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Bösen, zur treuen Pflichterfüllung in allen Lagen des
Lebens und in den mannigfachen Verhältnissen, in denen
Ihr schon jetzt Pflichten zu erfüllen habt und wie Ihr solche
in erhöhtem Maße im späteren Leben werdet zu erfüllen
haben — das wünschen alle, die es gut mit Euch meinen;
das wünschen Eure Lehrer, das wünschen auch alle die
Herren, die unserer Shhule und damit auch Euch die Ehre
angethan haben, sich an unserer heutigen Feier zu be—
eiligen.
Als vor nunmehr vierzehn Tagen die Kunde zu uns
kam, daß der Kaiser gestorben, da durchzitterten unsere
Herzen; da durchzitterte das Herz jedes denkenden und
fühlenden Deutschen. Vor kaum drei Monaten hatte man
ihn, den großen Kaiser Wilhelm hinausgetragen in die
Bruft seiner Väter, ihn, den Begründer des Reichs und
seiner dominierenden Stellung, ihn, den Vater des Vater—
andes, ihn, den Wohlthäter insbesondere auch des Arbeiter—
standes, dem Ihr jetzt noch angehört. Jetzt mußte man
ihn hinaustragen, den Mithelfer bei der Gründung des
Reichs, ihn, der seit Jahrzehnteu der Trost und die Hoff⸗
nung war unsers Volkes, durfte es doch überzengt sein,
daß es unter seiner Regierung einer weiteren glücklichen
Zukunft entgegengehen werde. Als uns die Trauerbotschaft
af, da hat wohl der gläubige Mensch mit dem heiligen
Manne des Alten Testaments sprechen können. „Der Herr
hat ihn gegeben, der Herr hat ihn genommen“, doch wollte
is nicht aus seinem Herzen und nicht über seine Lippen,
mit ihm fortzufahren „der Name des Herrn sei gelobet.“
Viel näher lag ihm die Frage: „O Herr, warum hast Du
uns das gethan?“ Ja, des Herrn Wege sind wunderbar.
In Demut müssen wir uns beugen unter seine gewaltige
Hand, in demütigem Glauben hoffend und vertrauend, daß
unser Volk auch aus dieser Trübsal, herrlich hinaus—
führen werde!
Vergegenwärtigen wir uns jetzt den theuren Entschlafe—
zen in seinen hervortretendsten Charakter-Eigenschaften.
Vor nunmehr 22 Jahren zog der verklärte Herrscher hinaus
in den Kampf, ein lebensfrischer, thatenfroher Feldherr.
In kurz aufeinander folgenden Schlägen verjagte er den
Feind von den Grenzen Schlesiens; bei Königgrätz schlug
ihm entscheidend auf das Haupt. Seine Mitkämpfer an
diesem Tage werden es nie vergessen, wie er mit dem
Scharfblick des wahren Feldherrn die Stelle in der feind—
ichen Aufstellung erkannte, an der der Feind geschlagen
verden mußte, um zertrümmert zu sein; werden es nie ver—
Jjessen, wie er seinen Scharen die Höhen von Horenowes
zAs das zu erringende Ziel wies, sie in gewaltigem An⸗
stturm gegen diese Höhen vorführte und dadurch den Sieg
in die preußischen Fahnen fesselte, den Feind nicht blos
desiegte, sondern zerschmetterte. Und im Sommer des Jahres
1870: wie drang er mutvoll über die französische Grenze,
den Feind zurückwerfend in das Innere seines Landes, da—
durch Süddeutschland von der Gefahr befreiend, von den
eindlichen Massen überflutet zu werden. Weißenburg und
Wörth sind Blätter des Ruhms in der Geschichte des deut—
schen Heeres, sie sind auch Blätter des Ruhms in dem
Ruhmeskranze, welche die Stirne des an diesen Tagen
ührenden Feldherrn schmückt, dem damaligen Kronprinzen
Friedrich Wilhelm. Nicht blos schlug er den Feind, nein,
wie bei Königgrätz, so auch bei Wörth zertrümmerte er
ihn! Und wie hat er es in den Tagen des Kampfes ver—
flanden, die Kämpfer aus dem Süden Deutschlands mit
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zu verbinden. Keine andere Persönlichkeit wäre es so wie
reim Stande gewesen, die verschiedenen Landsmannschaften
