Full text: Nach der Schicht (48)

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Wuchergold und Blüten 
Kleine Mutter Liesel 
Liebe Kinder! Gestern habe ich einen Spaziergang durch unsere 
blühenden Wiesen gemacht und mir einen Sirauß der großen Margareten- 
blumen gepflückt. Sie wachsen bestimmt auch bei euch. Wenn ich sie 
sehe, tut es mir immer leid, daß diese herrlichen Blüten einen solch 
schrecklichen Namen haben; denn eigentlich heißen sie ja „Wucher- 
blumen“, Warum? — „Weil sie sich so weit verbreiten und überall 
wuchern wie das Unkraut“, habe ich einmal irgendwo gelesen, Aber 
ich weiß noch einen arderen Grund 
Neun und sieben Jahre alt sind 
die beiden Mädchen vom kleinen 
Bauernhof. Lydia und Liesel heißer 
sie, Ihre Namen sind kennzeichnend 
für sie. Lyvdia, nach einer entfern- 
ten Verwandten genannt, ist ein Mäd- 
chen mit großen dunklen Augen 
blassem Gesicht und langen dunklen 
Züpfen. Sie hat ein stilles, ernstes 
Wesen, lesen und 
basteln ist ihre 
hebste Beschälfti- 
gung. Wie anders 
Liesel! Sie ist 
klein für ıhre sie- 
ben Jahre, blond 
mit strahlenden 
Blauaugen und 
dicken Pausbak- 
ken. Immer lustig 
— nur bei schlech- 
tem Wetter ist sie 
zu Hause. sonst 
wird draußen ge- 
tollt und gespielt, 
am liebsten auf 
der Weide Alles 
Getier liebt sie 
von ihrem Täubd- 
chen „Ruckdiguh“ 
bis zum Füllen 
„Frieda‘, mit dem 
sie um die Wette 
auf der Weide 
springt. Ja das :s1 
Liesel. doch nem 
das ist sie nıcht 
ganz. Wie »unf1 
und behutsam 
kann Liesel sein 
wenn sie mit wei- 
nen geschickter 
Bewegungen dem 
kranken Spitz das 
verwundete Bein 
verbindet oder die 
jungen Kaninchen 
fuüttert, Dann Gis1 
Liesels Gesicht 
ganz verandert Dann ist sie ein 
richt!ses Mutterchen 
Ist es zu verwundern, daß Liese 
sich brennend eın Bruderlein wünscht 
das man richtie halten und mit derr 
man richtig spielen kann. wenn € 
zroß ist. Mit! der Leseratte Lydi: 
ist Ja so nicht viel zu machen. Of! 
schon hat sie der Mutter ihrer 
Wunsch geäußert. doch meist zur 
Antwort bekommen: „Ihr zankt zu 
oft wenn nun noch ein Brudercher 
da ware, wurde es noch schlimme! 
sein.“ Seit die Nachbam eın suße 
Mädelchen ın der Wiege liegen ha- 
ben. ist auch Lydia begierig, ein 
Bruderchen zu bekommen. Von jetz‘ 
an bettein beide die Mutter. 
Al; die Tante aus der fernen Stadiı 
eines Tages zu Besuch kommt. wiırc 
sie gieich besturmt: „Wır krieger 
ein Bruderchen Noch nnicht ge- 
Tude. wır haben Boch Nicht alle; 
parat, aber wir zwei heifen, danr 
Beht es schneiler “ 
Uni Taesel Dpauckt die verdutzte 
Tante bei den Handen versucant mi‘ 
ıinr herumzuwirben lachend. kra- 
hend. ram pelnd Po Rridearchoan! 
