Full text: Der Bergmannsfreund (5.1875)

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Am nächsten Abend, vierundzwanzig Stunden nach der 
That, war er auf der belgisch⸗-französischen Grenze. 
Der Tod des Polizeisoldaten machte viel Aufsehen und 
erregte Entrüstung und Bedauern. Viele wollten nicht 
glauben, daß man den Mörder nicht ausfindig machen 
könne, und klagten über schlechte Gesetzeshandhabung im 
Lande. Im Dorfe selbst kannte man freilich den Thäter, 
und die Untersuchung der Mitschuldigen stellte auch fest, 
daß es Georg R. sei, allein verschwunden blieb er, und 
alle ihm nachgeschickten Steckbriefe in den Zeitungen brachten 
keine Spur mehr von ihm zu Tage. Der erschlagene 
Polizeisoldat hinterließ eine Frau und fünf Kinder; das 
Bedauern war allgemein. Unterstützungen flossen denselben 
jedoch so reichlich zu, daß die Wittwe ihre Kinder ohne 
Noth aufziehen konnte. Sie sind auch alle ordentliche, 
tüchtige Menschen geworden. 
Jahrzehnte gingen hin, und das weltgeschichtliche Jahr 
1870 kam heran. Man weiß noch, wie die ersten franzö— 
sischen Gefangenen und besonders diejenigen aus den afri— 
kanischen Regimentern in Deutschland angestaunt wurden; 
unser Landvolk wollte kaum glauben, daß diese letzteren, 
Turkos und Spahis, Menschen seien, man dachte sich eigent⸗ 
lich menschenähnliche Affen unter ihnen. 
Nach der Schlacht von Wörth kamen etliche zwanzig 
solcher französischer Soldaten aus afrikanischen Regimentern, 
gefangen und krank, in dasjenige Städtchen, welches kaum 
eine Stunde von dem Dorfe entfernt liegt, in dem ehemals 
die Prügelei stattgefunden hatte, welche den Tod des Polizei— 
soldaten veranlaßte. Man hat vielleicht noch in weiteren 
Kreisen von dem fast komischen Auftritte gehört, der sich 
bei den Gefangenen zugetragen. Ein in der dortigen, so wie 
in vielen Gegenden Deutschlands beliebtes Gericht ist naͤmlich 
Kartoffelsalat. Als man diesen an einem der ersten Tage 
den Turkos zu Mittag auftrug, weigerten sie sich nach der 
ersten Gabel voll davon weiter zu essen. Sie mochten 
weder kalte Kartoffeln noch Essig als Speise kennen, und 
sie zeigten durch ihre Geberden und ihr Mienenspiel nicht 
undeutlich an, daß sie argwöhnten, man wolle sie durch 
dies, ihrem afrikanischen Gaumen so unbekannte und nicht 
zusagende Gericht vergiften. Kein Zureden half; es wurde 
entweder nicht verstandeun oder bestärkte sie noch mehr in 
ihrer Furcht, durch diese scharf schmeckende Speise aus dem 
Leben geschafft zu werden. 
Endlich fiel es einem der Aufseher ein, den störrigen 
Turkos einen heilsamen Schrecken einzujagen, um sie zum 
Essen des unschuldigen Kartoffelsalats zu vermögen. Er 
ließ mehrere Wärter die hellblaue bairische Soldatenkleidung 
anziehen und schickte sie in den Eßsaal. Als die Turkos 
die „blauen Teufel“, die sie von Weißenburg und Wörth 
her nur zu gut kannten, ansichtig wurden, dachten sie wahr—⸗ 
scheinlich: „Hier sind wir zwischen zwei Feuern, dem Gewehr 
der blauen Teufel und der vergifteten Speise. Da ist kein 
Entrinnen!“ Doch der Tod durch Gift ist immerhin noch 
der langsamere, als der durch einen Flintenschuß im Zimmer; 
und so entschlossen sich denn die meisten, wenigstens so zu 
thun, als wären sie willig, den schrecklichen Kartoffelsalat 
zu essen. Nur einer der „Turkos“, obgleich krank, aß allen 
Ernstes das tödliche Gericht, und erklärte hierbei seinen 
Mitgefangenen in französischer Sprache, sie seien thöricht, 
sich vor dieser Speise zu fürchten, welche durchaus keiue 
giftigen Bestandtheile enthalte, sondern gut und gesund sei. 
