Full text: Der Bergmannsfreund (3.1873)

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sagerin gesagt, auch wirklich eintrifft — was jedenfalls 
nach dem Titel und der Anzeige der noch folgenden Kapi— 
tel geschieht — und der Glaube an böse, im Finstern wir⸗ 
kende Geister, kurz der Aberglaube ist da! — 
Wenn doch sich und seinen Geldbeutel Jeder vor solchem 
Geschreibsel hüten wollte! Geht an der Hand eines verständigen 
Führers in eine solide Buchhandlung und kauft Euch ordent— 
liche, gesunde und gute Bücher, oder — noch billiger — geht 
in die bergmännischen Lesezimmer oder Lesevereine und leihet 
Euch dort Bücher zum Lesen;: da werdet Ihr wenigstens 
nicht an Geld und Eurem gesunden Sinn betrogen! 
Das kalte Herz. 
Ein Märchen von Wilhelm Hauff. 
J. 
Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch 
ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen; nicht der 
Bäume wegen, obgleich man nicht überall solch unermeßliche 
Menge herrlich aufgeschossener Tannen findet, sondern wegen der 
Leute, die sich von den andern Menschen rings umher merk— 
würdig unterscheiden. Sie sind größer als gewöhnliche Men— 
schen, breitschultrig, von starken Gliedern, und es ist, als ob 
der ftärkende Dust, der Morgens durch die Tannen strömt, 
ihnen von Jugend auf einen freieren Athem, ein klareres Auge 
und einen festeren, wenn auch rauheren Muth, als den Be— 
wohnern der Stromthäler und Ebenen gegeben hätte. Und 
nicht nur durch Haltung und Wuchs, auch durch ihre Sitten 
und Trachten sondern sie sich von den Leuten, die außerhalb 
des Waldes wohnen, streng ab. Am schönsten kleiden sich 
die Bewohner des badenschen Schwarzwaldes; die Männer 
lassen den Bart wachsen, wie er von Natur dem Mann ums 
Kinn gegeben ist, ihre schwarzen Wämser, ihre ungeheueren, 
enggefalteten Pluderhosen, ihre rothen Strümpfe und die 
spitzen Hüte, von einer weiten Scheibe umgeben, verleihen 
ihnen etwas Fremdartiges, aber etwas Ernstes, Ehrwürdiges. 
Dort beschäftigen sich die Leute gewöhnlich mit Glasmachen; 
* verfertigen sie Uhren und tragen sie in der halben Welt 
umher. 
Auf der andren Seite des Waldes wohnt ein Theil 
desselben Stammes, aber ihre Arbeiten haben ihnen andere 
Sitten und Gewohnheiten gegeben, als den Glasmachern. 
Sie handeln mit ihrem Wald; sie fällen und behaueu ihre 
Tannen, flößen sie durch die Nagold in den Neckar, und 
von dem obern Neckar den Rhein hinab, bis weit hinein 
nach Holland, und am Meer kennt man die Schwarzwälder 
und ihre langen Flöße; sie halten an jeder Stadt, die am 
Strom liegt, an und erwarten stolz, ob man ihnen Balken 
und Bretter abkaufen werde; ihre stärksten und längsten 
Balken aber verhandeln sie um schweres Geld an die Mynheers, 
welche Schiffe daraus bauen. Diese Menschen nun sind an 
ein rauhes, wanderndes Leben gewöhnt. Ihre Freude ist, 
auf ihrem Holz die Ströme hinabzufahren, ihr Leid, am 
Ufer wieder heraufzuwandeln. Darum ist auch ihr Pracht— 
anzug so verschieden von dem der Glasmänner im andern 
Theil des Schwarzwaldes. Sie tragen Wämser von dunk— 
ler Leinwand, einen handbreiten gruünen Hosenträger über 
die weite Brust, Beinkleider von schwarzem Leder, aus deren 
Tasche ein Zollstab von Messing wie ein Ehrenzeichen her— 
vorschaut; ihr Stolz und ihre Freude aber sind ihre Stiefeln, 
die größten wahrscheinlich, welche auf irgend einem Theil der 
Erde Mode sind; denn sie können zwei Spannen weit über das 
Knie hinaufgezogen werden und die Flötzer“ können da— 
mit in drei Schuh tiefem Wasser umherwandeln, ohne sich 
die Füße naß zu machen 
Noch vor kurzer Zeit glaubten die Bewohner dieses 
Waldes an Waldgeister, und erst in neuerer Zeit hat man 
ihnen diesen thörichten Aberglauben benehmen können. Son—⸗ 
derbar ist es aber, daß auch die Waldgeister, die der Sage 
nach im Schwarzwalde hausen, in diese verschiedenen Trachten 
sich getheilt haben. So hat man versichert, daß das Glas— 
männlein, ein gutes Geistchen von vierthalb Fuß Höhe, sich 
nie anders zeige, als in einem spitzen Hütlein mit großem 
Rand, mit Wams und Pluderhöschen und rothen Strüm— 
pfchen. Der Holländer Michel aber, der auf der andern 
Seite des Waldes umgeht, soll ein riesengroßer, breit— 
schultriger Kerl in der Kleidung der Flötzer sein, und 
Mehrere, die ihn gesehen haben wollen, versicheren, daß sie 
die Kälber nicht aus ihrem Beutel bezahlen möchten, der en 
Felle man zu seinen Stiefeln brauchen würde. „So groß, 
daß ein gewöhnlicher Mann bis an den Hals hineinstehen 
könnte,“ sagten sie, und wollten Nichts übertrieben haben. 
