Full text: Der Bergmannsfreund (3.1873)

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von ihnen die knappschaftlichen Kleinkinderschulen besuchen 
oder in den Waisenhäusern selbst beschäftigt werden. 
Von den 14 Industrieschulen des Vereins mußten im 
Laufe des Jahres 1872 wegen zu geringer Theilnahme 2 
geschlossen werden. In den übrigen 12 wurden zusammen 
282 Bergmannstöchter in den weiblichen Handarbeiten unter— 
richtet. Die angefertigten Arbeiten bestanden vorzugsweise 
in Näharbeit für den häuslichen Bedarf, Kleidungsstücken 
für die Lazarethe und Wäsche für die Schlafhäuser der 
Gruben. 
Die 11 knappschaftlichen Kleinkinderschulen wurden im 
Ganzen von nahezu 1300 Bergmannskindern besucht, und 
waren an denselben 11 Hauptlehrerinnen und 5 Hülfsleh— 
rerinnen thätig. 
Ursprung und Entwicklung des Bergbaues. 
XXV. 
Neben dem besprochenen Bergbau in der eigentlichen 
Grafschaft Mansfeld innerhalb der alten kaiserlichen Berg— 
grenze wurde auch seit langer Zeit in dem benachbarten Ge— 
biete außerhalb der Berggrenze auf dem Kupferschieferflötze 
lebhafter Bergbau geführt. Namentlich waren im Saal⸗— 
kreise seit dem 15. Jahrhunderte Gruben und Schmelzhüt— 
ten im Betrieb. Eine große Blüthe erlangten dieselben 
nach Aufnahme des Gollwitzer Reviers durch die Rothen— 
burger Gewerkschaft. Letztere hatte sich 1691 gebildet, 
nachdem inzwischen der Saalkreis an Kurbrandenburg, also 
unter preußische Herrschaft, gekommen war. Im Zeitraum 
von 1710 - 1740 stieg die jährliche Kupfererzeugung der 
Rothenburger Gewerkschaft auf 53000 -6000 Etn. 
Ungünstige Verhältnisse und schlechte Wirthschaft brach— 
ten diesen Bergbau indessen bald wieder arg zurück, so daß 
endlich der König Friedrich II. der Große 1668 ihn mit 
allen Schulden übernahm und auf Rechnung, des preußischen 
Staates fortsetzte. Der bedeutendste Betrieb wurde seitdem 
in dem Burgörner Revier oder der sogenannten, Preußischen 
Hoheit“ geführt; der Bau ging hier größtentheis unter der 
Stollensohle um und hatte mit bedeutenden Wassern zu 
kämpfen, deren Hebungskosten nach und nach auch den Be— 
trieb immer weniger lohnend machten. In weitern Kreisen 
bekannt geworden ist die „Preußische Hoheit“ durch die erste 
aus England herübergeholte und aufgestellte Wasserhebungs— 
Dampfmaschine. Es war eine Watt'sche sogenannte Feuer— 
maschine; dieselbe kam mit 2 Pumpensätzen im Jahre 1791 
in Thätigkeit, wältigte zwar die auf 64 Kubikfuß per Mi— 
nute angewachsenen Grundwasser, mußte aber schon 1794 
durch eine stärkere Maschine von aleicher Konstruktion er— 
setzt werden. 
Unter der Herrschaft des Königreichs Westphalen ging 
der ganze Rothenburger Bergbau und Hüttenbetrieb durch 
Kauf vom Staate an die Mannsfelder Gewerkschaften über. 
Der Betrieb des Burgörner Reviers wurde indessen nur 
bis 1815 als Tiefbau fortgesetzt, dann ganz eingestellt und 
die Dampfmaschine abgeworfen. 
Endlich ist auch noch des Sangerhäuser Berg— 
baus zu gedenken. Bei der Stadt Sangerhausen soll schon 
1521 durch die Herzoge von Sachsen ein Bergwerk ange— 
legt und bis zum 30jährigen Kriege betrieben worden, dann 
aber gänzlich zum Erliegen gekommen sein. Erst von 16785 
ab wurde ber Bergbau daselbst wieder aufgenommen und 
theils von den Herzogen, theils von der Sangerhäuser Ge— 
werkschaft und Privaten betrieben, bis derselbe 1832 schließ— 
lich ebenfalls in den alleinigen Besitz der Mannsfelder Ge— 
werkschaften gelangte. Die verschiedenen Reviere sind durck 
den 6400 Lachter langen Gonna⸗-Stollen und durch den 
unterhalb Sangerhausen angesetzten, 22 Lachter mehr Teufe 
einbringenden und etwa 1000 Lachter längeren Segen-Gottes— 
Stollen aufgeschlossen. 