Dieser einzige vernünftige „Turkos“ (es war aber 
eigentlich ein afrikanischer Legionär), der schon leidend ange⸗ 
kommen war, wurde bald recht bedenklich krank. Er lag 
indeß still und geduldig und verlangte nicht viel Pflege. 
Als er schon völlig theilnahmlos und im Sterben schien, 
bat er, einen Geistlichen noch sehen und sprechen zu dürfen. 
Man wunderte sich, daß er einen protestantischen hegehrte, 
und sendete Pfarrer R. zu ihm, welcher französich verstand. 
Wie groß war das Erstaunen dieses Mannes, als der 
„Afrikaner“ ihn folgendermaßen deutsch anredete: 
„Herr Pfarrer, die Katholischen sagen, eine Beichte 
erleichtere das Gewissen, drum will ich beichten, besonders 
weil jetzt zwei große Wünsche von mir in Erfüllung gehen. 
Ich sterbe und werde in meinem Vaterlande begraben. 
Herr Pfarrer, ich bin Georg R., der Bauernsohn von P., 
welcher den Polizeisoldaten anno .... bei einer Prügelei 
erschlagen. Ich denke zwar, ich habe diese Sünde lang 
abgebüßt, denn ich habe keine frohe Stunde im fremden Land 
unter dem Volk mehr gehabt. Als ich meinen Landsleuten 
in Wörth gegenüber stand, da hab' ich mir gewünscht, wenn 
mich doch gleich die erste Kanonenkugel träf' und todtschöß! 
Ich bin gefangen genommen worden, ehe ich einmal abfeuern 
hab' müssen. Auf dem Wege hierher bin ich krank geworden. 
Als wir vor meinem Heimatdorfe vorüber gefahren und 
hier abgesetzt worden sind, da hab ich vor Freude geweint 
und gedacht: Gott hat's doch gut mit mir gemeint, daß 
er muit hier sterben läßt, und deswegen hab ich beichten 
wollen.“ 
Der Pfarrer tröstete den Sterbenden, so gut er ver— 
mochte, und war bald darauf Zeuge seines sansten Todes. 
Seine Geschichte vom Tage seiner Flucht an ist die nämliche, 
wie die vieler französischer und fremder „Thunichtgute“. 
Wer in den letzten zwanzig Jahren zu nichts Anderem mehr 
zu gebrauchen war, der trat in die „Fremdenlegion“ 
ein und kam nach Algerien. Da waren die ungerathenen 
Söhne aus aller Herren Länder bis 1870 zu finden. 
Das Merkwürdige besteht nur darin, daß dieser zuletzt 
reumüthige deutsche Sohn nun seinem heißen langjährigen 
Wunsche gemäß so in der Nähe seines Heimatdorfes be— 
graben liegt, daß man bei stillem Wetter an seinem Hügel 
die Kirchthurmsglocken, bei deren Klang er getauft und 
konfirmirt wurde, läuten hören kann. 
Allerlei. 
Unbilliger Vorschlag. — Herr (u seinem 
Diener): „Johann, ich weiß, daß Du mich jeden Monat 
um so und soviel betrůgst; ich mag das nicht länger lei— 
den und will Dir darum lieber zu Deinem bisherigen Lohn 
monatlich noch zwei Thaler zulegen“ Diener: „Das 
kann ich in der That nicht annehmen, gnädigster Herr, — 
da habe ich mich bis jetzt wirklich besser gestanden.“ 
Heirathsgründe eines Wittwers. — Bür ger— 
meister: „Aber, Hannickel, Ihr werdet doch, weiß Gott, 
nicht eine dritte Frau auch noch nehmen, nachdem Eure zweite 
erst vor einem halven Jahre gestorben ist,?“ — Hannickel: 
„Ja, was kann mer sahn? Läßt unser Herrgotte's Nehmen 
nich, dann laß ich's och nich!“ 
Marktpreise am 28. August 1875. 
zu Saarbrücken. zu St. Johann 
»rxb PVftg. Mark Pig. 
80 3 — 
20 1 25 
5 — 55 
1 Centner Kartoffeln 
1Pfund Butter 
1 Dutzend Eier 
Druder und ——— Gebruder Sof er in Saarbrucken. (Expedition der Saarbrucker Zeitune) 
erantwortlicher Redacteur: A. Ha ßlacher in Saarbrücken
	        
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