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Diese mannigfachen Aufgaben sehen wir hier schon in
der ersten freien Vereinigung der Bergleute der Saarbrücker
Gruben vorbereitet, und finden sie in das erste bergamtliche
Reglement von 1817 nicht allein vollständig aufgenommen,
sondern auch nach anderen Richtungen hin fortentwickelt.
Die Industrieschulen zur Unterweisung der Bergmanns—
töchter in weiblichen Handarbeiten und Heranbildung zu
tüchtigen Hausfrauen, die Sonntagsschulen zur, Fortbildung
der jungen Bergleute, endlich die Gewährung freien Schul—
unterrichts für die Kinder ständiger Genossen sind ebenso
alt, wie die preußische Herrschaft im Saarbrücker Lande.
Das Gesetz schreibt die Art der Leistungen vor. Die
Höhe, das Maaß dieser, abhängig von lokalen Verhältnissen und
den angenommenen Beitraägen, bleibt der Vereinbarung und
Festsetzung im Statut vorbehalten.
Betrachten wir jetzt, welchen Umfang die vorgedachten
Leistungen der Reihe nach in dem Zeitraume der letzten
8 Jahre erreicht, ob und welchen Fortschritt sie gemacht
haben.
Die Gesundheitspflege erstreckt sich auf die Leistungen
1 und 2, sie umfaßt die ärztliche Behandlung der, erkrankten
Vereinsgenossen, einschließlich der Medizinkosten, die Ge—
währung einer Geld-Unterstützung für die Dauer der Er—
kraukung, Beschaffung von Krankentransportmitteln, Bruch
bändern und Bandagen.
Später treten die Lazarethverpflegungs- und Unter
haltungskosten hinzu.
Die ärztliche Behandlung der Vereinsgenossen erfolgt
zunächst durch die vom Verein für einen bestimmten Bezirk
— Kursprengel — angestellten und besoldeten Aerzte.
Es waren angenommen
1850 für 5000 Vereinsgenossen — 5 Aerzte,
1860, 12 100 — 10,
1870, 180009) — 15
Eine Lazareth-Behandlung erkrankter Vereinsgenossen
scheint in den ersten Dezennien des Bestehens des Vereins
nicht stattgefunden zu haben, und wohl erst in den vierziger
Jahren ist ein Abkommen mit der städtischen Hospital-Ver—
waltung zu Saarbrücken getroffen, welches die Aufnahme
beschädigter Arbeiter aus dem ganzeu Bezirke, der sich da—
mals schon von Saarlouis bis Neunkirchen erstreckte, gegen
einen vereinbarten Pflegesatz gestattete.
In dem Jahre 1850 wurde von dem Vereine das am
östlichen Ausgange des Ortes Neunkirchen gelegene Schlaf⸗
haus erworben und als Lazareth eingerichtet, und etwa um
dieselbe Zeit in St. Johann ein Lokal zur Benutzung als
Lazareth gemiethet.
In dem Zeitraume der Jahre 1889-62 gelangte der
Bau eines Lazareths in Sulzbach, sowie in den Jahren
18652 68 der des Lazareths in Völklingen zur Ausführung
Damit war für jedes der 3 Hauptreviere je im Mittel⸗
punkte derselben eine von der Grube leicht zugaͤngliche Heil—
anstalt geschaffen.
Besondere Geräthe für den Transport erkrankter, na—
mentlich in der Grubenarbeit beschädigter Genossen sind,
wenn man von dem ursprünglichen Tragekorbe absieht, erst
in der neuesten Zeit eingeführt. Die in dem Schleswig-Hol—⸗
stein'schen Kriege zuerst benutzten, eigens construirten Kranken⸗
wagen und Gefechtsbahren sind als Muster genommen, und
seit 1805 jede Grube mit einem oder mehreren derartigen
Wagen und Karren vom Vereine ausgestattet.
Für die Beurtheilung des Krankengeldes sind die Höhe
*) Im Anfang des Jahres 1870 — 18.331 und am Schluß 14,828
Arbeiter.
und die Dauer der Bewilligung desselben maaßgebend.
