher in der
Mitte der kaiserliche Adler und außen herum das Wappen
Aler Länder Karls V und auf der anderen Seite sämilich⸗
Titel dieses mächtigen Monarchen eingegraben waren.
Am 7. Juni wurden die Bergwerke in Augenschein
zenommen und noch denselben Tag die Reise nach Kufsteio
zu Wasser fortgesetzt.