Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

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sie auch in kalt geräncherter Wurst, wenn dieselbe längere 
Zeit aufbewahrt wurde, nicht mehr leben. — Am gefaͤhr⸗ 
lichsten erscheint das rohe Schweinefleisch, in welchem die 
Trichinen eventuell ganz unversehrt enthalten sind. Während 
also Braten, Wurst und Schinken nur bedingungsweise 
verdächtig sind, ist das rohe Schweinefleisch unbedingt zu 
verwerfen. 
Auf Grund obiger Darstellung mag sich jeder je nach 
der individuellen Aengstlichkeit seine Maßregeln bilden; die 
Mittelstraße wird derjenige wandeln, welcher rohes Fieisch 
ganz meidet, in Beziehung auf Schinken, Wurst u. dgl. 
mißtrauisch bleibt gegen die Qualitäten, welche in den flie— 
genden Fleischerständen oder hansierend feilgeboten werden, 
sich aber solche Sorten nach wie vor schmecken läßt, die von 
einem als reinlich und reell bekannten Fleischer entnommen 
sind. Zu größerer Sicherheit lasse man auch bei diesen 
Speisen dem Genusse eine mikroskopische Untersuchung vor— 
hergehen. 
Da es nur hier um eine Belehrung für das Privat— 
seben zu thun ist, so liegt die sanitätspolizeiliche Seite nicht 
im Bereiche dieser Mitteilung. Nur sei bemerkt, daß eine 
radikale Abhülfe nur in der Errichtung öffeutlicher Schlacht— 
hzänfer, wenigstens für Schweine gefunden werden kann, zu— 
mal als selbst dem erfahrensten Fleischbeschauer nicht immer 
die geeigneten Fleischstücke zur Verfügung stehen. 
Bilder aus Berlin. 
XIII. 
donderbare Erwerbszweige. 
Unter den Befehlshabern, deren Befehlen willig Folge 
zeleistet wird, steht der menschliche Wagen obenan. Miit 
dem Kommando „Befriedige mich“ treibt er auch den Faul— 
sten und Widerwilligsten zu einiger Thätigkeit au, sei es 
duch nur, um seinem Knurren und Murreu für wenige 
Stiunden ein Ende zu machen. Erwirb — lautet der Be— 
fehl und so mancher verfällt auf einen ganz eigenartigen, 
sonderbaren Erwerbszweig; den einen bestimmen zu einem 
solchen körperliche oder geistige Schwächen und Gebrechen, 
den anderen die Sucht, auf möglichst bequeme Weise das 
zu gewinnen, was er zur Befriedigung des unerbittlichen 
Mahners in seinem Innern braucht. Solche sonderbare Er— 
werbszweige blühen vornehmlich in großen Städten, so auch 
in Berlin. Einige möchte ich dem freundlichen Leser vorsühren: 
Geht da von Haus zu Haus oder richtiger von Hof 
zu Hof ein schwächliches Mäunlein, einen Sack auf dem 
Rücken tragend, in seiner Rechten einen eisernen, etwa einen 
Meter langen Haken haltend; was mag er treiben? Er 
durchstöpert die auf den Höfen lagernden Kehrichthaufen, 
mit geschickter Hand alles irgend noch Brauchbare an den 
Haken spießend und in den Sack werfend. Da fallen Lum— 
pen, Papier, wohl auch ein Messer, Gabel, Löffel und hin 
und wieder noch kostbarere Dinge in seine Gewalt, deren 
Verschwinden dem früheren Besitzer unerklärlich. Unter 
diesen Naturforschern, so nennt der Berliner boshafter⸗ 
weise diese Lumpensammler, sind beide Geschlechter, ist jedes 
Alter vertreten, doch sind sie nicht alle gleich an Intelligenz 
und Manieren. Es gibt unter ihnen solche, die in den 
VBierteln, in welchen sie ihr Sammlertalent zur Geltung 
bringen, so beliebt find, daß ihnen von den dienstbaren 
Beistern des Hauses und dem Thüröffner mancher Vorschub 
geleistet wird, namentlich dadurch, daß ihm allein das Recht 
zuerkannt wird, aus der Gleichgiltigkeil der Bewohner des 
Hauses gegen unbedentende Wertobhiekte und der Unachtsam— 
eit und dem Leichtsinn derselben Nutzen zu ziehen. In 
reichen Stadtvierteln hat auch der Kehricht mehr Wert und 
der Gewinn des Sammlers ist dort ein bedeutenderer. Setzt 
sich ein in solchen Vierteln eingebürgerter Naturforscher zur 
Ruhe oder gibt er das Revier auf, um in einem noch mehr 
abwerfenden Viertel sein Gewerbe fortzusetzen, so verkauft 
er sein Recht an einen andern, den er als seinen zu 
schätzenden Nachfolger mit warmen Empfehlungen versieht. 