Dann surst der hene Worb LWUm,d 
wieder hinaus draußen hört mar 
&J6 hust!g sinsen Was alles Eripah 
nen und Strafen nicht erreicht 5urte 
Aus haut Ge Fruartanz des RBrü 
rohen feriz 
Eine: Taves kommt I. 686] 5061 arz‘ 
Zur Alcller Sic Halle ave Nail Darts 
Kinderen weiner vehort und nur 
ist eın Zweifel ın ıhr wach gewor- 
jen. ‚Mutter‘, sagt sle, „Wenn Uns» 
Brüderchen nun mal weint und «€ 
schläfst und hörst es nicht, w, 
jann? Auf einmal verstickt 
dann!“ Angst verdunkelt die Blaı 
augen. „Nein“, tröstet die Mutte 
‚ich höre es schon, und ein bißch- 
Schreien schadet dem Kindceh- 
nichts.‘ 
war einmal ein reicher Mann. Der hatte eine Truhe 
voller Golastücke, Aber er gab den Armen nichts, 
noch nicht einmal ein Stückchen Brot... Die Beitler 
‘agte er von seiner Türe fort, und wenn sie nicht 
Zie1ch gehen wollten, hetzte er seinen bösen Hund 
auf sie. Eines Tages kam eine Witwe zu dem Geiz- 
hals. Ihr Mann war vor einem Jahr gestorben, und 
sie arbeitete Tag für Tag im Weinberg reicher Win- 
zer, um sich und ihre Kinder zu ernähren, Als sie 
eines Abends heimkaum, da lag ihre einzige Kuh tot 
im Stall. Nun hatte sie keinen Tropfen Milch mehr 
für ihre Kleinen, Sie war gezwungen, eine neue Kuh zu kaufen; aber e: 
fehite an Geld. Da bat sie den hartherzigen Mann, ihr Goldstücke zu 
leihen. Der willigte ;ofort ein; denn wer anderen Geid vorstreckt, erhäll 
immer mehr zurück. als er ihnen geliehen hat. Das überschuüssige Geic 
nennt man Zinsen, Man darf aber nicht zuvie] Zinsen verlangen, sonst 
ist man ein Wucherer. — Die arme Frau konnte also eine neue Kuh 
kaufen. Aber schon nach einem Jahr wollte der 
böse Mann das Darlehen zurückhaben und dazu noch 
genau so viel Zinsen. Die geplagte Mutter bat und 
flehte, weinte und jammerte; aber vergebens! Sie 
hatte ja gar nicht so viel Geld Da nahm der Wuche- 
rer ihr einfach die Kuh aus dem Stall und behiell 
sie für sich, bis das ganze Geld bezahl‘ ware. Nun 
griff die stratende Gerecht‘skeit Gottes ein, Er 
schickte nacht» e.nen Engel ın die Kummer, wo die 
Truhe mıt den Goldstüucken stand, Der Basewicht 
‚chlief daneber: und hatte den Schlussel 9er Kıste 
anter dem Kop‘kıszsen Aber ein Engel braucht kei- 
nen Schlussel, Streng sprach er zu dem Wucherer 
„Zur Strate fur aduemen Geiz wird all den Gold in 
Blumen verwundert mit vielen weißen Blatitechen 
rundum: die sollen aussehen Wie die Zungen, womif 
die armen Menschen aich bei Gett verklagt haben . 
Dann berührte der Enge! den Deckel der Truhe mit 
der Hand, Sie spranz auf, und wirklich, Sie war 
gefullt mit vielen groben Margaretenb.umen, Der Engel offnete das Fen- 
sier und streute sie hinaus in die Luft, Die trug sie fort ın alle Gegenden 
wo sie Wurzel faßten und die guten Menschen ertreuen bis auf den 
heutigen Tag. Als 
der Geizige seine 
leere Truhe sah, 
stand ıhm vor Er- 
regung das Herz 
still. Er fiel nieder 
au! den Boden 
seiner Kammer 
und war tot. — 
Nicht wahr, liebe 
Kınder, dies ist 
eine ganz ernste 
Geschichte, an die 
die weißen Blat- 
terzungen Euch 
immer wieder er- 
innern sollen. da- 
mit ihr allezeit 
gütig und hilfsbe- 
reit seid. Pfluckt 
einen Strauß und 
stellt ihn in Eure 
Stuben! Und wenn 
ihr für das gar 
schone Fronleich- 
namsfest Wucher- 
blumen sammeln 
dürft, um dem lıec- 
ben Heiland den 
Weg zu schmuk: 
ken, dann denkt dabei: „Mein Jesus, Jude üeeser Blüten soll ein Gebet 
sein für die hartherzigen Menschen, dünmit sıe sich berühren und wuhre 
Nächstenliebe uben!- Ich weiß, daß Ihr das gerne tut, und ich sche Euch 
schon im Geiste eifrig an der Arbeir 
Das KHausmüutterchen 
Liese] antwortet nicht, abe: 
Zesicht helit sich nicht auf. 
werd’ schon aufpassen‘, nimm' 
sich vor. 
Am nachsten Morgen war die 
ter nıcht ganz wohl und des) 
nıcht zur gewohnt fruhen Stul 
aufgestanden. Im Halbschlaf 
ne auf einmal ein jeises Wimm- 
joch weiß sie nicht recht. ob 
;raumt oder ob es Wirklichkeit! 
Da ist e& wieder, dres leise We: 
Hm — hm — hm‘. 
Nun kt sie hell wach, es w+ 
wirklich jemand Ist es Liesel? 
ze recht überlegt, wird die 
aufgerissen. Liesel steht da, 
am Nachtskittel, die Haare wir 
das erhitzte Gesicht. ‚Siehat 
siehst du, jetzt hab’ ich gewein 
wenn ich unser Brüderchen wär 
du hast nix gehart. Bei dır 
uns‘ Bruderchen net bleiben 
müß zu mir ins Bett. ich Ss 
ocht, wenn €: weint" T 
A t6rn in den Blauatigen, die 
‘efstem Vorwurf die Mutier 
schauen. Die lächelt KK 
Stropp Cu. du wirst mir heifer 
Dassen. Unnetig soll das Brudi 
licht weinen, da hast du recht 
aun schnell wieder in's Bett" 
S’chtiich erleichtert {acht 
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Is! es natız zu erzahlen ww 
end Lese! dus Bruderchen u: 
Wie nes Spiel und alle 
verdamn ert und nur menr a 
dpvosen Herr und Sınn des 
Alacdehens erfüllt“ 
E52 Märchentante
	        
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