Full text: Nach der Schicht (48)

Se‘) 
> 
(9. Fortsetzung) 
Je Mutter erwog: „Ich empfinde 
= in diesem Buche als unecht. daß 
oe: Bauer darin als ein grausamer 
Ser: dargesiellt wird.‘ 
„Die Grausamkeit ist aber im Sü- 
ien Kuropas zu Hause”, erklärte der 
3Zaron. ..Dort ist sie Natur, gehört 
‚um Leben. Ich denke an die Stier- 
aämpfe.“ 
„Tritt sie im Norden auf, ist sie 
ast immer etwas Krankhaftes‘, ver- 
äicherte der Doktor. 
Lautlos bewegten sich der alte 
Dienır und sein junger Gehilfe um 
jen Tisch. Die Gespräche zwischen 
Jem Baron und Emerenzia wurden 
ılmüählich so lebhaft wie einst, als 
je oft die ganze Gesellschaft umter- 
aalten hatten. Nie zeigte er sich an- 
jeren gegenüber so sorglos froh 
Ind vielleicht glückten die raschen, 
ıeiteren Antworten der Bürgermei- 
;terin nie so sehr wie in den Ge- 
;prächen mit diesem etwas bären- 
ıaften Menschen, den sie wohl 
;chützte, aber niemals ganz ernst 
zenommen hatte. 
Anfangs hörte Bengta nur verwun- 
Jerl zu, ohne so schnell begreifen zu 
zönnen. Allmählich aber wurde auch 
:je von dem scherzhaften Ton der 
ılten. lebendigen Frau eingefangen. 
Während der Baron zur Freude aller 
‚at. als verstehe er nicht, lachte 
Bengta herzlich und viel zu laut. 
Ihre gesunden, schr zerade gewach- 
senen Zänne blitzten auf. Ihre Wan- 
zen hatten vom Wein etwas erhöhte 
Farbe bekommen und die hellen 
Augen einen slarkeren Glanz. 
Der Baron sah sie am, versuchte 
aber noch immer. ernst zu bleiben. 
Sein Gesicht verriet dem Doktor. 
1aß es ihm ein Genuß war, zwischen 
jiesen beiden völlig verschiedenen 
WKyayen zu sitzen, von dımen jede in 
hrer Art elwas Ganzes darstellie. 
Sven Grühne betrachtete unbe- 
merkt die Mutter. Von der kleid- 
samen weißen Haube hing ihr das 
>ıne der beiden breiten Bänder aus 
Spitzen uber die Brust hinab. Die 
je'lzrauen Kanonenlocken umrahm- 
ren das schmale Gesicht und ließen 
a noch vergeisiigter erscheinen. 
Auch ihre maseren Wangen waren 
eicht gerötet, und die dunkelblauen 
Augen schienen, wie gewöhnlich, 
wenn sie lebhaft wurden. schwarz 
ru sein. 
Der Doktor meinte oft hinter dem 
Gesicht der Mutter ihre Vorfahren 
zu sehen, die einst zu den Kultur- 
'rägern des Landes gehörten. Man 
wußte noch. daß sie es abgelehnt 
zatten, sich adeln zu lassen mit der 
Begründung. daB sie es nicht nötig 
nätten. 
Als er dann wieder seinen Blick 
auf Benyta richtete, mußte er eın 
Lächeln unterdrücken, weil in ihrem 
Gesichte über dem gla!ten weißen 
Kragen und der schonen alten 
Brosche in Schwarz und Gold der 
zanze berüchtigte Stolz der Skane- 
dauern sich erkennen ließ. Er wußte, 
duß diese freien Bauern, die auf 
‘hren greßen Hofen saßen, sich fast 
Nico kleine Könise vorkamen. Und 
el von diesem Stolz steckle in der 
Mares el!. Ja. er meinte, wenn er ihr 
© Stockhoim auf der Straße begeg- 
net wale, hütte er ihr ansehen müs- 
‚en, daß sie eine Bauerntochter aus 
Skäne sei, Und duß diesen Bauern 
nemMand hoher erschien als ihr eize- 
ner Sıuund, wußte die Mutter gut. 
Deshalb hatte sie auch sofart den 
richtizn Ton zu der Mamsel! ge- 
Kunden. 
