Full text: Der Bergmannsfreund (3.1873)

seine Wünsche erfüllt, da sein Vater als Heizer nach einem 
neuen Schachte ging und er daselbst als Maschinenbursche 
angestellt wurde. Mit der ängstlichsten Sorgfalt pflegte er 
seine Maschine und war unablässig bemüht, sie in allen 
hren Einzelnheiten auf's Genaueste kennen zu lernen. 
Stephenson war unterdessen 18 Jahre alt geworden, 
war Maschinenwärter, hatte einen treuen Hund, welcher ihm 
sein Mittagsessen brachte, hatte hübsche Kaninchen und zahme 
Rothkehlchen, aber — er konnte weder lesen noch schreiben. 
Dies, seinem strebsamen Geiste so empfindliche Hinderniß 
wußte er indeß durch den Besuch einer Abendschule und 
angestrengten Fleiß zu beseitigen, und wie stolz war er, als 
er im 19. Lebensjahre seinen Namen schreiben konnte! 
Hierauf kam er als Bremser nach Black Callerton und wußte 
sich durch Mäßigkeit, Fleiß und Nebenverdienste, welche er 
durch Schuhflicken, Leistenschneiden und Uhrenrepariren er— 
zielte, so Viel zu ersparen, daß er eine kleine Wohnung miethen 
und möbliren konnte, um seine geliebte Fanny heimzu— 
führen. 
Die Trauung sand am 28. November 1802 in der 
Newburner Kirche statt; nach dieser Feierlichkeit bestieg er 
mit seiner Frau ein starkes Bauernpferd, und so kamen sie 
nach Willington-Quay, um den Segen seiner Eltern zu 
holen. Im December des nächsten Jahres ward ihm ein 
Sohn geboren; im folgenden Jahre jedoch, als er sich kaum 
in Killingworth als Bremser der Fördermaschine niederge— 
lassen, wurde ihm seine Frau, welche ihre Ehre darin suchte, 
ihm den häuslichen Herd so angenehm zu machen, daß kein 
Vergnügen ihn ihr des Abends zu entführen vermochte, 
durch den Tod entrissen. Noch in der Betrübniß über diesen 
Verlust nahm er auf einer Grube in Montrose die Stelle 
eines Maschinenmeisters an, kehrte jedoch im nächsten Jahre 
zu seinem Kinde zurück, mit einer Ersparniß, welche hin— 
reichte, seinen unterdessin an Brandwunden erblindeten 
Vater dem äußersten Elend zu entreißen, und für sich im 
Kriege gegen Napoleon einen Ersatzmann zu stellen, welche 
aber nicht groß genug war, um den Einflüsterungen seines 
Mißmuths nachgeben und nach America übersiedeln zu 
önnen. 
Der reisende Bergmann, 
rzählt von Nikolaus Plein, Bergmann in Friedrichsthal. 
Fortsetzung.) 
Herrmann lenkte seine Schritte der Schenke zu. In 
Martins Herzen stiegen zwar bange Ahnungen auf, doch 
folgte er seinem Gefährten. Stolzen Schrittes ging dieser 
zur Wirthsstube hinein und sprach noch im Hausflur seinem 
fast zaghaften Kameraden Muth zu. „Schönen guten 
Abend“, sagten Herrmann und Martin zugleich wie aus einem 
Munde. Der Wirth, ein vierschrötiger Mann, erhob sich 
oon seinem Großvaterstuhl und wünschte „großen Dank.“ 
Martin konnte einen bangen Seufzer nicht unterdrücken. 
Denn in einer solchen, hilflosen Lage hatte er sich noch nie 
befunden und er meinte den Wirth immer noch größer und 
dicker, als er wirklich war, zu sehen. Seine Jugendzeit trat 
ihm mit unwiderstehlicher Macht vor die Seele, er sah sich 
im Geiste versetzt ins elterliche Haus und hätte gerne ge— 
weint, wenn er allein gewesen waͤre. 
Aber ganz anders sah es bei Herrmann aus. Die 
Schicksalswirbel hatten ihn schon oft mürbe gemacht. Er 
hatte schon als Jüngling von kaum 20 Jahren den Krim— 
krieg mitgemacht war von da als Gefangener noch Ruß 
and, dann nach Sibirien geschleppt worden, wo er sieben 
Monate mit Hunger, Kälte und Prügel zu kämpfen hatte. 