Nachdem seit 1852, wie bereits bemerkt, die Mansfel— 
der Gewerkschaften sich vereinigt haben, gehört der ganze 
Kupferschieferbergbau dieser einzigen Gewerkschaft an. Von 
welchem Umfange derselbe ist, mag daraus hervorgehen, 
daß gegenwärtig auf den Gruben über 5400 Bergleute und 
auf den Schmelzhütten 1100 Hüttenarbeiter beschäftigt sind. 
Es werden jährlich 392 Millionen Centner schmelzwürdige 
Schiefer gewonnen, von denen durchschnittlich 1 Fuder (60 
Centner) an Kupfer 140 - 150 Pfund und an Silber etwa 
8 — *4 Pfund enthält. — Die Gewinnungsarbeiten gehen 
meist noch über den tiefen Stollensohlen um, doch sind auch 
Tiefbaue in Angriff genommen. Die Abbauart besteht in 
Strebbau, der meist diagonal betrieben und bei welchem 
dwin gegen 120,000 Quadratlachter Flötzfläche verhauen 
wird. 
Bekaunt ist der Mansfelder Bergbau wegen seiner 
für den Bergmann ungemein mühsamen und beschwerlichen 
Bewinnungsarbeit. In dem nur 16—20 Zoll mächtigen 
Flötze haben die Strebräume nur 2 Fuß Höhe. Auf der 
Seite liegend, mit sogenannten Krummhölzern versehen, muß 
der Häuer schrämen, bohren und keilen; auf allen Vieren 
kriechend, der Schlepper den erzbeladenen Karren oder 
Hund fortbewegen. Aber gerade diese mühevolle Arbeit 
hat einen wackern, tüchtigen Bergmannsstand herangebildet. 
Der Mansfelder Bergmann ist von ächtem Schrot und Korn, 
er liebt seinen schweren Beruf und folgt ihm mit Freudig— 
keit. Bergmännische Tracht und altehrwürdige Bergmanns— 
gebräuche sind bei ihm zu Hause, aber ebenso bewahrt er 
auch die bergmännische Kameradschaftlichkeit und die berg— 
männische Treue. 
Rach einer annähernden Berechnung hat der Mausfeld'— 
sche Bergbau seit seiner Entstehung bis zur Gegenwart 
bereits die ungeheure Menge von etwa 7 Millionen Etn. 
Kupfer und 3110 Millionen Pfund Silber in einem Ge— 
sammtwerthe von rund 280 Millionen Thaler geliefert. In 
den letztenFahren wurden durchschnittlich jährlich gegen 80,000 
Ctn. Kupfer und 36,000 Pfund Silber aus den geförderten 
Kupferschiefern ausgebracht. 
Zwei Unglücksfälle in Folge Entzündung schlagender Wet⸗ 
ter durch einen Schuß. J. 
In der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober v. J. 
arbeitete der Bergmann Friedrich Christian Podehl, 29 Jahre 
alt, aus Groß-Weselowen in Ostpreußen, allein in der Grund⸗ 
strecke der 22 Meter-Sohle des 1,260 m. mächtigen, mil 
30 Grad geneigten Flötzes Hugo der Steinkohlenzeche Erin 
bei Castrop (Kreis Bochum) in Westphalen. Ihm war das 
Nachreißen des Liegenden in dieser Grundstrecke verdungen. 
Nach 8 8. der von dem Königl. Oberbergamte zu Dort— 
mund unterm 29. Januar 1872 für die Zeche Erin er—⸗ 
lassenen Polizeiverordnung ist die Schießarbeit unbedingt 
verboten, so lange vor einem Arbeitspunkte schlagende Wet— 
ter sich vorfinden. 
Da nun vor der erwähnten Grundstrecke zuweilen schla— 
gende Wetter vorkommen, so war mit Rücksicht darauf, daß 
zeitweise nicht geschossen werden durfte, das Gedinge für 
Nachreißen der Straße von 5 Thlr. auf 7 Thlr. pro Lach— 
ter erhöht worden. 
Als Podehl am 24. October um 8 Uhr Abends ein—
	        
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