Full text: Der Bergmannsfreund (3.1873)

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Fragt man nun nach der Art und Weise, wie diese 
interessante Naturerscheinung sich gebildet, so weisen uns 
hier alle Zeichen auf eine Eiszeit hin, welche vor vielen 
Jahrtausenden die Ebenen und Thäler der Schweiz wohl 
mehrere tausend Fuß hoch mit Gletschereis überdeckt hielt. 
Langsam, aber unwiderstehlich ist dieser Eisstrom von den 
Höhen des St. Gotthard-Gebirges herabgekommen, hat die 
abgesprengten Trümmer von Granit, Gneiß und Bergkalk 
in großen Massen mitgeführt und dieselben später bei seinem 
Zurückweichen (durch Abschmelzen) in regelrechten, halbmond— 
förmigen Kreisen — den sogenannten Moränen — abge— 
lagert, wie solches noch heutzutage mit den zahllosen Glet— 
schern der Hochalpen der Fall ist. In der Masse des un— 
geheuren Eisstromes sind zahlreiche Spalten entstanden; in 
ihnen verschwanden damals, wie noch heute, die Rinnsale 
und Bäche der schmelzenden Gletschermasse. So entstanden 
tiefe Senkhöhlen, sogenannte Gletschermühlen, in welche von 
der Gletscheroberfläche aus auch Gesteinsblöcke mit hinein— 
gerissen wurden. Gelangten solche Blöcke im Laufe der 
Zeiten mit dem Wasser bis auf den felsigen Grund, welcher 
die Unterlage des Gletschers bildete, so wurden sie dort 
von dem Strudel in eine kreisende Bewegung versetzt, sie 
selbst verloren ihre Ecken und Kanten und nahmen die 
rundliche Geftalt an, während sie andererseits im Felsen— 
boden die runden Vertiefungen aushöhlten. 
Auf solche Art dürften die Riesentöpfe im „Gletscher— 
garten“ zu Luzern in unvordenklicher Eiszeit ihre Ent— 
stehung durch Gletscher gefunden haben. Die vorhandene 
Schliffe und Ritze an der Felsenfläche weisen gleichfalls 
untrüglich darauf hin. An der Unterfläche eines jeden 
Gletschers klebt nämlich stets eine Sandschicht an, welche 
als Schmirgel wirkt und die Felsen abschleift und polirt; 
finden sich in der Sandschicht größere Gerölle, so veran— 
lassen diese tiefere Furchen oder Ritze im Felsen nach der 
Richtung hin, in welcher der Gletscher allmählig sich fort— 
bewegt. 
War der Gletscher nach und nach abgeschmolzen, so hörten 
mit dem fließenden Wasser auch die Strudel und die Be— 
wegungen der Steine in den Gletschermühlen auf. Geröll⸗ 
schutt von den umliegenden Sandsteinfelsen und thonige 
Massen verschütteten dieselben, und die gütige Mutter Natur 
deckte ihren saftiggrünen Rasenteppich darüber weg. — Der 
industriellen Thätigkeit des Menschen war es vorbehalten, 
hier im Gletschergarten zu Luzern durch Zufall ein Werk 
wieder aufzudecken, welches die unermüdlich schaffende Na— 
tur im Zeitenlaufe von Tausenden von Jahren ohne Ham— 
mer und Meißel, aber mit unverkennbarer Steinschrift in 
die Felsen eingegraben hat. 
Arbeiterverhültnisse auf den Steinkohlengruben 
im Wurmrevier bei Aachen. 
Die gesammte Steinkohlenproduction des Wurmbeckens 
betrug im Jahre 1872 rund 884 Millionen Ctr., von denen 
7910 Millionen auf die Gruben der ‚„Vereinigungsgesell— 
schaft“ entfallen. 
Auf den Gruben der letztern Gesellschaft waren zu 
Ende 1872 im Ganzen 2387 Arbeiter beschäftigt, darunter 
110 jugendliche im Alter von 14ÿ516 Jahren. 
Für Beamte und Arbeiter hat die Gesellschaft, größten— 
theils in den letzten Jahren, 180 Wohnungen erbaut. Ein 
Arbeiterhaus enthält 2 durchaus getrennte Familienwohn⸗— 
ungen mit besonderen Eingängen, bestehend jede aus einem 
großen, zugleich als Küche dienenden Wohnzimmer, 8 
kleineren Zimmern, Keller und Stallgebäude. Zu jeder 
Wohnung gehört ein Garten von 450 Quadrat⸗Metern 
Flächeninhalt, welcher mit Obstbäumen Seitens der Gesell— 
schaft bepflanzt wird. Die Häuser sind zu sehr mäßigen 
Miethpreisen an die Arbeiter der Gesellschaft berpachtel. 
