Spaten zur Hand, um zuzusehen, wie es an den verwüsteten
Slellen an der Erde aussieht. Aber was finden wir? Da, wo
der scheußliche Schwarzpelz sich mästet, finden wir höchstens einige
Reste von abgestorbenen Pflanzen und ab und zu vielleicht auch
cin Wurmchen, einen Engerling oder eine Puppe; wo der Maul⸗
wurf aber seinen vermeintlichen Unfug noch nicht getrieben hat,
da finden wir, namentlich am Rande des zerstörten Gebietes,
eine Menge Ungeziefer aller Art. Wir haben alle Ursache, auf⸗
merksam zu werden, und bestellen vorläufig den Maulwurfsfänger
wieder ab, um zu sehen, ob vielleicht der Maulwurf diesen Fleck
auch aufsuchen wird, und was dann erfolgt. Wir brauchen nicht
lange zu warten. Nach einigen Tagen beginnt auch hier die
Mineurarbeit des schwarzen Gesellen. Zahlreiche Hügel und Gänge
zeigen zur Genüge, daß er sehr thätig ist, und in kurzer Zeit
ist auch dieser Fleck Zoll für Zoll durchwühlt. Greifen wir nun
wieder zum Spaten, um wo möglich zu sehen, was der Zerstörer
da getrieben hat, so finden wir sehr bald, daß die vor Kurzem
hier noch so zahlreichen Würmer, Engerlinge und Maden fast
ganz verschwunden sind.
Hier könnten wir wohl füglich aufhören, denn ein Kind
reimt sich nun den Schluß: Bevor der Maulwurf eingerückt war,
wimmelte Alles von Ungeziefer, kaum ist er in dem Reviere
heimisch geworden, so ist das Zeug verschwunden und, setzen wir
gleich hinzu, nicht etwa vor dem Maulwurfe fortgelaufen, sondern
bon ihm aufgefressen mit Stumpf und Stiel, mit Haut und
Haaren. Wir wollen nun noch weiter forschen, wie dies zugeht.
Der gespenstige Stollen.
Aus den „Dorfgeschichten“ von W. O. von Horn.
GFortsetzung
M.
Tiefer Haß und heiße Liebe sind nicht von gestern. Was
so recht tief ins Herz hineingewachsen ist, das will Zeit dazu
gehabi haben. So war's mit dem Hasse Kaspar's und des Stei⸗—
ger's — und, daß ich's geradeheraus sage — mit der Liebe
der schönen Util und des Jacob, ihrer Kinder.
Das Dorf, in dem diese Geschichte sich zutrug, lag an ei—
nem Bergabhange, der den Hochwald bedeckte. Die Flur dehnte
sich rechts und uͤnks neben dem Dorf aus, und vor demselben
zog fich ein Wiesenthälchen hinab, dessen Seiten wieder mit Wald
hedeckt waren. Dort hinab führte ein näherer Fußpfad nach Sim⸗
mern und ein Bächlein hüpfte, von Erlen und Weiden begrenzt, in
die tiefere Senkung des Wiesenthals hinab. Das Dorf war lang.
Wiesengärten, mit Hainbuchengehäge umschlossen, lagen meist
zwischen den Häusern. Etwa zweihundert Schritte von den bei—
den letzten, durch das Bächlein getrennten Häusern war an der
linken Seite des Berghangs die große Halde und der Stollen
gelegen, von dessen gespenstigem Wesen seit acht Tagen und län—
ger das ganze Dorf sprach.
Mit diesem Stollen war es so. Von dem Dorfe eine halbe
bis dreiviertel Stunden entfernt, lag ein anderes, wo seit lan⸗
gen Jahren ein Silberbergwerk betrieben wurde, ohne daß jedoch
der Ertrag eben bedeutend gewesen wäre. Ein Oberbergbeamter
hatte nach genauer Besichtigung der Erzgänge nach Mannheim an
die Hofkammer berichtet, er vermuthe, daß die besten Erze gewon—
nen würden, wenn man auf der andern Seite des Berges einen
Stollen eintreibe. Das war vor etwa vierzig bis fünfzig Jahren
geschehen.