— Er dachte jetzt, mehr als Schläge können wir nicht be— 
tommen und da sind wir auch noch mit dabei. Er bestellte 
eine Flasche guten 57er. Der Wirth war überfroh, die 
hohen Gäste bedienen zu dürfen und verabfolgte schnell und 
bünktlich das Verlangte, setzte die Flasche vor die beiden 
und sprach sein höfliches, Wohl bekomm's Ihnen!“ — „Bringen 
Sie gefälligst noch ein Glas, Herr Wirth!“ — Dieser be— 
eilte sich, das Geforderte schnell zu besorgen. Herrmann 
schenkte nun die drei Gläser voll von dem edlen Naß und 
lud den Wirth ein, mitzutrinken. Der schlug das Aner— 
hieten nicht aus, und stieß an auf Ihr Wohlsein. 
Jetzt kamen von Zeit zu Zeit auch Bauern in die 
Schenke, um ihre Neugierde zu befriedigen. Herrmann er— 
tlärte dem Wirthe in wohlgesetzten Worten, wie sie von 
einer Niederländischen Gesellschaft beauftragt wären, hier im 
Dorfe Tiefenbach ein Bergwerk anzulegen an dem alten 
heidenkopf, und daß sie am folgenden Tage ein Koffer per 
— geschickt bekommen würden, worin Banknoten, Zeichnungen, 
leidungsstücke und geometrische Werkzeuge sich befänden. 
Es war nun nicht bei einer Flasche geblieben und der 
z7er that auch seine Wirkung; denn er hatte glücklicher 
Weise von den Fortschritten der Neuzeit noch Nichts er— 
ahren, und der gutmüthige Eifeler Wirth ließ ihn rein, 
vie er ihn vom Winzer kaufte. Jemehr sie tranken, umso— 
nehr wuchs der Muth Herrmanns. Er setzte dem Wirthe 
auseinander, daß er schon innerhalb zwei Tagen 20 Ar— 
deiter vorläufig beschäftigen könnte; es müßten das aber 
unge, kräftige und unbescholtene Leute sein und nicht unter 
18 Jahr alt, der Lohn sollte einstweilen auf 8 Franken 
»der, 24 Sgr. festgestellt sein. „Sollten vielleicht soviel 
unge Burschen hier im Dorfe zusammen zu bringen sein“, 
neinte er, „so möchte ich Sie doch bitten, mir ein Wenig be— 
zülflich zu sein, es soll gewiß Ihr Schade nicht sein. Denn 
sehen Sie einmal. Wenn wir uns bei Ihnen niedergelassen 
haben, da gibt's eine ganz andre Wendung, an Geld soll 
es Ihnen nie mehr fehlen.“ 
Der überglückliche Wirth versprach, Alles aufzubieten, 
was in seiner Kraft stehe, und zwar schon sofort. Er schickte 
allsogleich den Bauer, mit dem seine Gäste auf dem Wege 
zusammengetroffen waren, der mittlerweile auch zum db7er 
eingeladen war, fort, die Bestellung zu machen. Es durften 
aatuüͤrlich aber nur befreundete und Stammjungen zu dem 
zünstigen Anerbieten herbeigernfen werden. 
Kaum war eine halbe Stunde verflossen, so erschien 
der Bauer mit mehr Burschen, als angenommen werden 
fonnten. Jetzt wurde eingereiht und Notiz geführt. Herr— 
nann stellte die Burschen in zwei Gliedern auf und 
nusterte sie. Da kam zuerst die Reihe an den Zammer— 
Rückes, einen riesengroßen Menschen, dem das „Laster“ der 
Dummheit in seinem ganzen Aeußern aufgeprägt war. 
Wie freute er sich, der Erste auf der Liste zu sein; er schlug 
mit seiner derben Faust auf den Tisch, daß die Gläser 
lirrend aneinander stießen. „Zehn Flaschen Wein hierher,“ 
gebot er in einem Ausflusse übergroßer Freude, er konnte die 
Mundwinkel gar nicht mehr zusammenbringen. 
Martin mußte sich auch an der Musterung betheiligen. 
So wie Herrmann die Einzelnen herausstellte, wurden sie 
an Martin verwiesen, der sie dann einschrieb nach Namen 
ind Alter. — Die Stube füllte sich allmählig, so daß man 
'ast keinen Platz mehr hatte, die Rekrutirung fortzusetzen. 
Der Wirth hatte sich an Herrmanns Seite gestellt, um — 
vie er versprochen — behülflich zu sein, er nickte ihm jedes— 
—al monn vinoer yon ceinen Kunden zur Musterung qrs2
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.