Full text: Nach der Schicht (48)

Nummer 19 
„Nach der Schicht“ 
Seite 30 
DIE SOME 
ROMAN VON MAX KAMMERLANDER 
Copyright by Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wie, 
(19. Fortsetzung) 
£s trat auf einmal auf der Kanzel 
ine kleine Stille ein. Markus 
glaubte ein Zusammenkrümmen der 
dunklen schmalen Gestalt zu erken- 
nen und ein schmerzliches Erbleichen 
des Gesichtes. Er wußte, daß den 
Mann dort oben sein unbarmherzi- 
ges Leiden überfiel. Wirklich sank 
der Pfarrer mit einer langsamen 
gleichsam ganz erschöpften Bewe- 
gung zum Knien hin. Nein, es war 
kein volles Versagen, wie Markus 
einen Augenblick bangte. An der 
Kanzelbrüstung schlangen sich die 
Hände ineinander. Es war die Bän- 
digung des Schmerzes und es war 
auch das Falten zum Gebet. Und nur 
"kirchen 
-äsche 
“ne Preise 
Damen- ung H- 
Große Ar-- 
9) 
sprach die Stimme weiter, leiser und 
gleichsam voll innerster Not: 
„Es ist eine große Dürre gekom- 
men. Die Wälder brennen draußen 
ım Land. Glaubt nicht, daß dies nur 
ein Zufall ist. Alles Erdgescheher 
ist ein Gleichnis Gottes und ein Zei- 
hen. Es brennt der Wald und es 
drennt die Welt. Last uns dies Zei- 
hen verstehen und mit dem rechter 
Herzen um den Regen des Himmel: 
bitten! Wir wollen nach dem Amt 
mit dem Herrn hinausziehen über 
die Wiesen und Fluren. Wenn er das 
Unheil von uns wenden soll, dann 
Müssen wir bereit sein, auch für un- 
seren Teil das Mögliche zu tun. Und 
da hab ich mir gedacht, daß wir uns 
bereit erklären Sollten. einıge von 
den Kindern, die in den Stadter 
hungern und die wohl die unschul- 
digsten Opfer dieser Kriegszeit sınd 
bei uns aufzunehmen. — Es sagt das 
erste Gebot: Du sollst Gott lieben 
aus deiner ganzen Seele, aus deinem 
ganzen Herzen und aus allen deinen 
Kräften. Das zweite aber ist diesem 
gleich, das heißt, es ist das gleiche 
Gebot. Es lautet: Du sollst den Näch- 
sten lieben wie dich selbst! Denn in 
jedem Menschen steht nach unserem 
Glauben Gott vor uns. — Merkt 
euch: wenn wir die Gebote nicht er- 
füllen, dann kommen sie immer ge- 
waltsamer wieder. An die Stelle der 
Gewalt Gottes tritt dann die Men- 
schengewalt Die Menschen, die mar 
aus ihrer Not nicht erlöst, sie wer- 
den sich um ihr Lebensrecht em- 
Poren, sie werden sich mit Gewal 
holen, was man ihnen verweıgert 
Rettet die Weit. ehe es zu spät ist 
Auch ıhr, jeder von euch kann Sie 
Mit erretten. Bereichert euch nich! 
an der Not eurer Mitbruder, sondern 
helft, daß das Gericht am Ende eurer 
Tage nicht heißt: „Ich war hungrig, 
und du hast mich nicht gespeist! Ich 
War ohne Obdach, und du hast mich 
Nıcht aufgenommen! Amen.“ 
Maürkus war erschüttert. Da hatte 
Ihm immer geschienen, die Lehrer 
der Religion wären etwas Abgestor- 
benes und hatten keine rechte Gul- 
lNgkeit mehr in dieser neuen Zeit — 
+Nd jetzt sah er. daß dies Christen- 
luım in seiner Forderung an dıe 
Menschen so lebendig war wie Nur 
je, de dies Christentum allein aus 
dm dunklen Chaos der Zeit einen 
Weg zur Rettung weisen konnte. 
Markus ließ seinen Blick heimlich 
Nber die nächsten Gesichter hin- 
sen ob sie ergriffen wären wie €r 
Doch sah er nur Dumpfheit, so wie 
tie Luft dumpf war in dem einge- 
;perrten Raum. Er fragte sich, ob 
lese Bauerngesichter ihr inneres 
irgriffensein vielleicht nicht zeiger 
tönnten. Oder war es wirklich so 
jaß die harte Wochenarbeit der: 
zeist so schwer gemacht hatte, daß 
'r nur noch an allem Irdischen hing‘ 
Zornig fast blickte Markus auf die 
lerbe Dumpfheit. Struppig stand auf 
ien Köpfen das Haar, von dem fur 
lie Dauer der Kirchzeit einmal die 
lüte abgenommen waren. Die Stir- 
ı1en darunter schienen in den Falten 
les täglichen Sorgens und Werken: 
z#leichsam zusammengedrückt. 
