Full text: Der Bergmannsfreund (3.1873)

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von nachgeäfftem oder Scheinbischof wählte. Man nahm 
dazu meist einen von den Chorknaben der Pfarrkirche, und 
die Chorknaben waren es auch, welche den Wahlakt voll⸗ 
zogen. Der kleine Bischof wurde mit angemessenem 
Gewand, mit Bischofsmütze und Bischofsstab und außerdem, 
um ihm ein würdiges Ansehen zu verleihen, mit einem 
langen weißen Barte versehen. Außerdem wurde er mit 
der nöthigen Amtsgewalt bekleidet, die er mehrere Tage 
lang zur großen Freude seiner Kameraden ausübte. In 
der erwähnten Vermummung und von seinen Kameraden, 
den übrigen Chorknaben, begleitet, zog er durch die Straßen 
der Stadt, hinter sich eine Schaar jubelnder Gassenjungen 
als Gefolge. 
Mit welcher Zähigkeit sich mancher Volksbrauch in 
allem Wechsel der Zeiten und Sitten forterhält, beweist 
eben das Fest des heiligen Nikolaus. Noch heut zu Tage 
besteht in allen katholischen, und theilweise auch in prote— 
stantischen Ländern der Brauch, daß sich Knaben am Abend 
des 5. oder 6. Dezember als ‚Nikolaus“ vermummen, in den 
Häusern herumgehen und braven Kindern Aepfel, Nüsse 
und ähnliche Dinge spenden, natürlich gegen nachträgliche 
entsprechende Remuneration, wenn der Nikolaus“ nicht 
von einem Familiengliede, sondern von armen Buben ge— 
macht wird, die dabei Etwas zu verdienen hoffen. Die 
hübsche Sitte wird sich hoffentlich noch lange erhalten, und 
wenn man heute über Beibehaltung oder Abschaffung des 
„Nikolaus“ eine Volksabstimmung veranstalten würde, so 
ist Hundert gegen Eins zu wetten, daß die überwiegende 
Wajorität von Alt und Jung für die Beibehaltung stimmen 
würde. 
Feengeschenke. 
Von G. Diethoff. 
(Schluß.) 
So wuchs das Mädchen heran in einem hellen, schaf— 
—VD— 
gute Feen um ihre Wiege gestanden, denn so lachend wie 
ihre Augen und so rührig wie ihre Hände gab's fast keine 
mehr im Ort. Das war das gute Geschenk der ersten 
Fee, aber die zweite kam auch bald nach und tauchte die 
Seele des Mädchens in gaukelnden Perlmutterschimmer. Ob 
sie nun am Spinnrad saß oder am Melkkübel, so geschah 
es oft, daß sich die heiteren Augen in Dämmerung hüllten 
und die rührigen Hände in den Schooß sanken. Und aus 
dem bunten Nebel des wachen Träumens traten dann aller— 
hand Gestalten, von denen sie gehört in alten Liedern und 
Mährchen, von denen sie gelesen in den prächtigen neuen 
Büchern, die alle gedruckt waren in „diesem Jahr“. Königs— 
töchter, die verbannt als Mägde irrten, edle Ritter und 
Grafen, die mit Drachen kaämpften, Prinzen, die sich ver— 
irrten auf der Jagd und eines Bauern Dirn' zur Königin 
machten; von andern Sprossen aus königlichem Geschlecht, 
die verzaubert in allerlei Gestalten des Wortes und der 
Stunde harrten, die ihren Banu lbsen sollte. In all' die 
Herrlichkeiten blieb sie eingewiegt, bis die Mutter mahnend 
ihr zurief: „Lustig, Lisbeth, lustig, schlaf' mir nicht ein 
über der Arbeit! Vu mußt es noch inne werden, Madchen. 