Hinsichtlich beider enthalten die früheren bergamtlichen Reg—
hͤments und auch noch das vom Knappschafts-Vorstande
bearbeitete Statut vom 29. Januar 1857 sehr verwickelte
Bestimmungen, die erst in den späteren Statuten von 1863
und 1867 eine sachgemäße Vereinfachung erfahren haben.
Allen gemeinsam und noch heute in Kraft ist die Be—
stimmung, daß, während sämmtliche Vereinsgenossen (Beamte
wie Arbeiter) auf freie Kur und Arznei Anspruch haben,
Krankengeld nur den Arbeitern vom Vereine gewährt wird.
Die dem letzteren gesetzlich auferlegte Verpflichtung
zur Zahlung von Krankengelder an alle seine Mitglieder
wird hinsichtlich der Grubenbeamten hier vom Werkseigenthümer
in der Weise übernommen, daß er sie bei Erkrankungen im
Genusse des vollen Gehalts beläßt.
Nach den vor Uebergang der Verwaltung auf den
Knappschafts-Vorstand maaßgebenden Reglements von 1839
und 1853 sollte den ständigen Vereinsgenossen in Er—
krankungsfällen eine Unterstützung gewährt werden, wie folgt:
1) für die ersten 8 Wochen der Kraukheitsdauer oder auf
48 Schichlen die Hälfte des normalmäßigen 8stündigen
Schichtlohns der betreffenden Arbeiterklasse;
daueri die Krankheit über 8 Wochen, so wird dem
kranken ständigen Arbeiter eine fixe wöchentliche Unter—
stützung und zwar MN eoßꝛ
a. wenũ er verheirathet istund Kinder hat, von 1 6
b. n n u ue keine n iunn 1 —
c. unverheirathet ist... — 24
verabreicht.
Unständigen Genossen wird die Unterstützung ad 1 auf
1Wochen, d. i. 24 Schichten, gezahlt und ausnahmsweise
nach Ablauf dieser Frist die ad 2 auf unbestimmte, in jedem
Inanen Falle von dem Bergamte festzusetzende Zeit ge—
währt.
Dabei erstreckte sich der Genuß freier Kur und Arznei
auf die Dauer der Krankengeldsbewilligung.
Das bei dem Uebergang der Verwaltung auf den
Knappschafts-Vorstand unter dem 8. Januar 1887 erlassene
Statut folgt bezüglich der Krankengeldsbewilligung zunächst
genau den Grundsätzen des früheren Reglements, mit der
Abweichung, daß auf die ersten 8 Wochen für die Unter—
stützung statt bisher “2 nur 28 des Schichtlohnes pro 8
Stunden angesetzt, die nach Ablauf derselben zu gewährende
fixe Wochen-Unterstützung aber in jeder der vorgenannten
3 Abtheilungen um je 6 Sgr. pro Woche erhöht wird.
Ein indeß schon im Jahre 1860 vollzogener Nachtrag
zum Statut beseitigt die bisherige fixe Wochen-Unterstützung
hanz und gesteht den Arbeitern allgemein für jeden Krank—
heitsctag auf die Dauer von 8, ausnahmsweise bis zu 6
Monaten, 28 des Normal-Schichtlohnes pro Tag zu.
In gleicher Weise wird von da ab den im Lazareth
frei verpflegten Vereinsgenossen, weunn sie verheirathet sind,
das ganze Krankengeld, wenn unverheirathet, das halbe reg—
lementsmäßig zugestanden.
Bei der Mannigfaltigkeit der Schichtlohnssätze hatte
oorgedachte Art der Krankengeldsverrechnung besondere
Schwierigkeiten und veranlaßte außerdem manchen Irrthum.
Aus diesem Grunde sind im Statut von 1863 feste
Krankengeldssätze und zwar pro Tag
7 Sgr. für den Arbeiter IV. Klasse (Häuer)
6 n t ur V. tt Lehrh äuer)
53 J VI. „ESchlepper)
eingeführt.
Legen wir nun eine Krankheitsdauer von 100 Tagen