Und doch kniete nicht weit vor 
Aarkus ab in einer der letzter 
K<irchbänke ein Munn, der wahrhaf- 
äg bis ins tiefste Herz aufgerissen 
war. Es war der Sugmeister mit sei- 
ner massigen Körperlichkeit, die in 
jer engen Bank kaum Platz fand. Er 
«niete in sich gebeugt, als hätte et 
»ine große Last zu tragen. Als ein 
Mensch, dem eine seltsame Kraft der 
Vaturschau gegeben war, sah er die 
Norte des Pfarrers in biıldlichem Le- 
»)jen vor sich. Sah er wie in einer 
ıngeheuerlichen Vision den brennen- 
len Wald. das Zunglein der roten 
"lammen, hörte in seinen Ohren das 
£nistern und Prasseln und spürte 
las an den Stämmen und Rinden 
’mporfressende Feuer fast wie an 
einem eigenen Leib. Er schnaufte 
chwer, er betete dagegen, er wollte 
lien Blick mıt Gewalt von dem 
Schreckensbild auf die vor ihm 
inıenden Gestalten, in den Raum der 
<irche richten. Vergebens. Und da 
vußte er, daß er die Wahrheit 
;chaute — denn beim Tod seines 
Veibes war es ihm auch so ergangen 
iaß er sie etliche Tage vorher mit 
ien brennenden Kerzen daneben auf 
hrem Bett hatte aufgebahrt gesehen 
Die Bittprozession zog durch die 
Viesen. Voran gingen mit ihrer 
oten Röcken und dem weißen Ober- 
leid drei Ministrantenbuben. Der 
mittlere trug ein Kreuz, während die 
»eiden andern rechts und links von 
hm Kerzen in den Händen hielten 
Die waren von einem heißen Luft- 
ı1auch freilich schon längst ausge 
vscht 
Hınter den Ministrantenbuben folg- 
en die Schulkinder. Dre unschuld 8- 
ten Bitter wurden an den, der uber 
Die guten 
V ’ 
SONOTA + Gerote 
in allen Preisiagen von 
Sonne und Regen thronte. voraus- 
geschickt. Von Paar zu Paar wuch- 
‚en die Kinder gıußer an und den 
Abschluß bildeten zwei Schulschwe- 
tern unter ıhıren weißen Flugel- 
yuuben Dann kum das JunkeiC 
Weirbavolk, und nun die Dirndin" 
7anter den eisten Zıngen Martına und 
YJaus Vevele nebeneinander hır 
Markın duckte sich ein wenig hıin- 
er das SunleicCk Zara KO an db m 7 
aand Nach dem Amt halle €P os" 
aazle.ch fertae macht und hatte au/:ı 
dem Dorf gewurlien Wenn sich de! 
Aa wohl wenden wurde Dann w +! 
ar rasch zu dat M Stade] voran. 
zlaufen, sıdı gun PL, 3 # 
46 lundlche Prozession an SICH Ve - 
er Me A Sp He Dan ML 
aber, als er Maurtinas ansichtig 
wurde, wußte er, daß aller Drang 
nn ihm nur nach ihr, nach ihrem An- 
olick gegangen war. 
Da stand er nun, gleichsam von 
;ich selbst ertappt, und es war eine 
<lare Stimme in ihm, die ihn der Lä- 
herlichkeit seines Tuns verwies, die 
hm sagte, wie arg seine Enttäuschunz: 
vachsen mußte. wenn er wieder unc 
vieder vor der Wırtin stand, zu der 
ich der Knecht nie erheben durfte. 
Dennoch mulste er schauen unc 
wugte sich wieder mit cinem Auge 
ıinter dem Stadel hervor. Marting 
war schon ein kleines Stuck weiter- 
zeschritten. 
Er schaute ihr nach, bis auch das 
'etzte Zipfelchen von ihr hinter 
ner Wegkrummung und hinter den 
mmer neu vorbeiziehenden Wall- 
ährern verschwunden war. 
Doch jetzt kam der Pfarrer. Eı 
ıatte seinen weißen Chorrock an unc 
rug mit den Händen ein kleines sil- 
»ernes Kreuz vor der Brust. Mit lau 
er Stimme betete er. denn er war es 
jer die Litanel vorsprach. Unver: 
wandt hingen Markıms Augen an den 
Zesicht, das wie von überwundenerr 
Schmerz leuchtete. an dem Mund 
jer laut und wahrhaftig opfernd um 
jes Huchsten Hılfe rang. Wie schwer 
nochte dem tapferen Mann vielleicht 
jeder kleinste Schritt sein, nachderr 
ar schon auf der Kunzel von seiner 
Schmerzen überfalien worden war 
Doch er ging und ging. — 
Hinter dem Pfarrer folgten nu) 
1och die Burschen und Männer. Al: 
he Letzten voruberkamen, schlof 
ach Markıs für ein kurzes Stuck de, 
Weges hinten an. Er hatte lange nich! 
nohr gebetet und +0 blieben Keine 
Lippen auch jetzt verschlossen. Abeı 
ar wollte zeigen, sich selbst vor aliem 
zeigen, daß er sıch der Bıtte des Dor- 
Tes zugesellte und daß er nNıcht an- 
jers scin wollte ai die Bauern. 
