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reicher, hier in den Schluchten unsere Preußen schlagfertig
stehn sahen. Weder Pferd noch Kuh, weder Milch noch
Brod gab es in unserm VDörfchen mehr. Fast in jeder
Nacht hörten wir die Kanonen donnern, und mit jedem
neuen Morgen stellte sich auch neues Elend und neuer
Jammer für uns ein.
Einst hatten wir wieder die ganze Nacht hindurch
schießen gehört; an Zubettgehn war gar nicht mehr zu
denken, weil man in jeder Nacht horchen mußte, ob die
Flamme nicht schon im Dachgiebel knisterte. Eben hatte
ich das Morgengeläute besorgt, guckte zum Schallloche
hinaus, um zu schauen, was uns an dem schrecklichen
Tage wohl wieder bevorstehn könne, und zog, zum Himmel
blickend und Gott dankend, mein Mützchen vom Kopfe, da
mir Alles ganz ruhig schien. Ehe ich es jedoch wieder
aufgesetzt hatte, jagte ein alter schwarzer Husar zum Kirch—
hofe hinein, warf sich vom Pferde und band seinen Braunen
an meinen Fensterladen. Wie mir zu Muthe ward, kann
man sich leicht vorstellen. Ich flog mehr, als ich ging, die
Thurmtreppe hinunter. Er aber ließ mir nicht einmal Zeit,
meinen so freundlich als möglich hervorgestammelten „Guten
Morgen!“ anzubringen, sondern rief mir in barschem Tone
zu: „Geb' Er mir den Kirchenschlüssel, Schulmeister!“ Ich
erschrak; denn obgleich das Bischen Kirchenvermögen und
der vergoldete Kelch mit der Hostienschachtel in Sicherheit
gebracht waren, so befand sich doch noch eine ziemlich reicht
Ältarbekleidung mit Tressen in der Kirche. Ich legte mich
auf Bitten und Vorstellungen, allein der alte Kriegsmann
wollte davon Nichts wissen. Er sah mit einer so ganz
eigenen Manier bald auf mich, bald auf seinen Säbelgriff,
daß ich, um Unglück zu verhüten, voranging, um ihm die
Kirchenthüre zu oͤffnen. Meine Frau, die hinter der Haus—
thüre gehorcht hatte, und die vor der Gefahr immer ver⸗
zaͤgter, in der Gefahr aber immer entschlossener war als
ich, tam aus Besorgniß um mich von freien Stücken binter
uns her.
Der Husar drängte sich in der Halle hastig voran,
ohne sich umzusehen, an der Sakristei und dem Altar vor—
über und schritt, so schnell es sein Alter erlaubte, klirr!
klirr! die Chortreppe hinauf. Hier setzte er sich, Athem
schöpfend, auf eine Bank und rief mir gebieterisch zu:
Schulmeister, mach' Er die Orgel auf, und geb' Er mir
ein Gesangbuch!“ Ich that augenblicklich, was er verlangte;
meine Frau mußte die Bälge ziehen, der Husar hatte ein
Lied aufgeschlagen und sagte nun in einem weit milderen
Tone: „Wie schön leuchtet der Morgeustern! Spiel' er das,
lieber Schulmeifter, aber so recht fein und ordentlich! Er
versteht mich wohl!“
Ich spielte mit Herzenslust, und nach geendetem Vor⸗
spiele fiel der Husar mit seiner tiefen Baßstimme ein;
meine Frau hinter der Orgel und ich thaten rin gleiches.
Mein Herz wurde so muthig, daß ich mich oft nach meinem
Zuhörer uümschaute und ihm ganz dreist in das Gesicht sah.