So weit wur der Dok!tpr. ohne auf 
lus Gespräch zu heren, in seinen 
‚danken gckomiuen, als etwas ge- 
schuh., das sie alle zunachst in etwas 
eniiches Staunen versetzte: Der 
zweite Diener, der e.gentbch ein Ge- 
audfe des Feigters War, beginz beim 
servieren e.nen Fehler, und Bengta 
we ihn zurecht. In einem Ton, wie 
mean Schuler eyzieht, Kurz und ent- 
Sen en site ve‘ Dei muß auvch 
.Nach der Schicht” 
Be: 
% Die Bäuerin aus Skane 
OMAN VON CLARA NORDSTROM 
ZoDwrieth 164-9 *»v H.H. Nölke Verlaa GmbH., Hamburg 
ien Soßennapf wegnehmen, bevor du 
iu die neuen Teller auf den Tisch 
ringst.“ Bis zum Überdruß hatte 
je in der Volkshorhschule die Mäd- 
hen daran erinnern müssen. 
In dem großen Speisesaal war es 
jaanz still geworden. und’ um die 
‚ippen der Bürgermeisterin erschien 
in Lächeln, das aber sofort wieder 
verschwand. Sie wandte sich an den 
jaron und sagte freundlich erklä- 
end: .„Mamselt ist nämlich eigent- 
ch eine Lehrerins‘ 
Bengta errötete. Sie hatte sofort 
emerkt, daß ihr Feuer einmal wie- 
er mit ihr durchgegangen war. 
Nein“, gestand sie wahrheitzgetireu. 
eine Lehrerin bin ich nicht. ich 
‚abe nur einige Jahre die Arbeit 
iner Lehrerin getan.“ 
Die anderen vergaßen bald die 
leine Besebenheit. Nur Bengta ver- 
;aß sie nie. Und dies hielt sie dann 
m Nachmittag von aller Kritik aD, 
Dwohl sie die Tiere und die Stalle 
nverantwortlich verwäahrlost fand 
nd dus 2anze Herrenhaus trotz 
ıllen Wohlstandes. auf sie einen 
lüsteren Eindruck machte. Uberal! 
ahlte die Hand einer Frau. 
Nur das große Schlafzimmer der 
erstorbenen Baronin gefiel ihr. Dort 
tanden dickbauchige, weißlackierte 
1öbel. und ein großer hellblauer 
‘"'eppich bedeckte fast den ganzen 
ußboden. 
Sie war aber jetzt vorsichtig ze- 
‚orden und spräch auch das nicht 
us. Doch der Baron merkte es ihr 
.n. Er sah auch, daß dies stattliche 
Audchen besonders gut in das Zim- 
1er paßte, in dem seine uberzarte, 
‚ränkliche Frau sich niemals hatte 
insgewöhnen können. Diese Bauern- 
ochter aus Skane besaß zu ihrer un- 
‚erbrauchten, gesunden Natur auch 
ıoch etwas So Großartiges, Herr- 
chendes in ihrer Erscheinung wie in 
hrem Wesen. daß er. der die Skane- 
Zauemn nicht kannte, es fast unbe- 
'reiflich fand. 
Fur ihn hatte dies Fest eine beson- 
lere Bedeutung. Ein Lebewoh] sollte 
ss sein an die Huldigung der so sehr 
‚erfeinerten Frau und ein Bekennt- 
ls zu dem naturnahen Mädchen aus 
lem Volke. 
Als er Bengta einige Augenblicke 
ner im Zimmer sah -- während 
;merenzia und Sven nebenan Bilder 
ewunderten ‚kam sie ihm wie 
in voller. aber noch nicht geoffneter 
3Zlumenkelch vor, aus dem ihm star- 
‚er. köstlicher Wein gereicht werden 
vurde. Er mußte sich viel Gewalt 
antun, um ihr das nıcht zu zeigen. 
Am liebsten hätte sie geantwortet, 
daß ihr deshalb von allem hier er 
selbst gefalle. Doch auch dies konnte 
sie nicht aussprechen. 
