Full text: Der Bergmannsfreund (3.1873)

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daß die Alten mit Stolz behaupteten, sie begrüben ihre Name des Verfassers oder Machers dieser Geschichten ist oft 
Todten in Gold. — romantisch klingend. Sehr oft, ja stets ist Schwindel und 
Zur Zeit des Tataren-Einfalls im Jahre 1241 wurden aus Betrug damit verbunden. Eine Lockspeise, bestehend in 
Löwenberg 500 Bergleute aufgeboten, so daß damals, da der einer Prämie von Bildern, Kleidern, Broschen, Ohrringen 
fünfte Mann ausgehoben wurde, die ganze anfahrende Knapp- ꝛe. wird in Aussicht gestellt, die aber entweder ganz und 
schaft gegen 2800 Mann betragen haben muß. Mit den gar ausbleibt oder doch meistens unächt und von geringem 
Löwenberger Bergleuten bildeten die Goldberger Knappen Werthe ist. 
in der blutigen Schlacht bei Wahlstatt die erste Augriffslinie. Doch das fällt weniger in die Wagschaale. Sehe 
Muthig griffen sie an, schlugen auch Anfangs die Tataren man einmal in die angepriesenen schriftstellerischen Masch— 
zurück und setzten ihnen nach; da sie aber schlecht bewehrt werke hinein, das ist lehrreich, um die Speise kennen zu ler— 
und nicht mit Blechhauben versehen waren, wurden sie end- nen, womit man unser „Volk“ abspeist — es sind schrecken— 
lich von der Uebermacht umzingelt und bis auf den letzten erregende Geschichten. Scenen entrollen sich vor unsern 
Mann durch den Pfeilhagel der Tataren niedergestreckt. Augen, die an schrecklicher Großartigkeit alles Denkbare über— 
Wie bei Löwenberg, wurden auch die Gruben bei Gold- treffen. Mord, Todtschlag und Zauber spielen fast die ein— 
berg von den Tataren verheert, so daß der Bergbau ganz zigen Rollen, die Handlungen sind so zu sagen mit der 
zum Erliegen kam. Die noch übrigen Bergleute schleppten Holzaxt zugehauen und beruhen meistens nur auf Zufall 
die Tataren als Gefangene weg; wahrscheinlich ist von An eine vernunftgemäße Aneinanderreihung der Thatsachen, 
ihnen daun der Goldbergbau im Heimathlande der Tataren an eine dem wirklichen Leben entsprechende Aufstellung der 
am Altai- und Uralgebirge und weiter in Sibirien betrie- Personen und Charactere ist nicht zu denken. 
ben worden, wenigstens fand einige Jahre später ein rei— Und solche Geschichten liest ein großer Theil des eigent⸗ 
sender Mönch noch eine große Zahl deutscher Bergleute als lichen Volkes mit einer wahren Lesewuth unter den häufigen 
Sklaven in den Bergwerken am Ural arbeiten. — Wenn Ausbrüchen: „Wie schön! wie spannend!“ — Was hilft 
auch in den folgenden Jahrhunderten der Bergbau bei Gold. da das Arbeiten der Lehrer in der Schule? Was hilft es 
berg wieder in Aufnahme kam, so hat er sich nie wieder da, wenn der Lehrer seine Kinder dahin zu bringen sucht, 
zu seiner alten Blüthe emporschwingen können, namentlich daß sie sich einen freien, unbefangenen Blick aneignen, daß 
konnte es nicht gelingen, die Wasser wieder vollständig zu sie sich nicht leiten lassen von den Irrmeinungen und von 
wältigen; gegenwärtig ist der Bergbau daselbst längst gänz-⸗ dem noch hier und da so fest im Volke sitzenden Aberglau⸗ 
lich erloschen. ben? Hier zerstört ein Roman in einer Stunde mit grau— 
Der gleichfalls auf Gold betriebene Bergbau bei Reichen- ser Hand die so mühevoll erzielte gute Frucht der Volks— 
stein verdankt sein Entstehen wahrscheinlich dem zu Ende schule. Wie sollen da noch gute Bücher Nutzen stiften kön— 
des 11. Jahrhunderts gestifteten Feldkloster zu Camenz, des; nen? Der Geschmack und die Empfindung des Volkes wird 
sen Mönche sich mit der Urbarmachung des wüsten Landes durch solches fades Zeng derart verdorben und vergiftet, daß 
befaßten. Dorthin gekommene Bergleute hatten nach Gold es nur mehr mit Achselzucken gute Bücher betrachtet und 
gesucht, sehr bald auch solches gefunden, und so entstand sie als langweilig bei Seite schiebt. 
