Spalte 740
„Zwei rote Tupfen, eın schwarzer
Tupfen und ein weißes Pünktchen
auf einer grünen Wiese, was ist das,
Bawettchen?”" Traut Hallbach stützte
sich auf ihre Hände und schaute deı
kleinen Bawett von unten herauf la-
chend in die Augen. „Denk mal gut
nach, Bawettchen! Schau dich ma:
um, Bawettchen! Dann siehst du es.‘
Die beiden Mädchen saßen in
einem Quertal der Leuk auf der
Waldwiese unter dem Felsen und
scnauten über das grüne Land. Die
Herbstsonne hüllte den schwarzer
und den blonden Kopf ın ihren gol-
denen Strahlenmantel, sie spielte mıl
den blonden Strähnen und mit der
dunkelseidigen Locken, die sich hier
und dort unter den weißen Kopf-
tüuchern hervorgestohlen hatten. Das
Strickzeug, mit dem beide bisher 6c
eifrig geklappert hatten, lag im Gras
Bawettchen mußte jetzt so viel nach-
denken über das Rätsel. und Traui
mochte ihr mit der ganzen Kraft
ihrer klugen und strahlenden Augen
dıe Lösung in die Seeıe und auf die
Lippen legen. Doch Bawetts Gesicht
nlieb dunkel, wie der Geist dieses
zleinen, neunjährigen Mädchens. Die
Acuglein irrten hilfioe umher, danr
schuttelte es den Kopf: „Weiß net‘
Turmelte es, und dann hob es die
Stricknadeln vom Boden auf.
Das war nun Bawetts erste Kunst
und Traut hatte sie ihr beigebracht
dus Stricken von rechten Maschen
Einen ganzen Sommer lang hatte die
Sechzehnjährige die kleine Nach-
barın mit auf die Weide genommen
natte die ungeschickten Hände zwi:
schen den ihren gehalten und ohn«
Verdruß die vier kleinen Komman-:-
ins gegeben: Einstecken, Umschlä-
yon, Durchziehen, Abheben! Immer
weder mußte aufgezogen, neu ange-
fangen werden, gerutschte Maschen
Wurden sorgsam aus dem Keiler ans
Licht gehoben. um dann gleich wie-
der in der Unterwelt zu verschwin-
da. Bawett war trage, was sollte
de Qualerei? Es ging ja nichts in
ihren armen Kepf hinein, das Strik-
ken nicht und das Lesen und Schrei-
ben noch viel weniger. vom Rech-
nen gar nicht zu reden. In der erster
Zeit lief sie fort und versteckte sic]
hinter den Holzsteß oder im trok-
kennen Bachbett, wenn die Traut zum
V ehaustreiben rief. Lichber Zing Sie
e ne ganze Hoette vol] krauten für d.e
Geß oder Achren rsafıen oder mit
der Stuanze Acpfel glennen”.
Aber die Traut hei nicht locker
„Du mußt etwas lernen, Bawett-
chen“, sagte sie, „ich lasse dir keine
Ruhe. Du mußt dich }a schumen
wenn du gar nichts kannst. Alice
I» ate Lachen dich aus, und kein
Mensch will etwas von dır wissen
J der sagst dann: Ach die Bawelti
Pe ist dumm und faul S:e kann nur
Proet essen, sonst nichte Aber wenn
dd stricken kannst Strumpfe. We-
sin. Unterröcke, dunn kammt die
Ami Gret und sazt: Bawettchen
su /t se, du kannst doch sooo schöne
S ıhen stricken, strick mir doch mal
eine Weste, eine hımmelblieie mit
sühernen Knupfen Ich geb dir auch
einen Taler dafur Der Bartels On-
hei bestellt sıch en Paar Socken, das
Seine Resichen ein-n roten Schal mit
geidenen Fransen Und du. Biuweit-
chen, stiickst den Leuten alıes, Was
sie haben wollen Dann sind se so
fCh on VI r ia Ai res sm
‚ach der Schichv
3anzen Sack voll Geld. Dann ist
jeine Mutter aber stolz auf dich.“
So redete die Traut, wenn sie die
zleine Widerspenstige an der Hand
führte, nein, mehr zerrte und zog als
"ührte. Im Anfang wenigstens. So-
jald die Bawett nach einem langen
ınendlich geduldigen Unterricht
>ndlich ganz allein eine Masche zu:
vege gebracht hatte, da wuchs ihı
Zelbstbewußtsein ins Ungemessene
Jnd jetzt strickte sie einen Wasch-
appen. Es war sogar schon nich‘
nehr nötig, daß das ganze Gesich!'
