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Waldungen angehörte und der überhaupt in der ganzen
Amgegend reich begütert war, hatte keine Ahnung davon,
daß sich auf seinem Territorium ein so schönes und sicheres
Schmugglernest befand und war daher nicht wenig erstaunt,
als der alte Wohlmuth ihm am selben Nachmittage noch
hiervon pflichtschuldigst Mitteilung machte. Gespannt folgte
er dem Berichte des alten Dieners und als dieser geendet,
befahl er ihm, über die Sache tiefes Schweigen zu be—
obachten und weiteren Mitteilungen seinerseits entgegen
zu sehen.
Demgemäß handelte auch Wohlmuth und das heute
Erlebte gab ihm viel Stoff zum Nachdenken, als er endlich
den Heimweg zu seiner Wohnung antrat.
Einige Tage nach dem eben Erzählten saßen unfern dem
franz. Grenzdorfe in der „Wackenmühle“, einer Schenke an
der ehemaligen Kaiserstraße 5 Männer beieinander, deren
kräftige Gestalten und wettergebräunte Gesichter es be⸗
tundeien, daß sie gewohnt waren, mit des Lebens rauheren
Elementen zu kämpfen und ihnen ganz ähnlich sah auch
ber Wirt aus, welcher eben aus einer in der Siubenecke
angebrachten Thüre, die zu einem Keller führte, heraustrat,
und eine große Flasche Rotwein-auf den Tisch stellte und
das halbe Dutzend Gläser füllte. Nachdem er jedem der
Bäste ein Glas zugeschoben hatte, fuhr er mit der breiten
Hand über die Stirn, rückte die Kappe, eine Zuavenmütze
mit dicker Wollenquaste, mehr auf den Hinterkopf und
sprach zu einem der Männer gewandt:
„Gregoire, ich habe Euch rufen lassen, um eine wichtige
Mitteilung zu machen“, dabei sah er sich scheu in dem von
Tabaksqualm erfüllten Raum um, als fürchte er, von Un⸗
berufenen gehört zu werden. „Es handelt sich um das
Arsenal, dessen Existenz an den Baron von irgend einem
Schurken verraten worden ist.“ Die Männer horchten ge⸗
spannt auf. „Von wem weißt Du das?“ frug Knopf,
einer der kühnsten Schmuggler. Gespannt ruhten die Blicke
aller auf dem Gefragten.
„Von wem ich's weiß? Ich hab's aus guter Quelle,
das könnt Ihr glauben, sonst hätte ich Euch nicht das
Zeichen gegeben.“
„Das läßt sich wohl denken“, nickte beifällig einer der
Männer, „Du bist immer gut unterrichtet und hast uns nie
unnötige Mühe gemacht, Müller, das muß ich gestehen ...“
„Schweige, Stoppenzieher“, unterbrach jetzt ein Anderer
den Sprecher, einen früheren Küfer und Kellner, daher der
Name Stoppenzieher, „laß den Müller nur reden, Deine
Hoͤtel⸗Komplimente nützen uns nichts!“
„Nur ruhig Blut“, beschwichtigte Müller, „sollt' ja
alles erfahren.“ Alsdann erzählte er, wie im Laufe des
gestrigen Nachmittags Baron Grafenstein mit einigen Herren
in der Umgegend gejagt und Anton, sein Kutscher, das Ge⸗
fährt hier untergebracht habe. Anton sei etwas angeheitert
und sehr gesprächig geworden und habe kein gutes Haar mehr
an der ganzen vornehmen Jagdgesellschaft des Barons ge—
lassen. Mehr und mehr habe er sich in den Harnisch ge⸗
redet und endlich sei der Bursche ganz zutraulich geworden.
Auf die Frage Müllers, weshalb denn so ganz unerwartet
der Baron in dem hiesigen Revier jage? habe Anton ge⸗
heimnisvoll mit den Augen gezwinkert und geäußert: Es
sei wohl diesmal weniger auf vierbeiniges als auf zwei⸗
beiniges Wild abgesehen, die nächsten Tage würden das
sicher beweisen.
‚Ist das Alles?“ frug einer der Schmuggler.