Er sang mit großer Andacht, hatte die Hände gefaltet, und
die hellen Thränen fielen über den eisgrauen Knebelbart
über das Buch hinab. Jetzt war das Lied beendet; ich
ging auf ihn zu, er schüttelte mir recht treuherzig die Hand
und sprach: „Großen Dank, Herr Kantor; wo ist der
Gotteskasten?“
Mein früherer Argwohn, daß es auf Plünderung ab—⸗
gesehen. sei, war nun gänzlich verschwunden. Ich holte
unsere Armenbüchse, und der Husar warf ein Zehngroschen⸗
stück hinein. „Wir beide aber, wir theilen den Rest, Herr
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Schulmeister!“ sagte er dann, indem er noch zwei Zehn⸗
groschenstücke aus der Tasche zog, „da nehm Er das für
Seine Mühe.“ Ich schlug es aus; aber er war so unge—
stüm, daß ich es schlechterdings nehmen mußte. „Nehm'
Er, nehm' Er,“ sprach er, Fes klebt kein Blut daran!“
Jetzt verließ er das Gotteshaus, und wir begleiteten ihn.
Sowohl meine Frau als ich waren unglaublich bewegt; ich
konnte mich aber nicht enthalten, unsern wunderbaren Gast
auf dem Kirchhofe zu fragen, wie ihm denn der Gedanke
gekommen sei, hier seine Morgenandacht zu halten.
„Das will ich euch wohl sagen, liebe Leute,“ antwor⸗
tete er, indem er uns beide an der Hand nahm. „Gestern
Abend sollte ein verlorner Posten ausgestellt werden, um
mitten unter den umherschweifenden Patrouillen den Feind
auf einem gewissen Punkte zu beobachten. Jeder von uns
wußte, was die Sache auf sich hatte — wir sind seit eini⸗
zen Wochen brav daran gewesen. — Unser Rittmeister
fragte nach Freiwilligen, Niemand bezeigte Lust. Endlich
ritt ich vor, und meine drei Jungen konnten ja wohl der
alten Vater nicht allein lassen. Er braucht es nicht zu
wissen, wie wir es anfingen, Herr Schulmeister; — genug,
wir schlichen uns durch und hielten die ganze Nacht auf
einer buschigen Anhöhe. Links und rechts blitzte es um
uns her; wir sahen bald hier, bald dort feindliche Mann⸗
schaften. — Nicht meinetwegen, — denn wie lange werde
ich noch reiten? — sondern nur wegen meiner Söhne
seufzte ich in der finstern Nacht: Herr, erhalte uns! Kaum
hzatte ich es heraus, als es anfing zu dämmern und der
Morgenstern mir ins Ange blitzte.“ Wie schön leuchtet der
Morgenstern! fiel mir in diesem Augenblick aus meiner
Jugendzeit ein. Gar Manches, was ich seitdem gethan,
and was wohl nicht allemal recht war — hing sich wie eine
Bleilast daran; ich rechnete nach, seit wie viel Jahren ich
in keine Kirche gekommen war, und ich that Gott das Ge—
lübde, wenn ich diesmal davon käme, wieder einmal eine
Andacht zu halten. Das hab' ich denn nun gethan, und
Er kann wohl denken, ob mir das: „Du Herr bist's, der
mich diese Nacht durch deine Engel hat bewacht!“ von und
zu Herzen gegangen ist.“ Mit diesen Worten setzte er sich
auf und ritt davon.
Allerlei.
Ein Barbier in der amerikanischen Stadt Chikago soll
während des vorigen Jahres in seiner kleinen Barbierstube
die unerhörte baare Einnahme von rund 8000 Dollars
(32000 Mark) gehabt haben. Das Ge heimniß dieses groß—
artigen Erfolges bestand einfach darin, daß der Barbier
als Gehülfen nur Taubstumme hält, die dann natürlich
die Kunden nicht mit Redensarten, Anpreisung von Ge—
heimmitteln u. dgl. belästigen können.
Marktpreise am 24. Dezember 1875.
zu Saarbrücken. zu St. Johaun
dark Pfg. Mark Pig
Centner Kartoffeln 3 — 3 —
lPfund Butter 1 20 1 10
1 Dutzend Eier 1
Gegenwärtiger Rummer ist für die besonderen Abon⸗
nenten des Bergmannsfreund das Titelblatt und Inhalts—
verzeichniß des 5. Jahrgangs (1875) beigelegt.
Drucker um Verlegn WGebruder Ho fer in Saarbruden. (Erpedition der Saarbruder Zeitung.)
erconwortlichet Rebacteur: A Haßzlach er in Saarbrücken.