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lichen „grüß Euch Gott!“ sie anredete, welchen Gruß Wel—
lenstein und Sohn dankend erwiderten. Der eben Ange—
ommene war gekleidet nach Jägerart und trug eine Doppel—
flinte nebst Pulverhorn über dem Rücken. Allem Anschein
nach mußte es der Förster der Gräfllich von Kesselstatt'schen
Waldungen sein, die sich ringgsum ausdehnten. Die äußere
Erscheinung des Fremden machte den günstigsten Eindruck
Seine Gestalt war edel, sein Auge mild wie die Maisonne,
die einen zarten Schimmer über die Haide verbreitete, sein
nzes Aeußere ließ eine besondere Herzensgüte leicht er—
ennen.
Inzwischen hatte sich aus dem Westen dunkles Gewölk
herangezogen. Wenige Augenblicke genügten, die sonnige
Haide wie mit einem grauen Zelte zu überwölben. Der
Jägersmann blickte auf zum Himmel und musterte das Ge—
wölk. „Das wird ein schweres Gewitter,“ meinte er nach—
denklich — „wer da nur unter einem schützenden Dache
wäre! Wir müssen uns eilen, daß wir noch jenen alten
Buchwald am Ende der Haide erreichen, der in Ermanglung
eines Hauses keineswegs zu verachten ist.“
Den Wald erreichten sie denn auch, noch ehe die ersten
Tropfen fielen. Eine tiefe Stille lagerte mit einer eigen—
thümlichen Feierlichkeit auf dem dichten Laubdache, nur hin
und wieder unterbrochen von dem Zwitschern eines Vogels,
der noch kein sicheres Obdach zu finden wußte und ängst—
lich von Baum zu Baum hüpfend den nahen Sturm ver—
fündete. Dicke Tropfen fielen jetzt auf die Blätter der
Buchen nieder, und e nzelne Blitze durchzuckten auch bereits
das düstere Gewölk. Den Blitzen folgte bald der Donner,
Anfangs dumpf rollend, wie ein schwer beladener Wagen,
wenn er über eine Brücke fährt, aber nach und nach lauter,
dröhnender; schmetternd entlud sich bald Schlag auf Schlag,
und es war nicht anders, als ob das in Flammen stehende
Firmament über die Erde zusammenstürzen wolle. Dem
furchtbaren Donnern folgte ein orkanähnlicher Wind, unter
dessen Stößen hier und dort gewaltige Bäume mit sammt
dem breiten Wurzelwerke aus dem Boden gehoben wurden.
Schon bei den ersten Donnerschlägen hatte sich Arnold
bei einem Baume niedergelassen, faltete seine Hände und
betete laut. Der Jäger musterte ihn von Kopf bis zu den
Füßen. Seine schönen- Augen, seine schlanke Gestalt und
die Ehrfurcht, womit er sein Gebet verrichtete, ließen den
Knaben fast wie einen Engel erscheinen. Schweigend be—
trachtete der Jäger den Jüngling. An eine Unterhaltung
war nicht zu denken, denn das Gewitter brach mit all seinen
Schrecken los und fegte mit solcher Gewalt durch die Bäume,
daß die Aeste wie Spreu umherflogen. Zwei Stunden
fast dauerte es, bis sich der Sturm voͤllig gelegt hatte.
„Guter Freund,“ unterbrach endlich der Jäger das
Schweigen, „wo geht die Reise hin?“
„Ich und mein Sohn wollen uns Arbeit suchen am
Bleiberge“, antwortete Wellenstein.
Verwundert blickte der Jäger Wellenstein an, denn
dessen ganzes Aeußere sah nicht aus wie das eines ge—
wöhnlichen Arbeitsmannes. Obschen seine Kleidung alt
und fadenscheinig war, so war sie doch reinlich und nicht
derart, wie sie Arbeiter jener Gegend zu tragen pflegten.
Seine Gesichtszüge waren zudem noch edel, obwohl der
Kummer schon tiefe Furchen hineingezogen hatte.