der Anfang des Bergwerks und der Bergstadt Reichenstein, Dieser Tage wieder trieben sich in den bergmännischen 
welche letztere schon 1344 als die Stadt der Goldgruben Ortschaften der Umgebung Saarbrückens in ganz besonders 
bezeichnet wird und 1491 alle Rechte einer freien Bergstadt auffallender Weise Leute herum, Abonnenten für „die Wahr— 
erhieli. Unter dem häufigen Wechsel der Landesherrn von sagerin“ suchend. Der Schreiber dieser Zeilen las zwei Liefer— 
Reichenstein und unter der unregelmäßigen Wirthschaft der ungen der „Wahrsagerin“ und muß gestehen, damit vollstän— 
Gruben-Gewerkschaften war der mehrere Jahrzehnte sehr dig genug bekommen zu haben. Auf Seite 48 heißt es do 
bedeutende Bergbau, welcher jährlich gegen 500 ungarische 3. B.: 
Gulden an Zehnten eintrug und mehr als 100 Gruben und „Mit diesem Gedanken“ — nämlich mit dem Gedanken 
20 Schmelzhütten umfaßte, immer mehr herabgekommen. daß es eigentlich keinen Schaden bringen könnte, sich einma 
Gleichwohl blieben Gruben und Hütten fast ununterbrochen wahrsagen zu lassen — „gehen Tausende zu Kartenlegerin 
in Betrieb. Die Ausbeute an Gold und Silber dauerte nen, und dem Aberglauben ist die Brücke gebahnt.“ 
noch bis zu Anfang des 18. Jahrhuuderts. Seit dieser Bliebe der Mann nun bei der Durchführung dieses 
Zeit wurden nur mehr Arsenikerze gewonnen und aus die- Gedankens, suchte er diese Handlungen wirklich als Aber— 
sen auf den Hütten der giftige Arsenik dargestellt. Noch glauben und Folgen des Aberglaubens darzustellen, dann 
gegenwärtig ist der Bergbau bei Reichenstein in Betrieb, wäre sein Buch dem gesunden Sinne angemessen und nutzen— 
indessen nur von sehr geringer Bedeutung. bringend. Aber, weit entfernt, grade das Gegentheil führt 
er aus. Da schildert er die Gefühle einer Dame, die zur 
Frau Holle, dem Hause der Wahrsagerin, geht, in einer 
Art, daß es Einem unheimlich zu Muthe wird. Die Kar— 
ten werden gelegt und die Dame, früher unbefangen und 
über diesen Ünsinn hinaus, bricht in die Worte aus: „Sie 
müssen mir mehr sagen, Sie wisssen von meinem Gelieb— 
ten. Wo ist er?“ Doch die Wahrsagerin läßt sich nicht da— 
zu bewegen. „Der Geist läßt sich nicht erzwingen, er sagt, 
was die Karten reden, nicht mehr, nicht weniger.“ Die Frau 
Holle redet somit aus „Inspiration.“ 
Jeder Unbefangene wird und muß mit Entrüstung 
sagen: es ist schrecklicher Unsinn. Werden das alle Leute 
chun? Leider nein! Aber eben darum sollte man diese Leute 
vor solchen Büchern bewahren. Es bedarf nur noch der Durch— 
führung in der Folge des Romans. daß das. was die Wahr—
	        
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