Hest 1/1928
die goldschimmernden Flechten in reichen Wellen
über ihre Schuitern sieren. Hastig trocknete sie
die Tränen, die ihr in die Augen getreten
waren, und aus welchen jetzt eine wilde Ent⸗
schlossenheit leuchtete.
„Josef, wenn es wahr ist,“ keuchte sie mit
heißem Atem hervor, „wenn es wahr ist, was
auf diesem Papiere steht, dann sieh dich vor,
dann wehe die und jener, die dich mir abwendig
zemacht hat.“
Vol Leidenschaft sprach sie diese Worte und
dabei gitt ihr Bick zu dem Bilde, das an der
Wand in einem kunstooll geschnitzten Rahmen
hing.
Dieses Bild stellte jenen Mann dar, dem sie
ihr Herz und ihre Liebe geschenkt, um den jetzt
eine tiefe Erregung durch ihr Janeres stürmte,
von dem sie glaubte, daß er sie liebe uad der
—EDV
daran glauben, daß er sich um die Gunst
einer anderen bewarb, daß er jetzt der Gatte
einer anderen werden wollte, nein, nein, sie
konnte und wollte nicht daran glauben, daß er
sie getäuscht, belogen und betrogen habe.
Siarr hestete sie ihren Bick auf das Bild.
Konnte dieser Mann, an dem sie mit jeder
Faser ihres Herzens hing, die Aosicht haben,
sie zu verlassen und zu verstoßen?
Nein, tausendmal nein!
Sie falteie die Hände und als ob sie jenen,
den das Bird darstelte, wirklich beleidigt hätte
durch jene Worte, die ihr vorhin in größter
Erregung über ihre Lippen gekommen waren,
sank sie in die Knie und sprach:
„Verzeihe, Josef, daß ein solcher Gedanke
in mir aufkommen konnte. Ich will nicht
glaubten, was auf jenem Papiere steht, denn
ich weiß, daß du mich liebst, daß du mich nie
verlassen wirst. Ich weiß es,“ und wie ein
frohes Jauchzen ging es durch ihre Stimme,
ich weiß es und kein Zweifel an deiner Liebe
und Treue soll jemals wieder in mir auf⸗
kommen.“
Und sie sprang empor und hob das Papier
auf, das ihr vorher entfallen war, riß es in
tausend Fetzchen und warf sie in die lodernde
Flammenglut des Kamins.
Eine zierliche Standuhr verkündete die sie—
bente Abendstunde.
The ese Rothmayer, die Sängerin des Frei—
haustheaters des Herrn Schikaneder, trat an
das Fenster und spähte in die finstere Nacht
hinaus.
Wohl hatten sich die Wogen der Erregung
wieder geglättet, die jenes Papier mit der An—
schuldigung wider ihren Geliebten in ihrem
Innern hervorgerufen hatte, aber dennoch lohte
in ihr heiße Sehnsucht auf, ihn heute bei sich
zu wissen. In seinen Augen wollte sie lesen,
daß es Lüge war, was auf dem Papier ge⸗
schrieben stand, aus seinem Munde wollte sie
es vernehmen, wieder und immer wieder, daß
nie mehr auch der leiseste Zweifel in ihr
aufkommen könnte.
Sie wartete und endlich kam er.
Mit leichten elistischen Schritten betrat Josef
Gillofsky das Gemach.
„Guten Abend, Therese!“
Sie flog ihm entgegen, breitete ihre Arme
weit aus und schlang sie um seinen Nacken.
„Wie lieb von dir, daß du mich nicht ver—⸗
gessen hast und gekommen bist,. Josef.“
„Nach der Schicht“ Seite d
„Vergessen? Wie kannst du glauben, daß venn es mir auch schwer fallen wird, jenen
ich dich vergessen habe, da doch jeder Gedanke Menschen ganz auszuweichen, da ich als Be—
dir und nur dir gelt?“ imter des Hofkriegsrates viel mit ihm zu tun
Und er beugte sich nieder und küßte ihr habe. Doch nun lass' uns von etwas anderen
reiches weiches Goldhaar. reden.“
Ein B.ick voll ie,en Dankgefühls traf ihn. „Ja du hast recht, Josef,“ sagte Therese.