Außerdem ist jetzt der Anfang gemacht worden, das 
übrige Grundeigenthum der Gesellschaft in Parcellen von 
1300 Quadrat⸗Metern Fläche einzutheilen und den Arbeitern 
pachtweise zu überlassen, um denselben so Gelegenheit zu 
zeben, ihre Gemüse und Kartoffeln selbst zu ziehen und die 
hei nur 8stündiger Schichtdauer ihnen reichlich verbleibende 
freie Zeit mit einer gesunden Arbeit in frischer Luft aus— 
zufüllen. 
Auf vielen Gruben sind bereits Badeanstalten für die 
Arbeiter eingerichtet, und wo dieselben noch fehlen, wird 
mit deren Einrichtung vorgegangen. Daneben aber haben 
sich Waschanstalten als nöthig erwiesen, da es nicht möglich 
ist, in den Badeanstalten jedem Arbeiter ein getrenntes 
Bad unmmittelbar nach der Schicht zu bieten, ohne daß 
zroßer Aufenthalt entsteht, die gemeinschaftlichen Bäder aber 
nur ungern benutzt werden. — Außerdem besteht an den 
meisten Punkten bereits die Einrichtung, daß die Arbeiter 
auf den Gruben ihren Anzug wechseln, also die eigentlichen 
Arbeitskleider daselbst zurücklassen können. 
Für die Tagesarbeiter, welche 12stündige Schichten, 
mit längerer Unterbrechung für die Mittagsruhe, verfahren, 
ist auf der Haupt-Anlage zu Laurweg die Einrichtung ge— 
roffen, daß ihnen zu einem sehr maͤßigen Preise auf der 
Anlage selbst ein guter Mittagstisch geboten wird, welchen 
die große Mehrzahl regelmäßig benutzt. In einem hierzu 
hergestellten Menagegebäude ist ein Saal für 500 Personen 
mit Lesezimmer und sonstigen Nebenzimmern vorhanden, 
und werden ähnliche Einrichtungen nach und nach auch auf 
den übrigen Gruben zur Durchführung kommen. Mit den 
Menageanstalten berden Logirhäuser für solche unverhei— 
rathete Arbeiter und Beamte verbunden, welche in benach— 
harten Ortschaften ein gutes und billiges Unterkommen nicht 
inden können. 
Die jugendlichen Arbeiter der Gesellschaft sind ange— 
jalten, zweimal wöchentlich den Unterricht in den Fort— 
dildungsschulen, welche auf den Gruben eingerichtet sind, 
nach beendeter Schicht zu besuchen. Nach nunmehr zwei— 
jährigem Bestehen der Fortbildungsschulen hat sich bereits 
ein sehr günstiger Einfluß derselben bemerklich gemacht. — 
Neben diesen Abendschulen sind für die bessern Schüler so— 
genannte Bergvorschulen vorhanden, in welchen dieselben 
wöchentlich an 2 Nachmittagen-Unterricht theils in den 
Elementarfächern, theils im Zeichnen und den ersten Be— 
griffen der Bergbau⸗- und Maschinenkunde erhalten, um so 
zur Aufnahme in die Bergschule des Reviers genügend vor— 
hereitet zu werden. Zugleich aber sollen die Bergvorschulen 
zuch dazu dienen, tüchtige Maschinenwärter, Zimmerhauer, 
Fahrhauer und Aufseher heranzubilden. 
Für die Unterstützung der Arbeiter in Krankheitsfällen, 
sowie für deren Versorgung im Alter oder bei eintretender 
Arbeitsunfähigkeit ist die allen Gruben des Wurm-Revier s 
gemeinsame Knappschaftskasse vorhanden, deren Ausgaben 
im Jahre 1872 bei einer Zahl von 4592 activen Mitgliedern 
51,962 Thaler 15 Sgr. 2 Pfg. betrugen. 
Thlr. Sgr. Pfg. 
Hiervon kommen 13,620 25 — auf 257 Invaliden. 
17,717 — 6 4179 Wittwen. 
4078 21 — 4858 Waisen. 
Die den jetzigen Lohnverhältnissen nicht mehr ent— 
sprechenden Pensionen sind im Laufe des vorigen Jahres
	        
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