Ich dächte das wäre genug“, entgegnete der Wacken⸗
wirt, und Vorsicht scheint in jeder Beziehung geboten zu sein.“
„Du hast Recht Müller“, sagte Knopf, „auch ich will
nein Möglichstes beitragen, den Plan unsrer Gegner zu
Schanden zu machen.“
„Nur keine Ueberstürzung“, mahnte der Wirt, „not⸗
vendig aber ist es, die für Ende dieser Woche begbsichtigte
zrößere Expedition bis auf Weiteres aufzuschieben, vor
illen Dingen aber darf das Arsenal von uns mit keinem
Fuß mehr betreten werden.“
„Das ist eine ganz verfluchte Geschichte!“ rief Knopf
irgerlich und schlug auf den Tisch, daß die Flaschen und
Blaäser anfingen zu tanzen; „meine Flinte lasse ich nicht im
Stich, wenn die mir auf dem Wege fehlt, ift die Traglast
nochmal so schwer.“
Ich glaube, heute ist es noch Zeit, daß wir das Arsenal
ftille räumen können“, meinte ein anderer, „aber wohin mit
dem Krempel?“
„Bringt die Sachen zu mir“, sprach nach einigem
Nachdenken der Wirt, „ich will sie schon so unterbringen,
daß kein Mensch auch nur eine Ahnung von ihnen haben
soll. Aber seid vorsichtig und laßt den Bettel lieber im
Stich, wenn es mit Gefahr verbunden sein sollte.“
(Fortsetzung folgt.)
Der Berggeist als Häuer.*)
In einer oberschlesischen Steinkohlengrube wurde in
einem neuen Flötze die erste Grundstrecke getrieben. Es
war von ihr aus noch keine Ab baustrecke angesetzt worden,
nan konnte also von dem Ort nirgends anderswohin ge⸗
langen als zum Schachte und umgekehrt.
Eines Tages arbeiteten da zwei Brüder, der eine als
Häuer, der andere als Schlepper. Außer ihnen befand
sich auf der ganzen Sohle nur noch der Anschläger. Als
der Schlepper wieder mit einem gefüllten Wagen nach dem
Schachte kam, fragte ihn der Anschläger:
„Weshalb ist denn dein Bruder ausgefahren? Ist er
denn krank? Er sah so bleich aus und hat mir auf meine
Fragen gar nicht geantwortet; er winkte mir nur, stellte
sich in den Kübel und fuhr zu Tage.“
„Mein Bruder?“ fragte lächelnd der Schlepper. „Mein
Bruder liegt jetzt gerade ganz tief im Sohlenschram. Es
fehlen an diesem nur noch wenige Zoll bis zu einem halben
Lachter, dann will er sich an's Bohren geben. Er ist also
nicht ausgefahren, sondern liegt vor Ort; ich habe ihn eben
roch gebeten, vorsichtig zu sein, daß ihm die unterschrämte
ZNohle nicht auf den Leib faällt, denn ich hörte einigemale
ein verdächtiges Knistern.“
„Du scherzest gewiß nur,“ sprach gereizt der Anschläger.
„Ich träume doch nicht? Ich habe meine Sinne voll⸗
sommen beisammen und erkläre dir, dein Bruder ist wirk—
ich ausgefahren.“
Nuͤn, ereifere dich nicht,“ sprach der Schlepper, „komm,
ich will dich von deinem Irrtum überzeugen, komm mit vor
Ort, da sollst du meinen Bruder sehen.“
Sie gingen hin und sahen ihn, aber wie? Die unter⸗
schrämte Kohle war plößglich beruntergekommen und hatte
den Häuer vollständig zerquetscht. Er gab kein Lebens⸗
zeichen mehr von sich. Die Beiden hatten Mühe, die Leiche
unter dem Kohlenhaufen hervorzuholen.
Die Erscheinung am Schacht in Gestalt des Häuers
war der Berggeist gewesen, der sich oft vor einem Unglück
zeigt und manchmal die Gestalt dessen annimmt, der ver⸗
unglücken soll.
e Aus Fr. Wrubelz Sammlung beramännischer Sagen,