111
aus dem Wasser empor, nach einiger Zeit ein zweiter und
dritter. Ich sragte den Mann, was das zu bedeuten hätte
und erhielt zur Antwort, gestern sei einer hier gewesen, der
habe die ganze Ruhr vergiftet, er meinte damit das Schießen
mit Dynamit. Jener Ausdruck war in der That nicht übel
gewählt. Denn als ich mir hernach einen Kahn lieh und
der Stelle zufuhr, wo die Fische auftauchten, sah ich auf
dem Grunde einen Fleck von mehreren Quadratruthen groß
dicht mit todten Fischen bedeckt, die dann, je nachdem die
Verwesung fortschritt, an die Oberfläche kamen. Mit einer
Fischgabel (Gerte), die ich mir geliehen, konnte ich, ohne
sange zu zielen, einen Fisch nach dem andern aus dem
dichlen Haufen unten am Boden heraufholen. Dieselben
waren erst Tags zuvor geschossen und doch fielen sie schon
bei der Berührung mit der Luft auseinander. Ueberhaupt
sollen alle auf diese Art gefangenen Fische so stark verletz!
werden, daß sie beinahe völlig unbrauchbar sind. Rechnet
man dazu noch, daß vielleicht nur der fünfte Theil der so
getödteten Thiere an die Oberfläche kommt, während die
aündern auf dem Grunde liegen bleiben und verfaulen, dann
muß man doch sagen, das ist gar kein Fischfang mehr, son—
dern nur noch die rohe Lust am Zerstören. Es sollen hier
schon 3 bis 400 Pfund Fische nach einem einzigen Schusse
au die Oberfläche gekommen und gefangen sein, gar nicht
gerechnet die groͤße Masse der jungen Brut, die auf diese
Weise völlig zu Grunde geht. —
Ein anderes Mal, so erzählt uns derselbe Gewährs—
mann, traf ich an der Ruhr einen Herrn aus Hörde, der
grade mit Dynamitpatronen schießen wollte. Da der Be—
sitzer der Fischerei seine Einwilligung nicht geben wollte,
so gingen wir nach einem benachbarten Spiken, der einem
andern gehörte. Ehe wir hinkamen, entstand ein Gewitter
mit einem heftigen Sturme, so daß wir von unserm Vor—⸗
haben abstehen mußten. Um uns nun die Wirkung des
Dynamits zu zeigen, befahl der genannte Herr seinem Be—
gleiter, einem Bergmann, den er eigens zu diesem Zwecke
mitgenommen hatte, eine Patrone in den flachen Wasser⸗
tümpel zu werfen, der gerade in der Nähe war. Die
Wirkung war eine furchtbare. Das Wasser des Tümpels
erhob sich zu einer Höhe von 60 bis 80 Fuß, alles Schilf
und die großen Blätter der Wasserpflanzen wurden empor—
gerissen und hernach vom Sturm noch eine Zeitlang in der
Luft umhergetrieben. Das Wasser muß deshalb so hoch
emporgeschleudert worden sein, weil es flach war und die
Kraft des Dynamits also bloß nach oben wirken konnte.
An diesen beiden Beispielen wird man hinreichend die
verheerenden Wirkungen dieses frevelhaften Spieles abnehmen
können. Und es vergeht hier fast kein Sountag, wo nicht
eine Menge von Bummlern aus den umliegenden Städten
an der Ruhr sich einfindet, um sich ein solches Sonntags⸗
vergnügen zu machen. Die Dynamitpatronen sind ja überall
zu haben; wenn man sie nirgends anders bekommen kann,
dann finden sich Bergleute genug, die für Geld und gute
Worte welche ablassen.
Während man vor 10 Jahren noch fast jede Woche
ein Gericht guter Ruhrfische auf dem Tische haben konnte,
gehört jetzt ein solches Gericht zu den Seltenheiten.
Während früher mancher arme Mann, dem das Fleisch zu
theuer war, sich an einer Schüssel voll selbstgefangener Fische
etwas zu Gute thun konnte, ist diese Nahrungsquelle fast
gänzlich versiegt. Während man aller Orten die Fischerei
durch Anschaffung junger, auf künstlichem Wege gezüchteter
Brut zu heben sucht, da zerstört man hier den Fischfang
mit Dynamit.
