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Am nächsten Abend, vierundzwanzig Stunden nach der
That, war er auf der belgisch⸗-französischen Grenze.
Der Tod des Polizeisoldaten machte viel Aufsehen und
erregte Entrüstung und Bedauern. Viele wollten nicht
glauben, daß man den Mörder nicht ausfindig machen
könne, und klagten über schlechte Gesetzeshandhabung im
Lande. Im Dorfe selbst kannte man freilich den Thäter,
und die Untersuchung der Mitschuldigen stellte auch fest,
daß es Georg R. sei, allein verschwunden blieb er, und
alle ihm nachgeschickten Steckbriefe in den Zeitungen brachten
keine Spur mehr von ihm zu Tage. Der erschlagene
Polizeisoldat hinterließ eine Frau und fünf Kinder; das
Bedauern war allgemein. Unterstützungen flossen denselben
jedoch so reichlich zu, daß die Wittwe ihre Kinder ohne
Noth aufziehen konnte. Sie sind auch alle ordentliche,
tüchtige Menschen geworden.
Jahrzehnte gingen hin, und das weltgeschichtliche Jahr
1870 kam heran. Man weiß noch, wie die ersten franzö—
sischen Gefangenen und besonders diejenigen aus den afri—
kanischen Regimentern in Deutschland angestaunt wurden;
unser Landvolk wollte kaum glauben, daß diese letzteren,
Turkos und Spahis, Menschen seien, man dachte sich eigent⸗
lich menschenähnliche Affen unter ihnen.
Nach der Schlacht von Wörth kamen etliche zwanzig
solcher französischer Soldaten aus afrikanischen Regimentern,
gefangen und krank, in dasjenige Städtchen, welches kaum
eine Stunde von dem Dorfe entfernt liegt, in dem ehemals
die Prügelei stattgefunden hatte, welche den Tod des Polizei—
soldaten veranlaßte. Man hat vielleicht noch in weiteren
Kreisen von dem fast komischen Auftritte gehört, der sich
bei den Gefangenen zugetragen. Ein in der dortigen, so wie
in vielen Gegenden Deutschlands beliebtes Gericht ist naͤmlich
Kartoffelsalat. Als man diesen an einem der ersten Tage
den Turkos zu Mittag auftrug, weigerten sie sich nach der
ersten Gabel voll davon weiter zu essen. Sie mochten
weder kalte Kartoffeln noch Essig als Speise kennen, und
sie zeigten durch ihre Geberden und ihr Mienenspiel nicht
undeutlich an, daß sie argwöhnten, man wolle sie durch
dies, ihrem afrikanischen Gaumen so unbekannte und nicht
zusagende Gericht vergiften. Kein Zureden half; es wurde
entweder nicht verstandeun oder bestärkte sie noch mehr in
ihrer Furcht, durch diese scharf schmeckende Speise aus dem
Leben geschafft zu werden.
Endlich fiel es einem der Aufseher ein, den störrigen
Turkos einen heilsamen Schrecken einzujagen, um sie zum
Essen des unschuldigen Kartoffelsalats zu vermögen. Er
ließ mehrere Wärter die hellblaue bairische Soldatenkleidung
anziehen und schickte sie in den Eßsaal. Als die Turkos
die „blauen Teufel“, die sie von Weißenburg und Wörth
her nur zu gut kannten, ansichtig wurden, dachten sie wahr—⸗
scheinlich: „Hier sind wir zwischen zwei Feuern, dem Gewehr
der blauen Teufel und der vergifteten Speise. Da ist kein
Entrinnen!“ Doch der Tod durch Gift ist immerhin noch
der langsamere, als der durch einen Flintenschuß im Zimmer;
und so entschlossen sich denn die meisten, wenigstens so zu
thun, als wären sie willig, den schrecklichen Kartoffelsalat
zu essen. Nur einer der „Turkos“, obgleich krank, aß allen
Ernstes das tödliche Gericht, und erklärte hierbei seinen
Mitgefangenen in französischer Sprache, sie seien thöricht,
sich vor dieser Speise zu fürchten, welche durchaus keiue
giftigen Bestandtheile enthalte, sondern gut und gesund sei.
