Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

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Waldungen angehörte und der überhaupt in der ganzen 
Amgegend reich begütert war, hatte keine Ahnung davon, 
daß sich auf seinem Territorium ein so schönes und sicheres 
Schmugglernest befand und war daher nicht wenig erstaunt, 
als der alte Wohlmuth ihm am selben Nachmittage noch 
hiervon pflichtschuldigst Mitteilung machte. Gespannt folgte 
er dem Berichte des alten Dieners und als dieser geendet, 
befahl er ihm, über die Sache tiefes Schweigen zu be— 
obachten und weiteren Mitteilungen seinerseits entgegen 
zu sehen. 
Demgemäß handelte auch Wohlmuth und das heute 
Erlebte gab ihm viel Stoff zum Nachdenken, als er endlich 
den Heimweg zu seiner Wohnung antrat. 
Einige Tage nach dem eben Erzählten saßen unfern dem 
franz. Grenzdorfe in der „Wackenmühle“, einer Schenke an 
der ehemaligen Kaiserstraße 5 Männer beieinander, deren 
kräftige Gestalten und wettergebräunte Gesichter es be⸗ 
tundeien, daß sie gewohnt waren, mit des Lebens rauheren 
Elementen zu kämpfen und ihnen ganz ähnlich sah auch 
ber Wirt aus, welcher eben aus einer in der Siubenecke 
angebrachten Thüre, die zu einem Keller führte, heraustrat, 
und eine große Flasche Rotwein-auf den Tisch stellte und 
das halbe Dutzend Gläser füllte. Nachdem er jedem der 
Bäste ein Glas zugeschoben hatte, fuhr er mit der breiten 
Hand über die Stirn, rückte die Kappe, eine Zuavenmütze 
mit dicker Wollenquaste, mehr auf den Hinterkopf und 
sprach zu einem der Männer gewandt: 
„Gregoire, ich habe Euch rufen lassen, um eine wichtige 
Mitteilung zu machen“, dabei sah er sich scheu in dem von 
Tabaksqualm erfüllten Raum um, als fürchte er, von Un⸗ 
berufenen gehört zu werden. „Es handelt sich um das 
Arsenal, dessen Existenz an den Baron von irgend einem 
Schurken verraten worden ist.“ Die Männer horchten ge⸗ 
spannt auf. „Von wem weißt Du das?“ frug Knopf, 
einer der kühnsten Schmuggler. Gespannt ruhten die Blicke 
aller auf dem Gefragten. 
„Von wem ich's weiß? Ich hab's aus guter Quelle, 
das könnt Ihr glauben, sonst hätte ich Euch nicht das 
Zeichen gegeben.“ 
„Das läßt sich wohl denken“, nickte beifällig einer der 
Männer, „Du bist immer gut unterrichtet und hast uns nie 
unnötige Mühe gemacht, Müller, das muß ich gestehen ...“ 
„Schweige, Stoppenzieher“, unterbrach jetzt ein Anderer 
den Sprecher, einen früheren Küfer und Kellner, daher der 
Name Stoppenzieher, „laß den Müller nur reden, Deine 
Hoͤtel⸗Komplimente nützen uns nichts!“ 
„Nur ruhig Blut“, beschwichtigte Müller, „sollt' ja 
alles erfahren.“ Alsdann erzählte er, wie im Laufe des 
gestrigen Nachmittags Baron Grafenstein mit einigen Herren 
in der Umgegend gejagt und Anton, sein Kutscher, das Ge⸗ 
fährt hier untergebracht habe. Anton sei etwas angeheitert 
und sehr gesprächig geworden und habe kein gutes Haar mehr 
an der ganzen vornehmen Jagdgesellschaft des Barons ge— 
lassen. Mehr und mehr habe er sich in den Harnisch ge⸗ 
redet und endlich sei der Bursche ganz zutraulich geworden. 
Auf die Frage Müllers, weshalb denn so ganz unerwartet 
der Baron in dem hiesigen Revier jage? habe Anton ge⸗ 
heimnisvoll mit den Augen gezwinkert und geäußert: Es 
sei wohl diesmal weniger auf vierbeiniges als auf zwei⸗ 
beiniges Wild abgesehen, die nächsten Tage würden das 
sicher beweisen. 
‚Ist das Alles?“ frug einer der Schmuggler. 
