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Verminderung kaum erfahren hat, so verdankt der Verein
dies erfreuliche Resultat in der Hauptsache den weiteren frei—
willigen Zuwendungen des Staates als Werkseigenthümers
und den Ergebnissen der Vermögenswirthschaft.*)
181 Rath und That.
Erzählung von Wilhelm Fischer.
„Feuer! Feuer!“ Zum Glück nicht in finsterer Nacht,
sondern in der Frühe eines lieblichen Sommermorgens hallten
diese schrecklichen Worte durch die Straßen der kleinen
Landstadt und brachten schnell ihre gewohnte Wirkung hervor:
von den Thürmen scholl, zuweilen eine Minute lang unterbro—
chen, das eintönige, ängstliche Sturmgeläute, die Hausthüren
flogen auf und die Leute stürzten auf die Straße hinaus, die
Alten und Langschläfer guckten wenigstens aus dem Fenster,
die Spritzen rasselten über das Pflaster — sie waren
erst vor einer Woche probirt, aber leider noch nicht reparirt
worden — und ein eilfertiger Bürger, der vielleicht Schuld
am Verzuge war, sprengte jetzt, um Versäumtes gut zu
machen, hoch zu Roß zum nächsten Dorfe hinaus, dessen
Löschgeräthschaften sich hoffentlich in besserem Zustande be—
fanden, und immer mehr Menschen, klein und groß, eilten
von Rettungseifer und Neugierde gleichmäßig beseelt, von
allen Seiten der Stätte des Brandes zu.
Nicht alle. Der dicke Löwenwirth, im süßen Morgen—
schlummer gestört, entwickelte niemals, und auch in diesem
Momente nicht, besondere Hast, kaum daß er sich im Bett
aufrichtete und nach der Siubenthür blickte, durch die so—
eben behutsam, wenn auch rasch, seine Frau eintrat, die sich
wie gewöhnlich vor ihm erhoben hatte und schon eine Weile
in der Haushaltung thätig gewesen war. Ein tüchtiges
Weib und beinahe so klug wie er, blickte sie mit einer wah—
ren Verehrung zu ihrem stattlichen, leiblich und geistig star—
ken Eheherrn empor und verstand ihn ohne viele Worte.
„Wo brennt's?“ fragte er. „In Gockels Scheune“, war
die Antwort. „Wind draußen?“ „Kein Lüftchen!“ „Also
windstill, heller Tag, weit von hier, Leute genug — doch
laß die Knechte gehen, auch den Pferdejungen, schließ den
Hof ab — ich bleib' liegen.“
Damit drehte er sich auf die andere Seite, und sie
ging geräuschlos weg. Aber ein plötzlicher Gedanke triel
ihn doch für einen Äugenblick aus dem Bette. Das Schlaf—⸗
zimmer lag nach der Straße zu; „es brauchen's nicht ge—
rade alle Leute zu merken!“ brummte er, und öffnete die
Fensterladen. In dem nämlichen Augenblicke that der lange
Geometer, der ihm gegenüber wohnte, dasselbe, und er—
röthete, als er sich daruͤber betroffen fand. Der Löwen—
wirth verzog keine Miene, sondern rief gravitätisch: „Guten
Morgen, Herr Nachbar!“ und zog sich dann wieder in sein
vortreffliches Bett zurück.
Nun muß Niemand glauben, ich wollte die beiden be—
sonders loben oder als Musterbilder hinstellen. Fast die
einzige schöne Seite bei einem dem Allgemeinen drohenden
Unglück ist ja die allseitige Theilnahme an der Bekämpfung
und Abwehr desselben. Wenn bei einer Feuersbrunst Reich
und Arm in der Reihe der Eimerlanger steht, wenn bei
einer Wassernoth Juug und Alt um die Wette Steine
und Erde zum bedrohten Damme schleppt, dann wird man
so recht inne, daß wir schwachen Menschen im Kampfe
gegen die gewaltigen Elemente solidarisch sein müssen, um
irgend welche Hoffnung auf Erfolg zu bhaben. und daß auch
..Die Resultate der Vermögenswirthschaft selbit folgen zum Schluß
dieses Rückblicks in der nächsten Nunms!