Das einzige, was da helfen könnte, wären verschärfte
Strafen, die solchem Frevel am ehesten ein Ende machen
fönnten. Das jetzige Strafmaß ist viel zu gering, um die
Leute wirksam abzuschrecken.
Was hier von der Ruhr gesagt ist, gilt leider auch für
die Saarbrücker Gegend. Der Sulzbach, die Blies, Prims
und selbst die Saar können ein gleiches Klagelied singen.
Trotz mehrfacher großer Unglücke, welche die Dynamit—
iischer als eine gerechte Strafe betroffen, hört der Unfug
doch nicht auf. Erfreulich ist es jedoch, daß die Erkennt—
niß von dem Frevelhaften des Dynamitfischens wenigstens
unter dem bessern und vernünftigern Theile unserer Berg—
leute allmählig sich Bahn zu brechen beginnt. Die Be—
zeichnung „Dynamitfischer“ ist bereits hin und wieder ein
entehrender Schimpfname geworden. Möchte jeder recht—
schaffene Mann mithelfen, soweit es in seinen Kräften liegt,
dem unsinnigen und gefährlichen Frevel zu steuern!
Das kalte Herz.
Ein Märchen von Wilhelm Hauff.
(Fortsetzung.)
Indessen grüßte der reiche Peter die Gäste am Fenster
vornehm und gravitätisch, stieg vom Wagen und schrie: „Son—
nenwirth, guten Abend, ist der dicke Ezechiel schon da?“ Und
eine tiefe Stimme rief: „Nur herein Peter! Dein Platz ist Dir
aufbebalten, wir sind schon da und bei den Karten.“ So trat
Peter Munk in die Wirthsstube, fuhr gleich in die Tasche
und merkte, daß Ezechiel gut versehen sein müsse, denn seine
Tasche war bis oben angefüllt.
Er setzte sich hinter den Tisch zu den Andern, und
spielte und gewann und verlor hin und her, und so spielten
sie, bis andere ehrliche Leute, als es Abend wurde, nach
Hause gingen, und spielten bei Licht, bis zwei andere Spie—
ser sagten: „Jetzt ist's genug, und wir müssen heim zu Frau
und Kind.“ Aber Spielpeter forderte den dicken Ezechiel
auf, zu bleiben. Dieser wollte lange nicht, endlich aber rief
er: Gut, jetzt will ich mein Geld zählen, und dann wollen
wir knöcheln, den Satz um fünf Gulden, denn niederer ist
es doch nur Kinderspiel.“ Er zog den Beutel und zählte,
und fand hundert Gulden baar, und Spielpeter wußte nun,
wie viel er selbst habe, und brauchte es nicht erst zu zählen.
Aber hatte Ezechiel vorher gewonnen, so verlor er jetzt Satz
für Satz und fluchte gräulich dabei. Warf er einen Pasch,
gleich warf Spielpeter auch einen, und immer zwei Augen
jöher. Da setzte er endlich die letzten fünf Gulden auf den
Tisch und rief: „Noch ein Mal, und wenn ich auch den
noch verliere, so höre ich doch nicht auf, dann leihst Du
mir von Deinem Gewinn, Peter, ein ehrlicher Kerl hilft
dem andern!“
„So viel Du willst und wenn es hundert Gulden sein
sollten,“ sprach der Tanzkaiser, fröhlich über seinen Gewinn,
und der dicke Ezechiel schüttelte die Würfel und warf fünf—
zehn. „Pasch!“ rief er, „jetzt wollen wir sehen!“ Peter
aber warf achtzehn, und eine heisere bekannte Stimme hinter
ihm sprach: „So, das war der letzte.“
Er sah sich um, und riesengroß stand der Holländer
Michel hinter ihm. Erschrocken ließ er das Geld fallen,
das er schon eingezogen hatte. Aber der dicke Ezechiel sah
den Waldmann nicht, sondern verlangte, der Spielpeter solle
ihm zehn Gulden vorstrecken zum Spiel. Halb im Traum
führ dieser mit der Hand in die Tasche, aber auch da fand
sich nichts, er kehrte den Rock um, aber es fiel kein rother
Heller heraus, und jetzt erst gedachte er seines eigenen ersten