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in Thätigkeit und scheint seinen wohlthätigen Einfluß nicht
zu verfehlen. Dasselbe besteht aus einem Vorsitzenden und
sechs Beisitzern, welche von den Grubenbeamten und Ar⸗
beitern aus ihrer Mitte gewählt werden.
Wie im Wormrevier, besteht auch zu Eschweiler
seit dem Jahre 1870 bei den Arbeitern und Beamten des
Eschweiler Bergwerksvereins ein Verein zu Zwecken
der Hebung des Bergmannsstandes, zu gegenseitiger Unter⸗
stützung und Belehrung, sowie zur FoͤrderungIder, Gesellig⸗
keit, welcher 500 Mitglieder zählt.
Verantwortlichkeit des Bergarbeiters.
Bei der Gefährlichkeit des bergmännischen Berufes ist
es durchaus Erforderniß, daß jeder Bergarbeiter bei der
Arbeit und in seinem Dienste den Befehlen seines unmittel—
baren Vorgesetzten Folge leistet. Er ist hierbei vollständig
in der gleichen Lage, wie der Soldat, und kann auch eben—
so wenig wie letzterer dafür verantwortlich gemacht werden,
wenn etwa durch die Ausführung des Befehls seines un—
mittelbaren Vorgesetzten eine allgemeine Anordnung über—
treten wird.
Dieser Grundsatz ist neuerdings auch durch ein Er—
kenntniß (vom 9. November 1875) des höchsten deutschen
Gerichtshofs, des Reichs-Oberhandelsgerichtes zu Leipzig,
festgestellt worden.
Nach der endgültigen Entscheidung des genannten
Gerichtshofes begeht ein gewöhnlicher Bergarbeiter, welcher
von einem unmittelbaren Vorgesetzten einen Befehl empfängt,
der, um überhaupt wirksam zu sein, sofort befolgt werden
muß, und welcher sich auf eine Arbeit bezieht, in deren
Ausführung der Arbeiter begriffen ist und die jener Vor—
gesetzte zu leiten und zu beaufsichtigen hat, kein Vecsehen,
wenn er Gehorsam leistet, sollte auch der Befehl einem
früher von einer höhern Stelle erlassenen Verbote zuwider
sein. Es ist dabei als die Regel angenommen, daß dem
Arbeiter nicht zugemuthet werden kann, zu prüfen, ob der
unmittelbare Vorgesetzte seine Befugnisse uͤberschreitet, zumal
ja auch mancherlei, der Beurtheilung des Arbeiters sich
entziehende Umstände eingetreten sein können, welche es
räthlich und sogar nothwendig machen, das Verbot außer
Acht zu setzen. Es kann daher der Arbeiter nicht für die
Folgen verantwortlich gemacht werden, wenn er unverzüglich
ausführt, was der unmittelbare Vorgesetzte ihn sofort zu
thun heißt.
Ein trauriges Bild aus dem Arbeiterleben.
Es ist Sonntag Abend. Wir befinden uns auf einer
Eisenbahn-Station zur Zeit, als der gewöhnliche Arbeiterzug
abgehen soll, welcher Hunderte von Arbeitern wieder zů
den fernen Werken und Fabriken hinführen wird, von wo
er sie am Tage vorher uͤber Sonntag nach ihrer Heimath
gebracht hat. Der Wartesaal des Bahnhofs ist bereits
angefüllt mit einer großen Zahl von Arbeitern und auch
Arbeiterinnen, jeder einen Sack oder ein Bündel mil
Kleidern und Lebensmitteln aller Art bei sich, dem Vor—
rath für die Woche. Sie unterhalten sich sehr geräuschvoll
in zahlreichen Gruppen.