Der Hımmel lag gleichsam fremce 
iber dem Tal. wie hinter truben 
zrauem Dunst. Es standen zwar hohe 
Wolken in diesem Himmel, aber sie 
aingen regungslos und s1e turmter. 
sich aus eich seibst empor, gleichsam 
zo. wie von einer heißen Herüplatte 
ein Tropfen Wasser anfzischt und ın 
xveißen Dampf verzecht. 
„.. erbarme duh unser!“ betete 
die Prozessien 
Alsdann de ersten RBıttzanger ‚Do 
Sonnwitlehauds ein henrten, stand 
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Markus schon w.otend urler der 
Tur. Über einem Gartenzaun hatte 
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Wirtshaus eine stillschweigende 
Trennung zwischen dem Weibsvolk 
und den Männern. Die Weiber nah- 
men den Weg zu den Höfen hinauf, 
den Mittagstisch zu rüsten, die Män- 
ner hatten Weile zu einem Trunk, 
zu einem Wort über Dorf und Welt 
Und jetzt kam sie. Sie ging mit 
diem alten Peter voran, hinterdrein 
’olaten das Vevele und die Moid. Die 
hatte er bei dem Bıttgang vollig über- 
sehen. 
Martina kam über die Stufen em- 
por auf ihn zu. Fest drückte er die 
Rose in der Hand. »0 daß ihm ein 
kleiner Dorn in dıe Haut eindrang 
Und es geschah Murkus, daß ihm vor 
Martinas lichter Schonheit auf eın- 
mal das Herz zu klopfen begann. Da- 
war ihm. der aus den schlimmsten 
Kriegsgefahren Rum, so verwirrend 
neu und seltsam. daß ihm das „Gruß 
Sott!“ auf den I.:ppen blieb. 
Und Martina war mit einem Lä- 
Ahein der Genautuung nah vor ihr 
— es war, als ob sie ihn mit- 
samt seiner Ro-e ganz verstunde -- 
doch im alierletzten Augenblick Wies 
sie mit einer kieinen Kopfwendung 
hinter sich und sagte: 
„’s Vevele kimmt g eich.“ 
Damit war sie schon an ihm vorbe 
und trat rasch durch die Haustur 
hinein. 
Blutheiß war ihm geworden und 
er konnte sich nur mit aller Gewal’ 
zusammenreıßen. Da kam auch schor 
Gegen SOMMERSPROSSEN 
ist CREME ANY seit mehr als 50 Jahreı 
mit Erfalg empfohlen. CREMPF ANI 
macht Ihre Sommersprassen ver chwinden 
ic sie die na’Uurlıche Pigmentat!nz 
rer Haut erleichtert. In allen Apolhek 
das Vevele uber die Stiege herär 
— vielleicht hatte es Maurlınas an- 
kuüundende Worte gehort, denn es hot 
;hm ein kleines Lauchein entgegen 
„Nett schaust aus, Vevele‘, saete 
er, halb aus seinem Trotz gegen Müar- 
tina halb dem Dirndl zulicbh. 
Guucksch, ein Wenig schnadfend 
vom Stiegensteigen, Dieb das Veve.e 
vor ıhm stehen Die ghurt ja nıl 
amal mir, die Tracht, suite 6s und 
lachte eır bßi uus sich heraus 
„Der Martına zgnert sie TI hab ya nocı 
Bar Keine, weıl ı on der Stadt gweuT 
5m Wicct die Maırtina Che man) 
nA wenn aLne Non den Dorabr 
stadtisch gent Ung sie Nalts audı 
richtig Zwei nt EL be ag dern 
Dirndin ae oa ser de Tilent sabn 
Aartına Ve At PM EI DE 
uch wieder 8el ot ‚eo de in der 
Trachten dd 5 .06t0e Stlrdes Baneıa 
ums neu) beiatf machen we ie 
echt Martina wor das 
Das Verele nicht ganz Zu Vet S- 
en und ım Zurn noch immer 6 vcHnm 
Murtina hob er dem Direar 68cm 
schnell, de Race hin „Die gehortt dir 
Aber Daß auf daß ch nıcht Stich 1" 
AIen * konnt das Vevele tor 
sa Wie an enem Wort er 
PT ne Wandse Seine T m! 
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Zum ersten Me kam Markus of 
dies TI Augen Ko en Zwei! MW 
Kanz tech war Wis er hat Urd zu 
PA a. fl man Box on AS amt 
A Afit Ce saw ee UT em WB OF 
aus der Taur mut Ahrennsnnen AUS 
Zarucks ah Abe sagte an dem VW“ 
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schan wu! aut: Das Tere; Wi DOG 
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Kult Hematıyıcı KEIL ulm 7
	        
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