Ihr Blick halte aber für sie ge- 
;sprochen und jeizt wurde die Ver- 
suchung für den Baron zu stark. Eı 
wollte wenigstens ihre Hand fassen 
Im selben Augenblick rief aber 
Emerenzias klingende Stimme: „Die- 
‚es Bild muß Valdemar uns er- 
zlären.‘ 
Ein Ruck ging durch seine langen 
3lieder. Er war noch gewohnt, die- 
;jer Stimme zu folgen, und er folgte. 
3engta blieb allein zurück. Sie fragte 
;ich, ob der Wein ihn so veränder! 
ıaben mochte. Dann aber vergaß sie 
han und strich mit der Hand prüfenc 
ıber den Stoff der heilblauen Mödel; 
jezüge. Sie hatte sich nicht geirrt 
je waren tatsächlich aus schwerer 
seicde 
Recht schlicht und gar nicht mehr 
ıroß kam Bengta nach diesem Tage 
jas Arzthaus vor. Doch, bis auf das 
schlafzimmer der verstorbenen Ba- 
onın, fand sie es schöner und ge- 
chmackvoller als das verwahrloste 
lte Gutshaus mit den düsteren Vor- 
ıängen an den Fenstern, den lang- 
ıäsigen, hochmütigen Gesichtern an 
jen Wänden und den mottenzerfres- 
enen. ausgestapften Baren. Der Va- 
er des Doktors auf dem großen Bılde 
jatte ein viel regelmaliigeres Ge- 
icht und sah auch klüger aus. 
Der Doktor aber duldete gar keine 
Jorhänge, ja kaum eine Gurdıne an 
len Fenstern, Und als sie anfangs 
o wie es üblich war. alle Fenster- 
ıtzen bis auf eine kieine Luftk'auppe 
nit weißen Papierstreifen und Ger- 
tenmehlkleister für den Winter zZu- 
;eklebt hatte, mußte sie zu-ehen. wie 
»r sie wieder aufriß. Das war eine 
arte Prüfung für ihren Ordnungs- 
inn 
Ja. manchmal ärugerte sie sict 
vohl sehr über den Doktor. Beson- 
jers als eine Patientin verwunder! 
'ragte, weshalb denn hier im Winte 
lie ganzen Fenster geoffnet würden 
»o der Herr Doktor für die Elstert 
iraußen heizen lasse. 
Aber über die Burgermeisterin 
irgerte sich Bengta niemals. Of 
zam sie mit einigen fröhlichen Wor- 
en. gerade wenn sie. Bengta. es am 
wotizsten hatte. Saß die alte Frau 
ım Spinett umd sang ihre froher 
‚jeder. war es. ale seien die Tage 
‚or Weihnachten nur halb so dunkel 
Bald nachdem sie vom Falkenhof 
uruckeekehrt waren. mußte Frat 
Leibbinden - Bruchhänder 
Fußeinlagen 
1. KAISER 
Saarbrücken 3, Paul-Marien-Str.4-6 
Lieferant! aller Kassen 
/ordenm sollte Emerenzia abgereist 
ein. Dieses Mal mußte sie noch die 
Mrste bleiben. 
De halb Mauderte er nur ein we- 
jg mıt Bengta und fragte schließ- 
ich: „Nun, was gefaäilt Mamsell am 
esten in meinem Hause?“ 
Bengta eiTrötete, denn sie muchte 
ıcht sazen, daß es dieses Zimmer 
ei. Sie en‚pfand auch m:t Dünkbar- 
zeit die Güte des Männes, der dem 
\iler nach ihr Vater häaite sein koön- 
sen. und der ihr die Zurech‘weisung 
N sel AcGeın Diener richt verih te 
Grahne einmal mitten in einem 
Musikstück herzlich lachen. 
„Nein. wie war Valdemars Klavier 
serstimmt!“ rief sie zum Doktor hin- 
iber. der in seinem Zimmer arr 
Schreibtisch saß und wieder bastelte 
‚Und auf dem wollte er. daß ich 
;p elen sollte! Gut. daß er mır die 
VKeserunst nicht! Gbelnahns tt 
Bonuta fragie gür nicht, wie man 
m Delsorhiuse Wehbnaächten Zi 
leiern wunschte E. dünke RB 
elhbstverständlıch daR es nırrend: 
Nummer ‘ 
auf der Welt richtiger und schöne: 
zaıgehen könnte als in Skane. Des: 
nalb fing sie getrost ihre Vorberei 
‘ugen an. 