nitstrickte, bei „Eins“ Stirnrunzeln
jei „Zwei“ Zunge heraus, bei „Drei‘
Zunge herein, bei „Vier“ Backer
ıufblasen, nein, nur die Zungenspitze
jewegte sich kaum sichtbar und wie
riumphierend zwischen den Lippen
So auch jetzt, nachdem sich die
Stirn wieder ohne Denkrunzeln vom
/ergeblichen Rätsellösen über den
jeckigen Lappen beugte. Aber die
Praut war eine Zähe. „Zwei rote
Tupfen, ein schwarzer Tupfen und
>in weißes Pünktchen auf der grü-
ıen Wiese, was ist das, Bawett‘
oorschte sie, und gleichzeitig hob sie
ijen Kopf, um die leibhaftige Lösung,
ıämlich die zwei roten Kuühe, das
‚schwarze Rind und die weiße Ziege
ıuf der grünen Weide zu sehen. Ach
la fehlte ja ein Tupfen! Der
schwarze war weg. Lotichen, das
eichtsinnige Rind. war wieder ein
nal seine eigenen Wege gegangen
Und wie die Traut unter vorgehal-
‚ener Hand ringsum spähte. rief Ba-
vett in ihrer noch immer kindlich
ınfertigen Sprache: Oben auf Fel-
:en is Lott!
„Dann bleib du schön hier sitzen“
‚ugte die Große, „ich mul sie ganz
‚orsichtig heruntertreiben. Wenn sie
erschrickt. epringt sie ab und bricht
noch den Hals. Damit eilte Trau!
auch schon um die Biegung, um de,
Z01t von einer andern Seite her der
Weg zur Felsspitze abzuschne:ider
ind sie den weniger steilen Wald-
ang herunter zu treiben. Von hier
us konnte man den Lauf des Fluß-
’nens eine Strecke weit übersehen
lerseits kletterte der bunte Herbst-
Wald die Berge hinauf. Über seiner
aipfein ruhte der Horizont. er wa:
JEUtE ein wen geirubt von den auf-
steigenden Nedelin und dem Rauch
der Karteffeifeuer, dıe auf den Ack-
<ern brannten.
Vier Festxleider hat der Wald, das
draächtigste trägt er im Herbst. Ein
schiliernder Farbenrausch im m'lder
Licht der mude gewordenen Senne
st dieses Gewand. Fıne Maskernade
var dem Sterben. denken die vor
Lehen Ernttauschten. wenn ihre Au-
sen über die bunte Herbstlichkeit
zleiten.
Traut Hallbach war froh und un-
jeschwert, ihr Blick umfaßte mit
Zntzücken das farbenfrohe Bild und
lieb dann auf dem buntbewegten
Leben zu Füßen der bewaldeten Hö-
nen haften. Unten, an den Leukwie-
zen, tummelte sich eine ganze Schaı
(ustiger Viehhirten. Traut sah, wie
sie sich an den Händen faßten und
ıber das halb ausgetrocknete Bach:
Jett sprangen, Plötzlich gab es einer
Streit, die Buben liefen den Müäd-
zhen mit geschwungenen Peitscher
aach, Doch diese brachten sich bei
len Kartoffelausmachern auf einerr
nahen Feld in Sieherheit, Von die-
ser Freistatt aus sangen sie mit hel-
em Hohn die alten Neckverse zu
hren Gegnern hinüber:
Sieh die Küh’ im grünen Klee!
Wer hüt’sie denn?, cin alter Mann
Was kriegt er denn?, ’ne Leinenhos
Die Jungen. die sind garnichtsnutz
Die Mädchen kriegen die Eier
geback,
Die Jungen kriegen die Schalen.
Die Mädchen liegen im Daunenbett
Rund herum mit Rosenstock”.
Die Jungen in der Stachelbeerheck‘
Rund herum mit Hüuhnerdreck.
„Met Hihnerdreck, met Hihner-
Ireck!“ spottete das Echo vor
zchüsselfels, dessen Rucken das
leichtfüßige Lottehen in einisen un-
jewachten Minuten er<stiegen hatte
Als Traut mit einer Weidlengerte
in der Hand hactıg den waldbewäach-
zsenen Berg hinaufstieg. da kam ih!
an raschelndes Geruüusch entgegen
Schau, es war der echwarze Ausrei
Zer, „Du leichtsinniges Fraumensch“
vief sie atemlos, aber es blieb be
dieser Anrede. denn hinter dem Rınc
auchte die Gestalt eines Müunnc-
auf, des Zigeunerbarons, wie dc
cute ihn nannten. Er war eir
schlanker, wa divibie uhrieee
Mann, dankelnautı gg. Mit sCQ4ubZei
Augen und brauner Hautfarbe, de
als hochmutig und verschlivssen ver:
schtien wär. Er wonnte mit seine:
aiten Mutter. der Zigeunerbalonin
n einem schlobahnlichen Hause am
Zunde eines Plateaus, einige hunde
Meicr uber Feisenmunl dem Hei
natdorf der beiden Viehmirtinn nn
Dort hatte Frau Düunnir. so hieß die
Zigeunerbharanin in Wirklichkeit
anen ausgedehnten Besitz, der aber
such dem frühen Tode ihres Gatter
mmer mehr verwilderte. Viele Mor-
sen chemauls fruchtharen Ackerlam«
des hazen brach dıe Obstbäume wa:
ven uralt und zum Teil schon we:
zen mangelnder Pflege verkummert
Nur der Wald. aus nerrlichen
Eichen-. Buchen- und Fıchtenbe-
ständen bedeutete immer noch einer
beachtlichen Reichtum.