„Ich habe geglaubt,“ daß ...“ „Lass' uns von etwas ande em reden. Ich will
Aber jäh unterbrach sie sich. gleich beginnen: Hast du mich noch lieb, Josef,
„Josef, du bist heute so blaß.“ so lieb, als in jener Stunde, da du mir das
„Findest du?“ Heständnis deiner Liebe machtest?“
„Und deine Augen bilicken so seltsam.“ Therese legte zärtlich einen Acm um seinen
„Das bildest du dir ein.“ Nacken und blickte ihn an, als ob sie ihm
Und er wich ihren Augen aus. uuf den Grund seiner Seele hälte schauen
„Es ist eiwas vorgesallen, Josef ... ich vollen.
nerke es dir an. Um Gotteswillen, was hat „Warum fragst du so eigen, Therese? Ich
es denn gegeben? Sag' es mir, verschweige zlaube, ich hätte dir seit der Stunde, da mir
es mir nicht, mir, der Vertrauten aller deiner das G.ück dich zugeführt hat, genug Beweise
Bedanken.“ neiner Liebe gegeben. Sag', zweifelst du daran,
„Du bist heute recht sonderbar, Theresel!“ daß ich dich wahr und aufrich.ig liebe?“
intwortele Josef Gillofsky und dabei hatte „Wenn du mich wahr und aufrichtig liebsi.
eine Stimme einen merklich kalten Klang. Josef, dann ...“
‚„Nichts hat es gegeben, was dich ängstigen „Dann?“
zönnte, und wenn du meinst, daß ich heute „Dann löse das Wort ein, das du mir
anders bin als sonst, so mag das seinen Grund gegeben hast, als ich dir mein Herz geschenkt.
darin haben, daß ich eine Auseinandersetzung vib mir deinen Namen, mach' mich zu deiner
mit dem Orlandini hatte.“ rechtmäßigen Gattin vor Gott und den Men—
Josef Gillofsky löste sich aus den Armen schen. Sieh, Josef, ich habe dich so über
Theresens und tat einige hastige Schritte im alles in der Welt lieb, daß ich dich ganz
Zimmer. besißen und deinen Namen tragen will, bis
„Du weißt nicht, wie mir dieser Orlandini an das Ende meines Lebens.“
perhaßt ist,“ preßte er jäh zwischen seinen Gillofeky riß die Augen auf. Auf eine
Lippen hervor. „Ich könnte ihn ... ich könnte dolche Rede war er bei Gott nicht vorbereitet
ihn ...“ gewesen. Ein Zucken lief um seine Mund—
Er krampfte die Hände zu Jäusten und in vinkel, als er sich zu den Worlen zwang:
feinen Augen flammte es auf. „Auch ich habe daran gedacht, dich zu meiner
„Du hattest mit Orlandini etwas?“ fragte rechtmäßigen Gattin zu machen, doch ...“
Therese. „Was hindert dich daran, diesen Gedanken
„Ja,“ erwiderte er und setzte verwundert zur Tat werden zu lassen? Was hinderte
sinzu: „Kennst du ihn? Den Stabsauditor dich bisher daran, jenes Wesen, das du zu
Franz Orlandini?“ lieben vorgibst, heimzuführen?“
„Nur zu gut kenne ich ihn,“ antwortete Theresens Stimme zitterte ein merkliches.
Therese. „Gehörte er ja doch zu denjenigen, die Unwillkürlich dachte sie an das kleine Papier,
sich am leidenschaftlichsten um meine Gunst das ihr heute ein Unbekannter in die Wohnung
bewarben.“ —IXVO
„Dann ist mir sein Haß gegen meine Person in ihrem Innern auf.
erklär ich,“ meinte Gillofsky. Und wieder fragte sie, während sie keine
.„Wenn du einen Rat annehmen willst, Josef, Sekunde ihren Biick von ihm abwandte:
dann hüte dich vor ihm.“ „Was hinderte dich bisher daran., mich zu
„Ich werde deinen Rat befolgen, Therese, deiner Gattin zu machen?“
debendes Schachspiel. Ein interessantes Bild bot sich vor kurzem in einem Park in der Nähe von
?ondon. Dort wurden auf einem Platz die Felder des Schachspiels aufgezeichnet und Jungens und
Mädels in Kostümen stellten die einzelnen Figuren des Schachspiels dar. Dabei wurden sie von
den Spielern immer auf die entsprechenden Felder weiter dirigiert.