Full text: Der Bergmannsfreund (3.1873)

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lich die Kohlenfelder der ganzen Erde über 225,000 eng⸗ 
lische Quadratmeilen; hiervon kommen allein 180,000 auf 
die Vereinigten Staaten und die englischen Colonien in 
Nordamerika, ferner 9000 auf Großkritannien, dann unge⸗ 
fähr je 1800 auf Dentschland und Frankreich, je 900 auf 
Belgien und Spanien, und endlich 28,000 vertheilen sich 
auf alle übrigen Länder der Erde. 
Die Gesammtzahl der Steinkohlenbergleute wird gegen— 
wärtig für sämmtliche Steinkohlengruben der Welt auf 
mindestens 800,000 Mann und deren jährliches Verdienst 
auf mindestens 170 Millionen Thaler (durchschnittlich 211 
Thlr. auf 1 Mann) veranschlagt. 
Aus den angeführten Zahlen ergibt sich zur Genüge, 
von welcher großartigen Bedeutung die Steinkohle ist. Was 
heutzutage alljährlich ans den Kohlenschächten zu Tage ge— 
fördert wird, übersteigt bei Weitem den Werth aller Edel—⸗ 
metalle, welche die Menschheit auf unserer Erde alljährlich 
gewinnt. Wohl verdienen daher im Ernste die Steinkohlen 
den ihnen ursprünglich spottweise beigelegten Namen der 
„schwarzen Diamanten.“ Sie sind für das Land, das sich 
hres Besitzes erfreut, eine fortlaufende Quelle des National⸗ 
reichthums, mit welcher verglichen, Gold, Silber und Edel—⸗ 
steine kaum in Betracht kommen. 
Einiges aus der Natur. 
1) Die Ameisen tragen zu ihrer Winternahrung viel Korn 
in die Erde; damit aber das Korn in der feuchten 
Erde nicht keime, so beißen sie von jedem Körnchen, 
welches sie eintragen, den Keim ab, so daß es nicht 
auswachsen kann. 
Das Blut, welches in unsern Adern läuft, besteht aus 
lauter kleinen runden Kügelchen, zwanzig tausend der⸗ 
br betragen erst die Größe eines einzigen Sand⸗ 
orns. 
Die menschliche Haut besteht aus Schuppen, mit un— 
zähligen kleinen Schweißlöchern. Ein Sandkorn aber 
deckt 250 solcher Schuppen, und ein Schüppchen hat 
über 500 Schweißlöcher. 
Wenn eine junge Spinne anfängt, Fäden zu ziehen, 
so sind gegen 133 Fäden erst so dick, als ein Faden 
einer großen ausgewachsenen Spinne. 
5) 4 Millionen Fäden junger Spinnen sind ohngefähr 
so dick als ein Barthaar. 
Bei unserm Athemholen werden mehr als 60 Mus— 
keln in Bewegung gesetzt, welche die Brust erweitern 
und zusammenziehen. In jeder Minute holt man fast 
20mal Athem, also in einer Stunde 1200mal. 
Eine Schwalbe fliegt in einer Stunde 20 Meilen, also 
in einem Tage über 200 Meilen. 
Eine grüne Larve mit 16 Füßen, welche haarig ist, 
kriecht und Blätter frißt, ich meinne die Raupe, wird 
in eine hängende, glatte, fastende Puppe verwandelt, 
die keine Fuͤße hal. Und aus dieser wird nachher 
ein fliegender, weißer, honigsaugender, bunter Schmet⸗ 
berling mit 6 Füßen. Ist Etwas bewunderungs— 
würdiger in der Natur, als dieses? 
3) 
9. 
6) 
Hohe Tugend in einer niedern Hütte. 
(Eine wahre Geschichte). 
