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und fordert die Reinigung. Hier beginnt schon die Reihe
der Fehler, welche man in der so wichtigen Kinderpflege
begeht. Statt des Badens wird gewöhnlich einfaches Waschen
mittelst eines Schwammes oder Handtuches beliebt. Ab—
gesehen davon, daß eine gründliche Reinigung hierbei nicht
wohl möglich ist, wird der entblößte Körper dem Luftzuge
und der Erkältung preisgegeben, was beim Eintauchen „unter
das Wasser“ nicht der Fall ist. — Auch bei dem Baden
wird häufig so verfahren, daß dem Kinde Schaden erwächst.
Die für Temperaturunterschied wenig empfindliche Hand der
Hebamme gibt gewöhnlich das Thermometer ab und geschieht
es daher, daß, da man das Bad ja nicht zu kühl machen
will, das Kind in zu heißes Wasser, natürlich nicht zu
seinem Vorteil gebracht wird. — Unter allen Umständen
ist es geboten, das Badewasser mit dem Thermometer zu
messen und eine Temperatur von 28-290 R. nicht zu
äberschreiten. Auch eine kühlere Temperatur kann schaden
und die Ursache von Erkältungskrankheiten, insbesondere der
gefährlichen Luftröhrenkartarrhe der Neugeborenen werden.
Das Thermometer soll beständig im Kinderzimmer ver⸗
bleiben und daselbst zur Kontrole über die Temperatur in
demselben dienen; denn für Mutter und Kind ist es not—
wendig, daß ihr Aufenthaltsraum eine gleichmäßige, nicht
zu hohe und nicht zu niedrige Temperatur bietet. Etwa
13—150 R. dürfte das Richtige sein.
Nachdem das Kind an allen seinen Körperteilen sorg-
fältig gereinigt ist, auch die Augen und die Mundhöhle be—
dürfen ihrer besonderen Reinigung, wird dasselbe in mäßig
erwärmten Lacken sorgfältig abgetrocknet und bekleidet.
Wie muß die Kleidung des Neuge borenen beschaffen
sein?
Hierzulande herrscht die nicht zu beseitigende Unsitte,
ein neugeborenes Kind von den Füßen beginnend bis zum
Halse fest einzuwickeln, so daß beide Arme unbeweglich an
den Rumpf gefesselt werden. Daß diese Bekleidungsart
von großem Nachteil ist, sollte, so muß man glauben, auch
dem Dümmsten einleuchten. Ein Kind, dessen erste Aufgabe
es ist, durch freies tiefes Aufatmen seine Lungen gehörig
auszudehnen, wird schon in den ersten Minuten daran ge—
hindert. Wem der Mechanismus der Atmung nur einiger⸗
naßen bekannt ist, weiß oder kann es am eigenen Körper
»ersuchen, daß es unmöglich ist, mit an die Brust gepreßten
Armen tief aufzuatmen. In unserer staubigen Kohlengegend,
wo die Atmungsorgane viel zu leiden haben, sollte man
besonders Gewicht darauf legen, daß unseren Kindern eine
kräftige, elastische Lunge zu Teil werde; allein täglich sieht
man, daß mit unverbesserlicher Konsequenz und trotz viel—
facher Ermahnung die armen Geschöpfe wie eine Puppe zu
einem Klumpen fest geschnürt werden.
Das Kind soll warm gekleidet, jedoch in seinen not—
wendigen Bewegungen und am freien Atmen durch die Be—
kleidungsstücke nicht gehemmt werden.
Ein leinenes, trockenes Hemdchen, welches zum bequemen
Anziehen hinten offen und so lang ist, daß auch die Bein—
chen bedeckt werden, sei die erste Decke. — Zu beachten ist,
daß die häufige Durchnässung der Gewänder besondere Vor—
sichtsmaßregeln erheischt. Zu diesem Behufe eignen sich
besonders wollene, wasserbegierige Stoffe, welche die ätzend
wirkenden Flüssigkeiten aufsaugen; selbstverständlich ist der
häufige Wechsel der Umhüllung nicht außer Acht zu lassen.
Natürlich darf die wollene Decke wegen ihrer Rauhig-
keit den Körper nicht direkt berühren. Notwendig ist zuerst
Umschlagen eines leinenen Tuches, der sogenannten Windel,
über welche erst die wollene Decke gelegt wird.