Mit diesen Waldgeistern soll einmal ein junger Schwarz⸗ 
wälder eine sonderbare Geschichte gehabt haben, die ich er— 
zählen will. Es lebte nämlich im Schwarzwald eine Wittwe, 
Frau Barbara Munkin; ihr Gatte war Kohlenbrenner ge— 
wesen, und nach seinem Tod hielt sie ihren sechzehnjährigen 
Knaben nach und nach zu demselben Geschäft an. Der 
junge Peter Munk, ein schlanker Bursche, ließ sichs gefallen, 
weil er es bei seinem Vater auch nicht anders gesehen hatte, 
die ganze Woche über am rauchenden Meiler zu sitzen, oder 
schwarz und berußt und den Leuten ein Abscheu, hinab in 
die Städte zu fahren und seine Kohlen zu verkaufen. Aber 
ein Köhler hat viel Zeit zum Nachdenken über sich und An— 
dere, und wenn Peter Munk an seinem Meiler saß, stimm—⸗ 
ten die dunkeln Bäume umher und die tiefe Waldesstille 
sein Herz zu Thränen und unbewußter Sehnsucht. Es be— 
trübte ihn Etwas, es ärgerte ihn Ewas, er wußte nicht 
recht Was. Endlich merkte er sich ab, was ihn ärgerte, 
und das war — sein Stand. „Ein schwarzer, einsamer 
Kohlenbrenner!“ sagte er sich. „Es ist ein elend Leben. 
Wie angesehen sind die Glasmänner, die Uhrmacher, selbst 
die Musikanten am Sonntag Abends! Und wenn Peter 
Munk, rein gewaschen und geputzt, in des Vaters Ehrenwams, 
mit silbernen Knöpfen und mit nagelneuen, rothen Strüm— 
pfen erscheint und wenn dann einer hinter mir hergeht und 
denkt: wer ist wohl der schlanke Bursche? Und lobt bei 
—AV— 
wenn er vorübergeht und schaut sich uwm, sagt er gewiß: 
ach, es ist ja blos der Kohlenmunkpeter.“ 
Auch die Flötzer auf der andern Seite waren ein Ge— 
genstand seines Neides. Wenn diese Waldriesen herüber— 
famen, mit stattlichen Kleidern, und an Knöpfen, Schnallen 
und Ketten einen halben Centner Silber auf dem Leib trugen, 
wenn sie mit ausgespreizten Beinen und vornehmen Gesich— 
tern dem Tanz zuschauten, holländisch fluchten, und wie die 
bornehmsten Mynheers aus ellenlangen, kölnischen Pfeifen 
rauchten, da stellte er sich als das vollendetste Bild eines 
zlücklichen Menschen solch einen Flötzer vor. Und wenn 
diese Glücklichen dann erst in die Taschen fuhren, ganze 
Hände voll großer Thaler herauslangten und um Sechsbätz- 
ner würfelten, fünf Gulden hin, zehn her, so wollten ihm 
die Sinne vergehen, und er schlich trübselig nach seiner Hütte; 
denn an manchem Feiertagabend hatte er einen oder den 
andern dieser „Holzherren, mehr verspielen sehen, als der 
arme Vater Munk in einem Jahr verdiente. Es waren vor—⸗ 
züglich drei dieser Männer, von welchen er nicht wußte, 
welchen er am meisten bewundern sollte. Der Eine war ein 
dicker, großer Mann mit rothem Gesicht, und galt für den 
reichsten Mann in der Runde Man hieß ihn den dicken
	        
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