in Treue zusammenzuschließen. Seine Lentseligkeit, sein
mildes, freundliches, ungezwungenes Wesen verschaffte ihm
die Liebe und das Vertrauen bei den Streitern aus Baiern
Württemberg und Baden in eben so hohem Maße, wie er
deide bei den Streitern aus dem Norden schon seit Johren
»esaß. Er ist so recht eigentlich gewesen der Kitt, der den
Süden mit dem Norden verband, der Kitt, der seine Kraft
hewiesen hat bis auf den heutigen Tag. — Begleiten wir
den Helden auf dem Kriegspfade weiter! Wie ist er nicht
»orwärts gedrungen, als erkannt worden war, daß der
ranzssische Feldherr von seiner bisherigen Rückzugslinie
ibgebogen und nach Norden ausgewichen war, um dem in
Peetz eingeschlossenen Bazaine zu Hilfe zu kommen. Jn
gewaltigen Märschen führt er seine Corps in der neuen
sKtichtung vorwärts; die Fühlung mußte wieder gewonnen,
dem Feinde mußte auf die Hacken getreten werden. Und
vas anfangs zweifelhaft war, ob es gelingen werde — es
jelang der vereinten Kraft. Der Feind wurde gestellt und
in dem großen Abrechnungstage bei Sedan da half er den
Ring schüeßen, aus dem einer Armee von 100 000 Mann
ein Entkommen mehr sein sollte — ein eiserner Ring, ge—
bildet aus todesmutigen, deutschen Männern! Treu hielt
der Held Wacht an den Befestignngen von Paris. Kämpfend
vesehte er die Einschließungslinie, kraftvoll und energisch
pies er die feindlichen Ausfälle zurück, bei den Kämpfen
urchaus sein Leben nicht schönend; hielt er doch bei dem
etzten großen Ausfall am 19. Januar kaltblütig in der
Batterie auf der Höhe bei Bougival, obgleich die feindlichen
Beschosse bis in diese hineinflogen und Bedienunasmann—
chaften niederrissen!
Das ist Friedrich, der Kriegsheld! Ebenso hoch und
herrlich wie im Ruhme des Kriegsheldentums sehen wir ihn
As Mann des Friedens. Während seines ganzen Lebeus
war er ein Freund von Kunst und Wissenschaft, ein För—
derer des Gewerbfleißes und aller Zweige bürgerlicher
Thätigkeit; gern siellte er sich in den Dienst edler Unter⸗
sehmungen. “Wenn er im Munde des Volkes,Unser Fritz“
Jenannt wurde, so war das eine Huldigung für seine Frie⸗
Jensthätigkeit, ein Name, der zugleich Liebe und Vertrauen,
Achtung und Wertschätzung aussprach. — Sein großer
Vater hatte an dem Tage, an welchem er sich im Angesicht
son Paris die Kaiserkrone auf sein würdiges Haupt setzte,
Jerküudet, daß er seine Kaisergewalt nicht nützen wolle,
im durch kriegerische Eroberungen Deutschlands Macht und
Bröße zu mehren, sondern daß er Deutschlands Größe nur
nehren wolle an Gütern des Friedens, dem Sute wahrer
Freiheit, der Wohlfahrt und der Gesittung. Und wos ver⸗
ndet der Sohn des ersten Kaisers, was verkündet Kaiser
Friedrich? Er verkündet: „Unbekümmert um den Ruhm
iegerischer Großthaten werde ich dereinst zufrieden sein,
benn von meiner Regierung gesagt wird, sie sei meinem
Volke wohlthätig, dem Lande nüssllich und dem Reiche ein
Segen gewesen!“
Das ist Friedrich, der Friedensfürst! Wir trauern,
daß es ihm nur kurze Zeit vergönnt gewesen, Europa zu
deweisen, — wir Deutsche haben eines Beweises nicht be—
durft, — daß seine Frieden kündenden Worte nicht leerer
Schall, sondern das Ergebnis tiefinnersten Fühlens gewesen.
Diese Lichtgestalt, die wir schauen in der Glorie des
striegsgruhms und mit der Palme des Friedensfürsten, sie
st umflort von dem Schleier eines tieftraurigen Schicksals,
eines Schicksals, wie es schwerer den Menschen, den Vater
der Familie, den Freund des Volkes nicht treffen konnte.
Als ihn sein Volk noch sah in der Fülle der Mannes—
kraft und vollendeter Mannesschönheit nagte schon in seinem