„Guter Mann“ meinte der Jäger, „dann seid Ihr
aber nicht auf dem rechten Wege; denn Ihr geht von dem
Bleiberge hinweg, anstatt drauf zuzugehen.“
„Ja, mein lieber Herr Förster,“ sagte Wellenstein, „ich
Drucker und Verleger: Gebrüder Hofer in Saarbräcken. Expedition der Sgarbrücker Zeitung
sehe das auch ein, aber ich wollte noch nach dem Schlosse
Todtenburg und dem gnädigen Herrn mein Schicksal klagen.
So viel mir bekannt ist, hat er schon manchen Hilflosen
unterstützt. Es fällt mir gewiß schwer, zu betteln, und
wenn ich selbst auch Hungers sterben müßte, würde ich es
noch nicht thun. Aber hier mein unschuldiges Kind darben
ehen zu müssen, das ist es, was mich zu einer That be—
vegt, vor der ich schon längst zurückschauderte, wenn ich
nur daran dachte.“ — Eine Thräne konnte er nicht unter—
drücken. — „Sie sind vielleicht auch in Diensten des Herrn
Grafen von Kesselstatt?“ hub Wellenstein nach einer kleinen
Pause wieder an. „Jawohl“, antwortete der Jäger, den
Wellensteins Worte gleichfalls bis zu Thränen gerührt
hatten, „mein Weg geht auch nach Todtenburg. So können
wir miteinander gehen.“
Während Wellenstein nun dem Jäger seine ganzen Ver—
jältnisse erzählte, kamen sie allmählig bis in die Nähe des
Schlosses. Hier verabschiedeten sie sich. Der Jäger eilte
dann starken Schrittes zur Schloßpforte hinein. Wellenstein
sah ihm nach, bis er in den Schloßhallen verschwunden war.
Dann entschloß er sich, sein Vorhaben auszuführen. Seinem
Sohne befahl er, unterdessen an dem Schloßportale zu ver—
veilen, bis er von dem Grafen zurückgekehrt sein werde,
und ging dann bangen Schrittes zum Portale hinein. Er
wußte selbst nicht, wie ihm war. Seine Zunge schien ihm
wie gelähmt und seine Füße versagten ihm fast den Dienst.
Als er nun an die Hauptpforte des Schlosses gelangte,
war es ihm nicht mehr möglich, mit aller Kraftanstrengung
einen Fuß vor den andern zu setzen. Seiner Sinne kaum
mehr mächtig, begann er unwillkuͤrlich, mit lauter Stimme
das „Vater unser“ zu beten, daß es mächtig in den Schloß—
hallen widerhallte.
Plötzlich erschien ein gräflicher Diener und befahl, daß
Wellenstein und sein Sohn eintreten und ihm folgen
sollten. Er führte sie in einen Saal, wo eine bereitstehende
Tafel ihrer nur zu warten schien. Bald kam auch der
Braf selbst und hieß sie freundlich Platz nehmen au der
Tafel. Aber wie erstaunten Wellenstein und sein Sohn,
als sie in dem Grafen Niemand anders als den Jäger
wieder erkannten, der während des Gewitters sich bei ihnen
aufgehalten hatte. Ein Stein war Wellenstein damit vom
Herzen gewälzt, er brauchte ja jetzt nicht erst dem Grafen
eine Verhältnisse auseinanderzuseßen, er hatte sie ihm ja
vorhin schon als dem vermeintlichen Jäger geklagt.
Auf des Grafen Befehl griffen die hungrigen Wanderer
tüchtig von den Speisen zu und mußten duch über Nacht
bleiben. Am andern Tage erst verließen sie reich beschenkt
das Schloß Todtenburg. Jetzt ging die Reise etwas besser
von Staͤtten, und am dritten Tage gegen Mittag erreichten
sie die ersten Gruben.
In dem Dorfe Schäfen gesellte sich ein alter Mann
zu ihnen, dem die seltsamen Wanderer aufgefallen waren.
— Wellenstein Vater trug nämlich einen Frackrock von
dunkelblauem Tuche, der in jener Gegend gar nicht Mode
war. — (Fortsetzung folgt).
Marktpreise am 25. Ottober 1873.
xu Saarbrü⸗en. zu St. Jehann.
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