Tönt da aus einem Laden der belebten Straße die 
nächtige Stimme eines Versteigerers. Mit einem großen 
Aufwand von Beredsamkeit hietet er die verschiedensten Ge— 
zenstände für anscheinend spottbillige Preise zum Kaufe an. 
Uhren, Uhrketten, Ringe, alle möglichen Schmuck- und Ge—⸗ 
»rauchsgegenstände sind von ihm auf dem Ladentische auf⸗ 
Jestapelt. Von den Vorübergehenden tritt mancher in das 
Lokal ein, bewundert die Kraft der Lungen und die Ge— 
äufigkeit der Zunge des Ausrufers, sieht auch erstaunt den 
Blanz der so billig angepriesenen Waaren und hat nicht 
ibel Lust, den einen oder anderen Gegenstand für die paar 
Heark zu erstehen. Sein Nachbar, der eben erst in den 
daden getreten, muß ihm wohl etwas angemerkt haben; er 
ritt aus dem Kreise, läßt sich den Gegenstand reichen, be⸗ 
rachtet und mustert ihn einige Augenblicke mit Wohlgefallen, 
dezahlt den verlangten Preis und geht bescheiden und schwei— 
jend von dannen. Laß dich nicht verführen, ihm nachzu⸗ 
ahmen! Dieser Käufer war kein solcher, sondern nur ein 
Anreißer, ein Helfershelfer des Versteigerers. Er wollte 
nur die Kauflust des versammelten Publikums anregen; 
nach einer Viertel- oder halben Stunde wird er wieder 
eintreten und wird so den Tag über manches Stück erstehen, 
am Abend aber alles Gekaufte wieder zurückstellen, um da— 
sfür sein Geld wieder zu empfangen und das Schichtlohn 
ür seine anstrengeude Thätigkeit einzustreichen. Ja an— 
trengend ist seine Thätigkeit insofern, als er sich mit Ge— 
valt das Lachen verbeißen muß, wenn wieder einer aus 
dem unschuldigen Publikum sich durch ihn hat anregen lassen, 
ein gutes Geld für schlechte Waare herzugeben. — Dieser 
Erwerbszweig würde aber nicht lange blühen, wenn das 
Beschäft immer an ein und demselben Orte getrieben würde; 
der Versteigerer und seine Verbündeten wechseln deshalh 
ehr oft den Schauplatz ihrer Thätigkeit; bald schlagen sie 
in diesem, bald in jenem Teile der Stadt ihr Lager von 
zillig erstandenen Waaren auf. — 
Schreitet da ein Mann mit gravitätischem Schritt die 
Straße entlang; er trägt an einer Stange befestigt ein 
riesengroßes, bedrucktes Papier — irgend ein Vergnügungs— 
okal oder ein Handlungsgeschäft wünscht durch Vermitte— 
ung dieser „wandelnden Litfaßsäule“ die Straßen— 
zassanten auf sich aufmerksam zu machen. Doch muß es 
eine kleine Anstrengung kosten, so den ganzen Tag ein 
ischgroßes Papier an einer Stange durch die Straßen der 
Stadt zu schleppen; jedenfalls hat es jene „wandelnde Vit⸗ 
aßsäule“ viel bequemer, die sich die ihr übergebene Rek— 
ame einfach auf den Rücken befestigt hat und nun tief⸗ 
innend vor einem Schaufenster steht und so den Vorüber— 
zehenden Gelegenheit gibt, seine bedruckte Hinterseite in aller 
Ruhe durchzustudieren. 
Sollte man meinen, daß es in Berlin auch Leute gibt, 
velche ein Geschäft daraus machen, als Zeugen zu fungieren. 
Vor jedem der verschiedenen Standesämter kann man zu 
der Zeit, in welcher die bürgerlichen Eheschließungen statt⸗ 
änden, eine Gruppe recht manierlich aussehender, meist jün⸗ 
zerer Männer wahrnehmen; sie sind gern bereit, gegen eine 
Vergütung bescheinigen zu helfen, daß der und der und 
die und die erktürt haben. mit einander durchs Leben wan—
	        
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