Herr A. —, ein Mann, der einen großen Theil seiner 
Zeit dem edlen Geschäfte, Nothleidende aufzusuchen und 
ihnen Hülfe zu schaffen, widmet, hörte, daß in einer abge— 
legenen Gasse der Stadt eine Frau wohne, die ihren seit 
4 Jahren kranken Mann durch den Fleiß ihrer Hände er— 
aährte. Den Unglücklichen, der den Gebrauch seiner Glied⸗ 
naßen völlig verloren hat, zu pflegen, und doch so viel 
durch Arbeiten zu erwerben, daß sie beide davon leben kön— 
nen, muß der guten Frau sehr sauer werden, dachte er, und 
Gott weiß, ob sie nicht oft den drückendsten Mangel em— 
pfindet. Sie verdient und bedarf der Unterstützung. Er 
steckte ein paar Thaler zu sich und suchte ihre Wohnung 
auf. Nach vielem Fragen fand er sie endlich in einer klei— 
nen, den Einsturz drohenden Hütte. Die Frau empfing 
ihn freundlich; vor ihr lag ein Zeug, worin sie Blumen 
zestickt hatte; neben ihr stand das Bett des Mannes, der 
uur mit leiser Stimme sprechen konnte; Alles war reinlich, 
obgleich mit der bittersten Armuth geprägt. 
„Ich habe den Auftrag“, sagte A — „Ihnen hier eine 
Kleinigkeit zu Ihrer Unterstützung einzuhändigen“. — 
„Ich danke Ihnen, lieber Herr, für Ihre Mühe. Gott 
mag's dem Wohtthäter belohnen, daß er sich der Verlasse— 
nen annehmen will; aber Gott sei gelobt, ich brauche jetzt 
keine Hülfe.“ 
„Der Mann da im Bette braucht Hülfe, und dem 
bringe ich eigentlich das Geld.“ 
„Es ist mein Mann, lieber Herr, ich habe ihm, 
wie er jung und gesund war, versprochen, in Lieb und Leid, 
GBlück und Unglück mit ihm vorlieb zu nehmen, und mein 
Verdienst reicht noch immer hin, uns zu ernähren.“ 
„Gute, redliche Frau, nehmen Sie das Geld, ich darfs 
nicht wieder zurückbringen.“ 
„Und ich kann es nicht annehmen. Mein Gott, es 
gibt ja so viele Aermere, als ich. Würde ich nicht denen 
das stehlen, was ich ohne Noth annähme ?“* 
Mit Thränen im Auge, und doch voll Freude über 
solche Gesinnungen legte A — Etwas mehr, als er erst 
Willens gewesen war, auf das Fenster und wollte gehen. 
Die Frau hielt ihn zurück, gab ihm das Geld wieder und 
sjagte: „Wenn Sie mir denn doch Gutes thun wollen, so 
nehmen Sie das Geld und kaufen mir Etwas davon, eine 
Bibel mit grober Schrift! Ich kann nur immer des Abends, 
wenn ich zu meiner Arbeit nicht mehr sehen kann, die Bibel 
lesen, und diese hier — auf ein Buch ohne Deckel zeigend 
— ist mir schon zu fein. Und sagen Sie mir Ihren Namen, 
damit, wenn mir einmal größere Noth zustößt, ich zu Ihnen 
ommen und mir das übrige Geld holen kann.“ 
„Ich bin A —, und wohne in —. Morgen soll Sie 
die Bibel haben.“ — 
„Gott segne Sie.“ — 
Indem er zur Thür hinaustritt, begegnet ihm ein alter 
Mann, der ganz so gekleidet ist, als wenn er auch in die 
Hütte gehörte. A. frug ihn, wer er sei. 
„Ich bin ein armer Mann, der keinen Menschen mehr 
sat, die Fran hat mich die vorige Woche zu sich genommen 
und gibt mir zu essen.“ 
„Gott im Himmel, wohin verbirgt sich deine Tugend 
doch“ — sagte A —, und kehrte mit dem Manne in die 
tileine Stube zurück — „Wenn Sie für Sich selbst Nichts 
nehmen wollen, so nehmen Sie dies als Kostgeld für die— 
sen Mann, ich will ihn künftig ernähren.“ 
„Quälen Sie mich nicht, liebster Herr, ich kann jetzt 
ein Geld nehmen. Es gibt ja viele Aermere, als ich bin. 
Schenken Sie mir eine Bibel, wenn Sie wollen, und geben 
Sie mir einmal, was sie können, wenn ich in Nothb bin, 
und helfen Sie mir den lieben Gott bitten, daß er mir bei— 
stehen möge, damit ich mir Nichts darauf einbilde, daß ich 
bei meinen kümmerlichen Umständen auch noch einem Aer— 
meren helfen kann.“
	        
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