39
einen lebhaften Handel gehoben wurde, so daß Freiberg
bald zu den reichsten Städten gezählt werden konnte. In
der ersten Zeit verursachte der Mangel einer Münze, daß
den Gewerken als Ertrag und Ausbeute der Gruben die
Silberkuchen in Natur vertheilt werden mußten. Ganze
Wagenladungen solcher Silberkuchen wurden von einzelnen
Bürgern nach den Städten Frankfurt, Nürnberg und
Venedig zum Verkauf geführt und großer Gewinn dabei
erzielt, waͤhrend die Aermern ihr Silber mit Verlust hin—
geben mußten, um nur gemünztes Geld dafür zu erlangen
Schon früher hatte sich zu Freiberg ein eigenes Berg—
gewohnheitsrecht gebildet, das nebst andern Freiheiten der
Bergleute und dem Feiberger Bergschöppenstuhl im Jahre
1255 vom Markgrafen bestätigt wurde. Das Freiberger
Bergrecht galt bald in einem großen Theile Deutschlands
als Grundlage des Rechtes beim Bergbau, wie denn auch
der Freiberger Bergschöppenstuhl als Berggericht die größte
Berühmtheit erlangte. — Von Freiberg aus verbreitete sich
der Bergbau weiter im Lande, Freiberg kann als die Muttei
der meisten andern Bergwerke Sachsens angesehen werden;
von ihm aus zogen die schürfenden Bergleute in die Ge—
birge und entdeckten immer mehr reiche Erzgänge. — Schon
1260 bestand in Freiberg eine besondere Schule, die später
zur Gelehrtenschule gemacht wurde und großen Ruf erlangte.
1271 wurde eine Münzstätte errichtet, zu welcher Papff
Nikolaus III. die Erlaubniß bestätigte.
Unter den Bergleuten von Freiberg bestand eine ur—
alte Brüderschaft, die sogenannte Häuerzeche oder Berg—
brüderzeche, später die Bergknappschaft benannt. Jährlich
am Frohnleichnamstage versammelte sich die Brüderschafi
zur gemeinsamen Frühsuppe, Morgensprache und Prozession
unter eigener Fahne. Nur Mänuer reinen und untadel—-
haften Rufes wurden zugelassen und unter der Fahne ge—
litten. Wer an der Ehre bescholten war, den hießen Berg—
meister und Aelteste von der Suppe aufstehen und die
Brüderschaft verlassen. In der Domkirche zu Freiberg
hatten die Häuer einen besondern Altar, den Häueraltar,
errichtet, zu welchem Bergmeister und Zechenmeister zwei
Caplane bestellten und unterhielten.
Rühmlichst bewiesen wiederholt Bürger und Bergleute
von Freiberg ihre Treue gegen die angestammten Fürsten,
wovon auch die Stadt den ehrenden Beinamen „die Treue“
erhielt. Zu verschiedenen Zeiten vertheidigten sie die Stadt
zu Gunsten der Markgrafen, denen man ihr Erbland streitig
machen wollte. Selbst als die Stadt nach 1297 von feind
lichen Herren mehrere Jahre lang besetzt war und der Mark—
graf nach vielen Unglücksfällen hülflos im Lande umherirrte,
waren sie diesem so treu ergeben, daß sie ihm das auf den
Freiberger Hütten geschmolzene Silber in reichem Maaße
heimlich zukommen ließen und ihm so die Mittel gaben,
Kriegsvölker anzuwerben und das Land mit dem Schwerte
wieder zu erobern. Auch noch in spätern Zeiten griffen
die Freiberger Bergleute mehrmals zu den Waffen, um Land
und Fürst gegen feindliche Einfälle zu beschühen.
Uebrigens veranlaßten derartige Kriegsereignisse zeit—
weise einen unruhigen Geist unter den Bergleuten, so daß
sich beispielsweise in Jahre 1332 der Rath von Freiberg
genöthigt sah, den Bergleuten die Führung bon Wuͤrfkugeln
und anderen mörderischen Waffen, ebenso das Tragen von
Grubenbeilen an Feiertagen gänzlich zu untersagen.
181 Erzaͤhlungen
von Wilhelm Fischer.
II. Vergiftet.
Die Apotheker werden „Neunundneunziger“ genannt —
warum aber? das weiß der Zehnte, ja sagen wir dreist,
der Neunundneunzigste nicht. Einige meinen, weil sie an
all' ihren Salben, Pulvern und Tränklein 99 Procent Nutzen
hätten, aber wenn das so ein ächter Pillendreher hört, so
jchmunzelt er selbstvyergnügt und denkt: das reicht noch lange
nicht! Nein, die Ursache liegt tiefer und beruht auf einem
Geheimnisse der Zahl, welches einer unverbürgten Tradition
zufolge schon der alte Pythagoras entdeckt haben soll, und
zwar am selben Tage mit seinem berühmten Lehrsatze.
Bezeichnet man nämlich sämmtliche Buchstaben des
Alphabets, j extra gerechnet — denn ein ächter Neun—
undneunziger verschmaͤht auch den kleinsten Vortheil nicht —
der Reihe nach mit fortlaufenden Nummern, und addirt
dann die Nummern der Buchstaben, aus denen das Wort
Apotheker besteht, so kommt merkwürdiger Weise genau
die Zahl 99 heraus. Doch ich will's dem geehrten Leser
lieber vormachen. Also:
La, 2b, 83c, 4d, 5e, 65, 78g, 8h, 9i, 101, 11k,
121, 18m, 14n, 1530, 16p, 174, üsr, 195 20 213.
22 v, 233 w, 24x, 25 y, 26 2.
Nun ist 4
4
16
15
20
8
Summa Apotleser — 99 Es stimmt.
Nachdem wir nunmehr den Namen mit deutscher Gründ—
lichkeit festgestelll haben, gehen wir zu den Eigenschaften über.
Die Apotheker sind meist sonderbare Leute; sie haben oft,
wie man zu sagen pflegt, einen Sparren zu viel. Dies
schreibt man der Ausdünstung der verschiedenen Medicamente
p die sie fortwährend einalhmen müssen. Das steigt zu
opf.
Ferner: die Apotheker essen und trinken gerne gut.
Das wird man nun freilich kaum als unterscheidendes Merk—
mal gelten lassen, sintemalen sie diese Neigung mit vielen
andern Ehreumännern gemein haben. Sagt ja doch auch
der Bonner Philister: „Ich esse gut und ich trinke gut;
dahingegen will ich auch meine gehörige Nachtruhe haben.“
Aber wenige Hausväter haben mir doch je zarieren Schinken
und saftigeren Braten, feineren Thee und reineren Wein
vorgesetzt, als meine guten Freunde, die alten Neunundneun—
ziger L, H. und R. — ich grüße sie herzlich, wenn diese
Zeilen ihnen zu Gesicht kommen.
Die Ursache dieser vortrefflichen Wirthschaft der Apo—
theker liegt auf der Hand: „Theuer, aber gut!“ muß ihr
Wahlspruch im Geschäft sein; sie übertragen ihn auf Küch'
und Keller, und Dank der Kränklichkeit unsers Geschlechts,
der noch immer siegreichen Allopathie und der Arzneitaxe
bin ihnen in der Regel auch das nöthige kleine Geld dazu
nicht.
Drittens endlich: sie verschlucken höchst ungern Etwas
von ihrem eigenen Kram. Von einem gelegentlichen Brause⸗
pulver, einem eigenhändig riien Liqueurchen abgesehen,
hab' ich dergleichen nie bemerkt Asa fotida rühren sie