Inzwischen tritt ein neues Paar in den Saal. Es
ist eine ältliche Frau mit ergrautem Haar und bereits etwas
gebogenem Rücken, sie scheint an die 60 Jahre zu zählen,
indessen Kummer und Entbehrungen, die in ihren wohl
einst schönen Zügen sich ausgeprägt haben, mögen sie viei⸗
leicht älter erscheinen lassen, als sie in Wirklichkeit ist. Mit
ihr kömmt ihr Mann, unverkennbar ein Arbeiter, noch rüstig
und von kräftiger Gestalt, aber mit etwas unsicherem Gang;
das geröthete Gesicht und die rothe Nase lassen vermuthen,
daß wir es mit einem jener Trunkenbolde von Profession
zu thun haben, die ihr Leben, ihre Ehre und ihre Familie
dem Branntwein verkaufen.
Der Mann setzt sich auf eine Bank, die Frau auf eine
andere. Plötzlich wendet sich letztere dem Manne zu mit
der Frage:
„Hast Du auch Dein Billet genommen?“
Schweigen von Seiten des Mannes.
„Ich habe Dir das Geld gegeben, um eins zu nehmen;
wenn Du es nun wieder verlumpt hast, dann werde ich
allein fahren.“ —
„Na, so werde ich hier bleiben“, unterbrach jetzt der
Mann sein Schweigen und wandte ihr den Rücken.
Diese wenigen Worte, mit lauter Stimme gesprochen,
hatten die allgemeine Aufmerksamkeit erregt, und diejenigen,
welche der alten Frau in's Gesicht sehen konnten, weis—
sen einen nahen Sturm. Und letzterer brach auch sofort
Dos.
„Ja“, schrie die Frau in den Saal hinein, „da könnt
Ihr einen schlechten Kerl sehen! Bringi mir ganze 25
Groschen als Lohn von 14 Tagen mit nach Haus, und
verdient doch als Steinhauer Tag für Tag seine 1 Thlr.
10 Sgr! Aber er versäuft Alles, was er verdient, und wird
mit jedem Tag immer mehr zum Vieh ....“
Die arme, alte Frau hatte mit immer steigender Stimme
diese Worte hervorgestoßen, während ihr Opfer den Kopf
senkte, ohne zu antworten. Doch murmelte er halblaut vor
sich hin: „Schändlich von dem Weib, solch einen Skandal
zu machen!“ — Aber die Alte, die sich eben erhoben, hatte
die Worte gehört.
„Was!“ schrie sie. „Eine Schande ist es, ja, aber
nur für Dich! Ich muß arbeiten und schaffe, soviel ich nur
kann, während Du ..... Du solltest vor Scham ver—
sinken. Aller Welt werde ich es sagen und Dich in Deinem
wahren Lichte zeigen!“
„Es ist doch wirklich wahr,“ fuhr sie fort, indem sie
sich zu den umstehenden Personen wandte, „was kann man
denn heutzutage mit 25 Sgr. für 14 Tage machen? —
Arbeiten, werdet Ihr mir sagen. Ja, ich thuüe es auch, aber
ich bin keine 20 Jahre mehr alt, währeud der Lump noch
rüstig ist. Betrachtet ihn nur, er hat sich noch nicht einmal
rasiren lassen, er hatte kein Geld mehr. Er versäuft es
lieber und läuft wie ein Schwein heruin!“
Das war doch dem Mann zuviel. Er erhob sich,
näherte sich seiner Frau, rief ihr mit drohender Geberde
einige Worte zu und ging dann zur Thüre hinaus. Bald
kam der Zug, die alte Frau stieg allein ein, ihr Mann
war verschwunden. —
Aehnliche Bilder, wie häufig mögen sie wohl vorkommen!
Wie viele Arbeiterfamilien könnten glücklich und zufrieden
und in Wohlhabenheit leben, wenn nicht das scheußliche
Laster des Trunkes wäre, das immer und immer wieder
Opfer findet und so manchen, von Herzen guten Menschen
für Zeit und Ewigkeit gebrandmarkt hai.
Wie schön leuchtet der Morgenstern.
Eine Geschichte aus dem siebenjährigen Krieg.
Wir waren wohl ost in großer Angst und Noth (er—
zählt ein alter Dorfschulmeister in Schlesien), wenn wir
im siebenjährigen Kriege auf jenen Anhöhen die Oester—