54
Fragt man nun nach der Art und Weise, wie diese
interessante Naturerscheinung sich gebildet, so weisen uns
hier alle Zeichen auf eine Eiszeit hin, welche vor vielen
Jahrtausenden die Ebenen und Thäler der Schweiz wohl
mehrere tausend Fuß hoch mit Gletschereis überdeckt hielt.
Langsam, aber unwiderstehlich ist dieser Eisstrom von den
Höhen des St. Gotthard-Gebirges herabgekommen, hat die
abgesprengten Trümmer von Granit, Gneiß und Bergkalk
in großen Massen mitgeführt und dieselben später bei seinem
Zurückweichen (durch Abschmelzen) in regelrechten, halbmond—
förmigen Kreisen — den sogenannten Moränen — abge—
lagert, wie solches noch heutzutage mit den zahllosen Glet—
schern der Hochalpen der Fall ist. In der Masse des un—
geheuren Eisstromes sind zahlreiche Spalten entstanden; in
ihnen verschwanden damals, wie noch heute, die Rinnsale
und Bäche der schmelzenden Gletschermasse. So entstanden
tiefe Senkhöhlen, sogenannte Gletschermühlen, in welche von
der Gletscheroberfläche aus auch Gesteinsblöcke mit hinein—
gerissen wurden. Gelangten solche Blöcke im Laufe der
Zeiten mit dem Wasser bis auf den felsigen Grund, welcher
die Unterlage des Gletschers bildete, so wurden sie dort
von dem Strudel in eine kreisende Bewegung versetzt, sie
selbst verloren ihre Ecken und Kanten und nahmen die
rundliche Geftalt an, während sie andererseits im Felsen—
boden die runden Vertiefungen aushöhlten.
Auf solche Art dürften die Riesentöpfe im „Gletscher—
garten“ zu Luzern in unvordenklicher Eiszeit ihre Ent—
stehung durch Gletscher gefunden haben. Die vorhandene
Schliffe und Ritze an der Felsenfläche weisen gleichfalls
untrüglich darauf hin. An der Unterfläche eines jeden
Gletschers klebt nämlich stets eine Sandschicht an, welche
als Schmirgel wirkt und die Felsen abschleift und polirt;
finden sich in der Sandschicht größere Gerölle, so veran—
lassen diese tiefere Furchen oder Ritze im Felsen nach der
Richtung hin, in welcher der Gletscher allmählig sich fort—
bewegt.
War der Gletscher nach und nach abgeschmolzen, so hörten
mit dem fließenden Wasser auch die Strudel und die Be—
wegungen der Steine in den Gletschermühlen auf. Geröll⸗
schutt von den umliegenden Sandsteinfelsen und thonige
Massen verschütteten dieselben, und die gütige Mutter Natur
deckte ihren saftiggrünen Rasenteppich darüber weg. — Der
industriellen Thätigkeit des Menschen war es vorbehalten,
hier im Gletschergarten zu Luzern durch Zufall ein Werk
wieder aufzudecken, welches die unermüdlich schaffende Na—
tur im Zeitenlaufe von Tausenden von Jahren ohne Ham—
mer und Meißel, aber mit unverkennbarer Steinschrift in
die Felsen eingegraben hat.
Arbeiterverhültnisse auf den Steinkohlengruben
im Wurmrevier bei Aachen.
Die gesammte Steinkohlenproduction des Wurmbeckens
betrug im Jahre 1872 rund 884 Millionen Ctr., von denen
7910 Millionen auf die Gruben der ‚„Vereinigungsgesell—
schaft“ entfallen.
Auf den Gruben der letztern Gesellschaft waren zu
Ende 1872 im Ganzen 2387 Arbeiter beschäftigt, darunter
110 jugendliche im Alter von 14ÿ516 Jahren.
Für Beamte und Arbeiter hat die Gesellschaft, größten—
theils in den letzten Jahren, 180 Wohnungen erbaut. Ein
Arbeiterhaus enthält 2 durchaus getrennte Familienwohn⸗—
ungen mit besonderen Eingängen, bestehend jede aus einem
großen, zugleich als Küche dienenden Wohnzimmer, 8
kleineren Zimmern, Keller und Stallgebäude. Zu jeder
Wohnung gehört ein Garten von 450 Quadrat⸗Metern
Flächeninhalt, welcher mit Obstbäumen Seitens der Gesell—
schaft bepflanzt wird. Die Häuser sind zu sehr mäßigen
Miethpreisen an die Arbeiter der Gesellschaft berpachtel.