vielleicht ein fröhlicher Aufblick zu „Ihm“ nicht schaden
kann, der zu den stolzen Wogen spricht: Bis hierher und
weiter nicht! Der die Winde zu seinen Boten und zu seinen
Dienern die Feuerflammen macht. Wenn bei einer solchen
Gelegenheit sich hier ein armer Mann durch seine Leibes—
stärke, dort ein Springinsfeld durch seinen Muth, und end—
lich ein Ungelehrter durch seine Besonnenheit und Weisheit
auszeichnet, so erkennen wir wieder einmal deutlich, daß
es im Grunde weniger darauf ankommt, was wir haben,
als was wir sind, daß weder Geld noch Gut, noch feines
Benehmen, ja selbst Gelehrsamkeit den rechten Kerl macht,
sondern vielmehr das, was innerhalb seiner vier fleischer—
nen Wände steckt, die scharfen Augen, die starken, ge—
wandten Glieder, die du siehst, und das tapfere Herz, der
klare Verstand, die du nicht siehst, und doch bewundernd
anerkennst. Solche Bewunderung aber thut dem Armen
und Verachteten, solche Erkenntniß dem Reichen und Ueber—
müthigen wohl, und schon deshalb hätte es dem Löwen—
wirth nichts geschadet, beim Brande zu sein.
„Er wird auch ohne mich gelöscht!“ dachte er sowohl, wie
der Geometer. Und so geschah's denn auch. Indeß, wenn
Jeder so gedacht hätte, so wär' das Städtlein ein Raub
der Flammen geworden.
Nach gethaner Arbeit galt es nun freilich, noch einen
andern Brand zu löschen, nämlich den, der durch die eil—
fertige Anstrengung in der warmen Morgensonne und beim
flammenden Holzwerk und qualmenden Heu in den Kehlen
eutstanden war, und dazu hot das tiefe und kühle Schenk—
zimmer des Löwenwirths die passendste Gelegenheit. Er
war natürlich nun auch längst in der Wehr, hatte seinen
zuten Kaffee in Ruhe geschlürft, seine beiden Milchbrödchen
genossen, und dirigirte, eine weiße Schürze vor die mäch—
tige Brust gebunden, auf einer Erhöhung in der Glas—
nische sitzend von wo aus er Flur und Zimmer zugleich
iberschauen konnte, die Bewegungen der Mädchen und Brau—
burschen, die das Verlangen der vielen Gäste kaum zeitig
befriedigen konnten. Immer mehr müde, trink- und sprech⸗
lustige Menschen drängten sich herein, Herren vom Stadkt—
Rathe und junge Arbeiter in Hemdärmeln; das Ereigniß
hatte für eine kurze Weile die Standesunterschiede verwischt,
mmer lauter schwollen die Wogen der Unterhaltung an.
Der Klügste hatte schon gestern Abend einen verdächtigen
Geruch gewittert, und glaubte er an eine Selbstentzündung
des gährenden, vielleicht zu naß eingebrachten Heus; ein
Anderer wollte wissen, man habe eine Pfeife, ein Dritter,
man habe Zündhölzchen in der Scheune gefunden; ein Arg—
wöhnischer zog die Schultern in die Höhe und gab durch
kurze Worte und seltsame Grimassen nicht undeutlich zu
verstehen, es wäre nicht mit rechten Dingen zugegangen,
doch wurde er bald überstimmt, denn das Gebäͤude war
nur niedrig und der Inhalt gar nicht versichert.
Auch der lange Geometer hatte es gewagt, sich nach
einem raschen Blick auf die Brandstätte zum Frühschoppen
zu begeben, und da ihn Niemand beim Löschen bemerkl
hatte und er jetzt seiner fragelustigen Zunge nicht zu ge—
bieten vermochte, so kam es bald heraus, daß er sich gar
nicht bei der Arbeit betheiligt hatte. Kein Mensch haͤtte
sich noch erkühnt, den hochachtbaren Löwenwirth deßhalb
zur Rechenschaft zu ziehen. Mit dem leichtfüßigen Geo—
meter, dem allzeit lustigen Gesellschafter, war's eiwas An—
ders, und Alle fielen jetzt, ihre eigenen Leistungen mit prah—
lerischer Demuth aufzaͤhlend, einmüthig über den Unbeson—
nenen her.
„Laßt mich in Ruh!“ rief er endlich mit komischer
Verzweiflung, ‚ich gestehe es ia aher wenn ihr hbübsch niss—