Traut hutte den Baron schon oft
aus der Ferne gesehen, wenn er m:
seinen Hunden und dem Gewehr ir
Arm uber die Sturzäacker geschuitlin
war oder auch hinter dem Pflug und
neben dem Wagen, denn auf der
Hof war nur ein alter Knecht, und
wenn die Arbeit drüngte, etliche
Tagelehner,
Sie erschrak, uls der duste1e Her.
so unvermutlet hınter den schwur
zen Rind auftäuchte, ..Das leicht:
sinnige Fraumensch, dus nicht au
wine Kühe aufpaßt, bist wohl du“
.ae%a Acır Macs bhsziecech Pr war 1et7'
“OPFSCHMFT
„ ww
Erkaitungsrustände, Zahn.
schmerz, Schlaflosigkeit, Rheuma,
Schmerzen, Periodcabeschwerden
WEIGEN Au!)
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(HAFFLIKE HOLLN
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prompt behoben
Kalf-lıneg = HOLL + schul! gegen
Schnupfen, Nerven, cht C'1eh ug
GrunLe, — In alien Apz't Fcaen
— A-bten Sie a! die yeselrzlich
geschulzte Mala ce Kalt. lıne
af 1x {V. 2419. P. 12002
Nummer
VON MARI
— A,
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A
X
aus den niederhängenden Aestei
herausgetreten und warf einen miß-
billigenden Blick auf das Mädchen
Doch kaum hatte er es ins Auge ge-
faßt, die hohe, noch kindliche Ge
stalt. die großen erschreckten Auger
im erhitzten Gesicht, die vom eili-
gen Lauf zerzausten schwarzen Lok:
ken, da verwandelten sich seine
streng-gleichgültigen Züge. Er bliet
stehen und starrte das Mädchen ir
ungläubigem Staunen an.
..Jeanette“. rief er fragend. .Jea
nette, bist du es denn wirklich?“
„Ich heiße Traut, und mein Vater
st der Rüädermacher Hallhach ir
Felsenmühl‘, sagte die Hirtin ver.
wirrt. „Ach so“, entzegne«te der
Mann, .ich dichte — na, du has!
mich an eine Bekannte erinnert‘
zetzte er kühl hinzv. „Es ist dun:
kel hier im Gebüsch.‘
Damit drehte er sich um und ginz
mit lanzen Schritten nach der ent-
zegeng« setzten Richtung Auch Traui
wandte sich und glitt uber den glat-
ten, abschüssigen Waldhang. Als sie
sich einmal umschaute, glaubte Sie
am Rande des Gehölzes, an eineı
Stumm gelehnt. den Ba:ıon zu seher
me
-i6se]}
Saarbrücken,
Dudweilersir 49a
wie er ihr nachstarrte. Aber s“”
konnte sich auch getäuscht haben.
Am Abend erzählte Traut ihr klei-
nes Erlebnis daheim und fügte hin-
zu: „An was für eine Jeanette mag
er wehl gedacht haben? Den Namer
gibt es 1@ hier in deı Gegend gar
Nicht.“ Matthias, ibr jüngerer Bru-
der, zwinkerie mif seinen lustigen
Augen und sagte: „Vielleicht an dd
Jungfrau von Orluans, Sie War doc}
eine Hırtın, und wr oiet ein Franzost
Und wie du mis der Rut- neben del
Lett etaznriest, er ist 2a imwper am
Traumen, der Z.geunerbaren.“
Was naben wir doch lur einen SC
scheiten Matti, spotterte dir Mutter
Es wuide noch eine Weile uber de!
Vorfall hın und heigeredet. und
dann würde er Vergessc3h
Erst Zwei Jahie spater Lam er di
Traut wieder ins Bewuhtscin. Di‘
war. yis die Frau Danni- chen ar
pH Burg Cine Divostrminen suchte
Bei HaliLuchs Wur Jetzt die dritt!
Tochter aus der Schule gekommen
and die Mutter meinte, sie konnt
zwei enzbehren, Die zwu0.1€ War Kın
dermauadehen im Luhrzerhause, UN
Traut selite irkendwohln in Stelhum
gehen. Das hatte sie gein getan
wenn sie damit nicht ıhr gelichte
Heimuttal, das so warm und so gr?
AWwischen den bewaldeten hohen Ber
gen eingebettet lag. halte verlasse)
mussun. Sie hielt es nun einmaä
Nicht aus in der Walt vor Lwuter Ver
landen Einmal wall sie am Rhbei
be: entfernten Verwundten fe wese!
vier Wochen soli!te der Auf-nthäl
davern, mit einem Korb voll Kle:de
und Wausche war sie abge: ückt, übe
nach drei Tagen stand mie schen wie
der ın der kieimen Stube in Folsen
mun! Sie hatte es einfach nıcht ar
gehalten,
Die Kleinen Leute des Borfes
der Umechung brauchten
Diese ty Acc kom und oancderı
MW dd)