was im Schaffen für ein Segen steckt!“ 
Da fuhr wohl die Lisbech auf aus dem Sinnen wie 
aus schwerem Schlaf, strich sich das Haar zurück und griff 
wieder nach der Arbeit. Aber es ward ihr gar sauer, und 
sie meinte, sie könne wohl auch was Besseres verrichten, als 
Mägdedienst; dazu kam ihr die Stube so eng vor und so 
räucherig, ihre Kleider so grob und so pPluimnd Wenn — 
vas vor Alters passiren konnte, daß ein vorbeiziehender 
Prinz eine Magd, die das Vieh hütete oder die am Bache 
vusch, auf's Roß heben konnt' und sie in rothgoldenen 
Kleidern zur Königin küren, warum sollt's nicht auch heut 
noch geschehen können? Und warum nicht auch ihr? So 
dachte die Lisbeth. Und wenn's just auch kein Prinz ist 
oder ein Graf, so sollt's doch ein Herr sein, und sie meinte, 
es könne auch gar nicht anders werden, als daß sie eine 
Dame würd', denn sie dünkte sich etwas Feines und Apar— 
tes, weit höher und besser, als Alles, was um sie war. So 
tam es, daß sie nimmer wußt', was Hoffnung und was 
Lerdienst sei, und daß sie eines mit dem andern verwech— 
elte, bis sie sich so kostbar vorkam und zu so Großem be— 
rufen, daß es sie selber Wunder nahm, daß sie uur daheim 
hlieb. Wär' die Lisbeth ein Stadtkind gewesen, so hätt' 
ie vielleicht gesagt, sie sehne sich nach ihrem Ideal — dieses 
Bewerb oder diese Person kam aber nicht vor in den Geschichten 
der Lisbeth, so blieb's eben beim Prinzen oder Grafen, 
aber sie sagte Nichts davon. Der Vater sagte: „das Mädel 
vird mir noch hintersinnig,“ wenn sie im Weinberg, statt 
Ankraut zu jäten, die Hände über der Hacke faltele und 
jinaussah auf die Landstraße, ob kein Reiter kommen wolle 
»der ein hellschimmernder Zug aus dem Hohlweg. Die 
Mutter schüttelte den Kopf, wenn die Milch in's Feuüer lief, 
vährend die Lisbeth den Funken nachsah, die den Schlot 
zjinauflogen, und der Conrad, des Müllers Sohn, der sie 
lieb hatte wie sein eigen Leben, zuckte schmerzlich zusammen 
ind seufzte tief, wenn die Lisbeth steif und stolz an ihm 
vorüberging und jeder Zug ihres Gesichtes, jede Falte ihres 
vehenden Rockes ihm zu sagen schien: du bist mir viel zu 
gering! 
Eben war er ihr wieder begegnet, wie sie ihren Eimer 
am Brunnen füllte, da wollt' er ihr aufhelfen, sie aber 
faßte hurtig nach dent Gefäß und lief an ihm vorüber, daß 
das Wasser zu beiden Seiten herauspatschte und sie nur 
einen halbgefüllten Eimer ärgerlich im Flur absetzte. „Nein,“ 
dachte sie bei sich, „Müllerstuch ist mir doch zu grau und 
zu grob.“ Der Conrad sah ihr lange nach, und es wollt' 
hm schier das Herz abdrücken, daß das Mädchen sich seiner 
o wenig kümmerte. „Ich muß mit ihr doch einmal ernst— 
jaft reden,“ dachte er, „wenn ich nur wüßt', wie ich's an— 
angen sollt.“ Dabei blickte er auf den Vergißmeinnichtstrauß, 
den er am Mühlbach gepflückt. „Ihr seid umsonst ge— 
hrochen!“ sprach er, denn er hatte die Blumen der Lisbeth 
zeben wollen, kam aber nicht dazu, weil sie gar so rasch 
davon lief; nachwerfen konnt' er sie ihr doch nicht. „Da! 
da lieget!“ sagte er und legte den Strauß auf das Fenster— 
sims. „Mit heim nehmen thu' ich euch nimmer!“ 
Derweil war die Lisbeth in die Stube gegangen, rückte 
das Spinnrad an's Fenster und dachte, sie wolle sich's jetzt 
angenehm machen, denn sie war allein zu Hause, so konnte 
sie Niemand stören in ihren Gedanken. 
Da kamen sie denn auch wieder m schimmerndem Glanz 
alle die gaukelnden Bilder, auf den rothen Wolken des Abend— 
zimmels schwebten sie und auf den Tönen des Waldhornes 
chwammen sie herab, schmeichelnd und weich. Wie das 
Waldhorn klang! Der Förster hielt seine Andacht, das heißt, 
er blies in die Welt hinein das einzige geistliche Lied. das 
er kannte: „Nun ruhen alle Wälder.“ 
Die Töne machten das Mädchen aufmerksam. Es ist 
doch was Schönes um einen Jäger! Jäger kamen in den 
Liedern gar viele vor und fast immer waren es verkappte 
Prin zen oder Grafen. — Wie das Jagdhorn rief! — Aber 
nein, bei dem Förster konnt' man sich Nichts denken, das 
war ein alter Junggeselle. der den armen Leuten Vrotokolle
	        
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