Der Doktor hatte in dieser Zeit se 
‚ziel zu tun, daß er fast nur an seine 
<ranken denken konnte, Die Bür- 
germeisterin malte. wenn der Sohr 
nicht da war. an Lampenschirmer 
aus durchsichtigem, hellem Perga- 
ment, die für ihn und ihre Tochter 
zu Weihnachten eine Überraschung 
;jein sollten. Lauter. Blumen in natür- 
ichen Farben malte sie an der inne. 
„en Seite. Und wenn dann der Schirn 
jber die Lampenglocke aus Milch. 
zlas gestülpt wurde, blendete das 
Licht nicht mehr. Die Blumen saher 
labei aus, als lebten sie, und als se 
las Leben, das in ihnen steckte, vor 
:;inem geheimnisvollen Glück erfüllt 
\ls Emerenzia Grahne sie der Mam.- 
;jell zeigte, blieb Bengta ergrifter 
tehen, nickte aber nur. Dann ging 
je wieder zu der vielen Arbeit, die 
iuf sie wartete. Und die Bürger- 
neisterin malte summend weiter 
uch die Mamsell solite einen Schirın 
‚kommen, und den guten einsamer 
/aldemar Falkenhagen wollte sie 
Tst recht nicht vergessen. 
Dies waren ihre letzten Weih- 
jachtsvorbereitungen, denn die Kis- 
‚en und Decken, die sie fur den Sohe 
ınd die Tuchter gestickt halte, lager 
ichon fertig da, 
Erst am Morgen des 24. Dezember 
>rfuühr der Doktor und seine Mutte! 
on der Mansell. die schon alles da 
Saarkrıone- 
Bohnerwaoachs 
Wird nach ganz oeuen Methoder 
mit einem sehr hohen Hartwachs 
schalt hergestellt 
Saarkrone-Bohnerwachs 
ist trittfest, lichtecht, naß wisch 
bar, erzeugt spiegelglatte Büden 
ohne gefaurkehe Giatte zu verur 
sacber 
‘ur geordnet hatte. daß auch sie die- 
es Abendessen mit Knechten un« 
Miägden in der Küche einnehmet 
vurden. Mit großer Selbstverstund 
ichkeit hatte Bengta davon %espro 
»hen und war dunn wieder ver 
chwunden. 
Die Burgermeisterin, dıe um Fen: 
:ter stand und den wirbelnder 
Schneeflocken zusah, wandte sıct 
ım. ‚Nein, unsere Mamsell!‘ sagte 
‚ie kopfschüttelnd, doch sie lacht! 
jabei. 
Der Doktor blickte etwas befan- 
;en, als verstehe er Bengtas Anord:- 
ıungen. als wisse er aber auch. wit 
‚onderbar sie seiner Mutter vor 
<ommen müßten, die an ein Leber 
n der Stadt zewöhnt war. Noch nie 
ıjatte er sie in einer Küche sitzer 
sehen. „Es muß ja nıcht ulles so ge 
‘chehen, wie die Mumsell es möchte‘ 
enkte er ein. 
„Doch. doch!“ nickte sie, noch im 
ner lächelnd, „wir wolien ihr der 
Wunsch erfüllen. Sie tut so viel für 
uns.“ 
Als der Doktor am Abend am obe 
ren Ende des Tisches zw.schen set 
„er Mutter und der Mamseli saß und 
jie zufriedenen Gesichter seine 
"eute sah. empfand er, daß es so gu 
ınd richtig war. Zugieich merkte @ 
vieder einmal m.t Bedauern, daß @ 
ach mit Menschen aus dem Volk: 
zar nicht zu unterhalten verstunc 
hnen heifen. wenn sie krank warer 
a, das flel ihm nicht schwer, ac! 
Jeles fur sie zu ordnen und zu be 
‚ti mmen. Und er sah sofort. wo € 
hnen fehlte. Aber, was er im übr 
zen N kias oder Josse sagen so)U 
var ihm beinehe ebenso unbezrei‘' 
ich wie seiner Mutter, Und auf de 
"rein ven mor FKına oder Gre‘.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.