Ich dächte das wäre genug“, entgegnete der Wacken⸗ 
wirt, und Vorsicht scheint in jeder Beziehung geboten zu sein.“ 
„Du hast Recht Müller“, sagte Knopf, „auch ich will 
nein Möglichstes beitragen, den Plan unsrer Gegner zu 
Schanden zu machen.“ 
„Nur keine Ueberstürzung“, mahnte der Wirt, „not⸗ 
vendig aber ist es, die für Ende dieser Woche begbsichtigte 
zrößere Expedition bis auf Weiteres aufzuschieben, vor 
illen Dingen aber darf das Arsenal von uns mit keinem 
Fuß mehr betreten werden.“ 
„Das ist eine ganz verfluchte Geschichte!“ rief Knopf 
irgerlich und schlug auf den Tisch, daß die Flaschen und 
Blaäser anfingen zu tanzen; „meine Flinte lasse ich nicht im 
Stich, wenn die mir auf dem Wege fehlt, ift die Traglast 
nochmal so schwer.“ 
Ich glaube, heute ist es noch Zeit, daß wir das Arsenal 
ftille räumen können“, meinte ein anderer, „aber wohin mit 
dem Krempel?“ 
„Bringt die Sachen zu mir“, sprach nach einigem 
Nachdenken der Wirt, „ich will sie schon so unterbringen, 
daß kein Mensch auch nur eine Ahnung von ihnen haben 
soll. Aber seid vorsichtig und laßt den Bettel lieber im 
Stich, wenn es mit Gefahr verbunden sein sollte.“ 
(Fortsetzung folgt.) 
Der Berggeist als Häuer.*) 
In einer oberschlesischen Steinkohlengrube wurde in 
einem neuen Flötze die erste Grundstrecke getrieben. Es 
war von ihr aus noch keine Ab baustrecke angesetzt worden, 
nan konnte also von dem Ort nirgends anderswohin ge⸗ 
langen als zum Schachte und umgekehrt. 
Eines Tages arbeiteten da zwei Brüder, der eine als 
Häuer, der andere als Schlepper. Außer ihnen befand 
sich auf der ganzen Sohle nur noch der Anschläger. Als 
der Schlepper wieder mit einem gefüllten Wagen nach dem 
Schachte kam, fragte ihn der Anschläger: 
„Weshalb ist denn dein Bruder ausgefahren? Ist er 
denn krank? Er sah so bleich aus und hat mir auf meine 
Fragen gar nicht geantwortet; er winkte mir nur, stellte 
sich in den Kübel und fuhr zu Tage.“ 
„Mein Bruder?“ fragte lächelnd der Schlepper. „Mein 
Bruder liegt jetzt gerade ganz tief im Sohlenschram. Es 
fehlen an diesem nur noch wenige Zoll bis zu einem halben 
Lachter, dann will er sich an's Bohren geben. Er ist also 
nicht ausgefahren, sondern liegt vor Ort; ich habe ihn eben 
roch gebeten, vorsichtig zu sein, daß ihm die unterschrämte 
ZNohle nicht auf den Leib faällt, denn ich hörte einigemale 
ein verdächtiges Knistern.“ 
„Du scherzest gewiß nur,“ sprach gereizt der Anschläger. 
„Ich träume doch nicht? Ich habe meine Sinne voll⸗ 
sommen beisammen und erkläre dir, dein Bruder ist wirk— 
ich ausgefahren.“ 
Nuͤn, ereifere dich nicht,“ sprach der Schlepper, „komm, 
ich will dich von deinem Irrtum überzeugen, komm mit vor 
Ort, da sollst du meinen Bruder sehen.“ 
Sie gingen hin und sahen ihn, aber wie? Die unter⸗ 
schrämte Kohle war plößglich beruntergekommen und hatte 
den Häuer vollständig zerquetscht. Er gab kein Lebens⸗ 
zeichen mehr von sich. Die Beiden hatten Mühe, die Leiche 
unter dem Kohlenhaufen hervorzuholen. 
Die Erscheinung am Schacht in Gestalt des Häuers 
war der Berggeist gewesen, der sich oft vor einem Unglück 
zeigt und manchmal die Gestalt dessen annimmt, der ver⸗ 
unglücken soll. 
e Aus Fr. Wrubelz Sammlung beramännischer Sagen,
	        
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