Dieser einzige vernünftige „Turkos“ (es war aber
eigentlich ein afrikanischer Legionär), der schon leidend ange⸗
kommen war, wurde bald recht bedenklich krank. Er lag
indeß still und geduldig und verlangte nicht viel Pflege.
Als er schon völlig theilnahmlos und im Sterben schien,
bat er, einen Geistlichen noch sehen und sprechen zu dürfen.
Man wunderte sich, daß er einen protestantischen hegehrte,
und sendete Pfarrer R. zu ihm, welcher französich verstand.
Wie groß war das Erstaunen dieses Mannes, als der
„Afrikaner“ ihn folgendermaßen deutsch anredete:
„Herr Pfarrer, die Katholischen sagen, eine Beichte
erleichtere das Gewissen, drum will ich beichten, besonders
weil jetzt zwei große Wünsche von mir in Erfüllung gehen.
Ich sterbe und werde in meinem Vaterlande begraben.
Herr Pfarrer, ich bin Georg R., der Bauernsohn von P.,
welcher den Polizeisoldaten anno .... bei einer Prügelei
erschlagen. Ich denke zwar, ich habe diese Sünde lang
abgebüßt, denn ich habe keine frohe Stunde im fremden Land
unter dem Volk mehr gehabt. Als ich meinen Landsleuten
in Wörth gegenüber stand, da hab' ich mir gewünscht, wenn
mich doch gleich die erste Kanonenkugel träf' und todtschöß!
Ich bin gefangen genommen worden, ehe ich einmal abfeuern
hab' müssen. Auf dem Wege hierher bin ich krank geworden.
Als wir vor meinem Heimatdorfe vorüber gefahren und
hier abgesetzt worden sind, da hab ich vor Freude geweint
und gedacht: Gott hat's doch gut mit mir gemeint, daß
er muit hier sterben läßt, und deswegen hab ich beichten
wollen.“
Der Pfarrer tröstete den Sterbenden, so gut er ver—
mochte, und war bald darauf Zeuge seines sansten Todes.
Seine Geschichte vom Tage seiner Flucht an ist die nämliche,
wie die vieler französischer und fremder „Thunichtgute“.
Wer in den letzten zwanzig Jahren zu nichts Anderem mehr
zu gebrauchen war, der trat in die „Fremdenlegion“
ein und kam nach Algerien. Da waren die ungerathenen
Söhne aus aller Herren Länder bis 1870 zu finden.
Das Merkwürdige besteht nur darin, daß dieser zuletzt
reumüthige deutsche Sohn nun seinem heißen langjährigen
Wunsche gemäß so in der Nähe seines Heimatdorfes be—
graben liegt, daß man bei stillem Wetter an seinem Hügel
die Kirchthurmsglocken, bei deren Klang er getauft und
konfirmirt wurde, läuten hören kann.
Allerlei.
Unbilliger Vorschlag. — Herr (u seinem
Diener): „Johann, ich weiß, daß Du mich jeden Monat
um so und soviel betrůgst; ich mag das nicht länger lei—
den und will Dir darum lieber zu Deinem bisherigen Lohn
monatlich noch zwei Thaler zulegen“ Diener: „Das
kann ich in der That nicht annehmen, gnädigster Herr, —
da habe ich mich bis jetzt wirklich besser gestanden.“
Heirathsgründe eines Wittwers. — Bür ger—
meister: „Aber, Hannickel, Ihr werdet doch, weiß Gott,
nicht eine dritte Frau auch noch nehmen, nachdem Eure zweite
erst vor einem halven Jahre gestorben ist,?“ — Hannickel:
„Ja, was kann mer sahn? Läßt unser Herrgotte's Nehmen
nich, dann laß ich's och nich!“
Marktpreise am 28. August 1875.
zu Saarbrücken. zu St. Johann
»rxb PVftg. Mark Pig.
80 3 —
20 1 25
5 — 55
1 Centner Kartoffeln
1Pfund Butter
1 Dutzend Eier
Druder und ——— Gebruder Sof er in Saarbrucken. (Expedition der Saarbrucker Zeitune)
erantwortlicher Redacteur: A. Ha ßlacher in Saarbrücken