Außerdem ist jetzt der Anfang gemacht worden, das
übrige Grundeigenthum der Gesellschaft in Parcellen von
1300 Quadrat⸗Metern Fläche einzutheilen und den Arbeitern
pachtweise zu überlassen, um denselben so Gelegenheit zu
zeben, ihre Gemüse und Kartoffeln selbst zu ziehen und die
hei nur 8stündiger Schichtdauer ihnen reichlich verbleibende
freie Zeit mit einer gesunden Arbeit in frischer Luft aus—
zufüllen.
Auf vielen Gruben sind bereits Badeanstalten für die
Arbeiter eingerichtet, und wo dieselben noch fehlen, wird
mit deren Einrichtung vorgegangen. Daneben aber haben
sich Waschanstalten als nöthig erwiesen, da es nicht möglich
ist, in den Badeanstalten jedem Arbeiter ein getrenntes
Bad unmmittelbar nach der Schicht zu bieten, ohne daß
zroßer Aufenthalt entsteht, die gemeinschaftlichen Bäder aber
nur ungern benutzt werden. — Außerdem besteht an den
meisten Punkten bereits die Einrichtung, daß die Arbeiter
auf den Gruben ihren Anzug wechseln, also die eigentlichen
Arbeitskleider daselbst zurücklassen können.
Für die Tagesarbeiter, welche 12stündige Schichten,
mit längerer Unterbrechung für die Mittagsruhe, verfahren,
ist auf der Haupt-Anlage zu Laurweg die Einrichtung ge—
roffen, daß ihnen zu einem sehr maͤßigen Preise auf der
Anlage selbst ein guter Mittagstisch geboten wird, welchen
die große Mehrzahl regelmäßig benutzt. In einem hierzu
hergestellten Menagegebäude ist ein Saal für 500 Personen
mit Lesezimmer und sonstigen Nebenzimmern vorhanden,
und werden ähnliche Einrichtungen nach und nach auch auf
den übrigen Gruben zur Durchführung kommen. Mit den
Menageanstalten berden Logirhäuser für solche unverhei—
rathete Arbeiter und Beamte verbunden, welche in benach—
harten Ortschaften ein gutes und billiges Unterkommen nicht
inden können.
Die jugendlichen Arbeiter der Gesellschaft sind ange—
jalten, zweimal wöchentlich den Unterricht in den Fort—
dildungsschulen, welche auf den Gruben eingerichtet sind,
nach beendeter Schicht zu besuchen. Nach nunmehr zwei—
jährigem Bestehen der Fortbildungsschulen hat sich bereits
ein sehr günstiger Einfluß derselben bemerklich gemacht. —
Neben diesen Abendschulen sind für die bessern Schüler so—
genannte Bergvorschulen vorhanden, in welchen dieselben
wöchentlich an 2 Nachmittagen-Unterricht theils in den
Elementarfächern, theils im Zeichnen und den ersten Be—
griffen der Bergbau⸗- und Maschinenkunde erhalten, um so
zur Aufnahme in die Bergschule des Reviers genügend vor—
hereitet zu werden. Zugleich aber sollen die Bergvorschulen
zuch dazu dienen, tüchtige Maschinenwärter, Zimmerhauer,
Fahrhauer und Aufseher heranzubilden.
Für die Unterstützung der Arbeiter in Krankheitsfällen,
sowie für deren Versorgung im Alter oder bei eintretender
Arbeitsunfähigkeit ist die allen Gruben des Wurm-Revier s
gemeinsame Knappschaftskasse vorhanden, deren Ausgaben
im Jahre 1872 bei einer Zahl von 4592 activen Mitgliedern
51,962 Thaler 15 Sgr. 2 Pfg. betrugen.
Thlr. Sgr. Pfg.
Hiervon kommen 13,620 25 — auf 257 Invaliden.
17,717 — 6 4179 Wittwen.
4078 21 — 4858 Waisen.
Die den jetzigen Lohnverhältnissen nicht mehr ent—
sprechenden Pensionen sind im Laufe des vorigen Jahres