Da kam denn von Mannheim der Befehl, man sollte den
Stollen anbauen. Leopold war damals ein junger Mann. Er
tammte aus dem Odenwald und diente auf dem Silberwerk als
Steiger. Ihm wurde der Auftrag zu Theil, jenen Stollen an—
zulegen. Er kam ins Dorf; brachte Knappen mit und begann
sein Werk. Man versprach sich außerordentlichen Vortheil; aber
nach jahrelanger Arbeit, nach schweren Kosten, gewann man die
Ueberzeugung, daß Alles vergeblich sei. Die Arbeit wurde ein—
gestellt, und Niemand dachte mehr an den Stollen. Im Laufe
der Zeit wuchs an der Halde Gesträuch auf, welches bald den
Fingang des Stollens verdeckte. Wie überall das Volk an solche
oerlassene Bergwerke wunderbare Mähren anknüpft, so geschah es
denn auch hier. Der und Jener hatte es darin rumoren gehört;
andere sahen Flammen drin — kurz, es kam so weit, daß sich
am hellen Tage Niemand in die Nähe wagte. Und die Geschichte
der alten Bille war vollends das Mittel, ihn zu einem Orte des
Schreckens zu machen. Der Stollen war zwar außer Thätigkeit
gekommen, und der Steiger hätte können an das Silberwerk zu—
rücktehren; der blieb aber da, legte Fäustel und Eisen bei Seite
und wurde ein — Bauer.
Das war kein Werk der bösen Geister, sondern ein Paar
blauer Augen, so blau wie der Himmel im Mai, hatten's bewirkt.
Was können nicht schöne blaue Augen, zumal wenn sie aus ei—
nem so schönen Gesichtchen heraus blitzen?
Unfern von dem Stollen lagen die zwei letzten Häuser des
Dorfes. Dec Bach trennte sie, und über den Bach lag früher
ein eichener Steg, den aber einmal das Winterwasser mitnahm,
und die Bauern meinten, das sei sehr gut gewesen. Kam auch
tein neuer mehr dahin, sondern die Bewohner der beiden Häuser
mußten weiter oben den Bach überschreiten. In dem einen die—
ser Häuser, und zwar in dem auf dem linken Ufer des Baches,
wohnte früher der alte Fried und später sein Sohn Kaspar, wel—
cher nach seinem Geschlechtsnamen Weierich hieß, und eben das
Amt seines Vaters, der Schultheiß gewesen, und seinen ansehn—
lichen Reichthum geerbt hatte. In dem Hause oder besser Häuschen
auf dem rechten Bachufer wohnte ein armer Mann mit seinem
Weib und seinem schönen Kinde, dem blonden Gretchen, mit den
verwetterten blauen Augen.
Wer das Mädchen ansah, dem war's angethan für allzeit.
Die Augen aber waren's nicht alleine. Der Hunsrück ist nicht
arm an schönen Mädchen, und ich möchte fast sagen, es sei kaum
ein Landstrich reicher dran. Wer das Gretchen sah, mußte aber
alsbald bekennen, daß eine schönere Jungfrau kaum werde gefun—
den werden. Sie war groß, wie alle Hunsrücker Mädchen, und
kräftig gebaut; aber eine Tanne ist nicht schnacker. Ihr Haar
war an Farbe und Zartheit wie der schönste Laubacher Flachs,
und wenn es herabhing, konntie sie sich drauf setzen. Röthere
Bäckchen hatte kein Herrenapfel, und einen Mund hatte sie und
Zähne drin — Nein, die Kirschen von Salzig sind nicht frischer
und der Schnee nicht weißer.
Des Fried's Kaspar hätte müssen stockdumm sein, wenn er
nicht gesehen hätte, welch' ein Staatsmädel da drüben aus dem
Fenster sah. Er hatte auch keinen Waldkiesel, wo andere Leute
das Herz haben — kurz er verliebt sich in das Gretchen bis über
die Ohren. Nichts begreiflicher, wie das.
Man konnte nun gar nicht sagen, daß ihm das Gretchen
hold gewesen; auch nicht, daß es ihn verabscheuet; aber lieb hatte
es ihn nicht. Er war eben auch nicht sonderlich schön. Mit
dem einen Augen sah er in die Brachflur — das heißt, er schielte
mehr, als es nöthig gewesen, um die Leute im Zweifel zu las—
sen, wohin er sähe! Seine Haare waren röthlich, so wie die ei—
nes Kohlfuchses, daher er auch bei dem jungen Volke diesen Na—
men trug; aber er hatte Geld, war der einzige Sohn, sein Va—
—
in Simmern, und da meinten die Alten, das Gretchen saße da
warm. Wenn man's ansah, war's nicht uneben. Vater und
Mutter machten nun, daß das Gretchen mit ihm ging, obwohl
der alte Fried damit nicht ganz einverstanden war; denn Gret—