Folgende Methode dürfte zu dem gedachen Zwecke am
yorteilhaftesten sein: Ueber eine wollene viereckige Windel
legt man eine dreieckig zusammengelegte leinene Windel so
zin, daß die breite Seite nach oben, der Winkel des Drei—
icks nach unten zu liegen kommt. Beide Stücke zusammen
verden unter das Kreuz des Kindes geschoben und nun—⸗
nehr wird die Spitze des leinenen Dreiecks zwischen den
Beinchen nach oben geschlagen, während die beiden andern
Enden von beiden Seiten her darüber geknüpft werden oder
nach unten je das entsprechende um einen Schenkel geschlagen
wird. Ueber diese Umhüuung wird alsdann die wollene
Windel zusammen geschlagen.
Hierüber noch etwa Guttapercha oder dergl. zu legen
ist nicht ratsam, weil dadurch der ganze Körper in eine
indurchdringliche MRasse eingehüllt und die notwendige Ver—
hdunstung verhindert wird, so daß unter der eigenen Feuch—
tigkeit die Haut alsbald sich entzündet und grade dasjenige
erzeugt wird, was durch die Windeln verhütet werden soll.
(Schluß folgt.)
Das Alter der Bäume.
In einem Aufsatze spricht der königl. Forstmeister,
Herr Sericke in Breslau, die Ansicht aus, daß das tausend⸗
ährige Alter deutscher Waldbäume eine Fabel sei, daß auch
bdei den sogenannten historischen Bäumen ein höheres Alter
als 700 bis 800 Jahre nicht nachgewiesen sei, und daß
kein deutscher Baum dieses Alter in gesundem Zustand
erreiche. Bäume von so hohem Alter sind immer hohl und
seben nur als Ruinen fort. Was die Frage betrifft:
Welches ist die Gesundheitsgrenze unserer Bäume? so ist
hdon vornherein anzunehmen, daß dieselbe nicht blos nach
der Holzart, sondern auch nach Klima und Boden verschieden
sein wird. Herr Gericke kommt auf Grund eigener Unter—
uchungen, sowie von Mitteilungen, welche ihm seitens
)eutscher, österreichischer und russischer Forstakademien über
das Alter der ältesten, in den Sammlungen befindlichen
Holzscheiben zugegangen sind, zu folgenden Schlüssen: Das
söchste Alter, welches Bäume in gesundem Zustand er—
teichen können, findet sich nicht bei den Laub- sondern bei
den Nadelhölzern. Nachdem dieses Alter erreicht ist, sterben
die Nadelhölzer bald ab, während die Laubhölzer, nachdem
ie die Gesundheitsgrenze erreicht haben, noch längere Zeit
ortvegetieren können. Das höchste, thatsächlich durch Zählung
der Jahresringe gefundene Alter beträgt 5300 —570 Jahre,
und zwar erreichen dieses Alter die Fichte im Böhmerwald
und die Kiefer in Finnland und Schweden. Das nächst—
jöhere Alter scheint der Weißtanne zuzukommen, welche es
m Böhmerwald auf 429 Jahre brachte. Die Lärche er—
reicht höchstens ein Älter von 274 Jahren in Baiern. Von
den Laubhölzern scheint die Eiche am längsten zu wider—
tehen, und zwar die Steineiche, von der das älteste ge—
undeste Exemplar (Aschaffenburg) 410 Jahre zählt. Bei
»er Stieleiche waren die ältesten, bereits den Beginn der
Kernfäule zeigenden Exemplare nur 315 und 8320 Jahre
alt. Doch wird die Stieleiche viel staͤrker als die Stein—
eiche. Die ältesten Rotbuchen sind 245 Jahre (Aschaffen⸗
»urg) und 226 Jahre alt (Weißwasser) gefunden worden.
Die Altersmaxima der übrigen Bäume stellen sich wie folgt:
Fiche 170 Jahre, Rüster 180 Jahre in Schlesien; Birke
160 bis 200 Jahre, Espe 219 Jahre, Roterle 145 Jahre
in Finnland und Bergahorn 224 Jahre in Baiern. Grade
der unter den historischen Bäumen am häufigsten vertretene
Baum, die Linde, findet sich am feltensten in den Samm—
lungen; vielleicht ist dies ein Zeichen dafür, wie selten sehr
alte und gesunde Linden vorhanden sein mögen. Die be—
rühmteste unter den historischen Linden ist die zu Neustad'