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Alban Stolz,
sein Leben und Wirken.
— kannte eine Jrau, welche recht sparsam
im Haus war, zumal da sie 16 Kinder
5 bekam. Zugleich war sie aber sehr wohl⸗
F, tä.ig. Sie wurde deshalb auch Taufpatin
von einer ganzen Anzahl armer Kinder.
Nun, das war schon lange vorbei, da bekam
die fromme Frau einen stillen fortwährenden
Herzenswunsch, nämlich, daß ihr jüngsies Büb⸗
lein einmal Priester werde. Sie (die gottselige
Mutter) hat zwar nicht erlebt, daß ihr Sohn
Geistlicher geworden und seine Sch.iften in
soviel tausend Häuser gekommen. Aber sie
ist gewiß im Himmel, und der liebe Gott wird
ihr zur besonderen Belohnung gezeigt haben,
wie er ihren Sohn als Jeder gebraucht, um
christliche Wahrheit zu verbreiten. Der Sohn
jener guttätigen Frau bin ich selber, der
Kalenderschreiber für Zeit und Ewigkeit“. So
schtieb Alban Stolz, der fromme Seelsorger
und berühmte Volksschriftsteller, von seiner
Mutter, die ihm am 3. Februar 1808 in dem
badischen Städtchen Bühl das Leben geschenkt
hat. Sein Vater war dort Apotheker. Der
träumerrisch veranlagte Knabe fühlte sich ganz
besonders zur Lektüße der Klassiker hingezogen.
Auch während seiner Rastatter Gymna jialzeit
las er gern viel ebenso als JFreiburger Stu⸗
dent. In Freiburg widmete er sich wie seine
anderen Mitschüler dem Studium der Theologie.
Jedoch wehte damals an der badischen Uni—⸗
versität durchaus kein echter katho.ischer Wind
und die Professoren waren nicht geeignet, ihre
Schüler mit glühender Liebe zur hl. Kirche zu
erfüllen. Diese beklagenswerten Zustände konn⸗
ten auch auf Alban Stolz nicht ohne Einfluß
bleiben, der sich, das Herz voller Glaubens⸗
zweifel, nunmehr nach Heidelberg wandte, um
Philologie, Geschichte und Naturwissenschaft zu
studieren. Aber auch hier wurde er andauernd
auf das heftigste von finstern Glaubenszweifeln
verfolgt, bis der göttliche Gnadenstrahl die blei⸗
schwer auf ihm lastende innere Bedrängnis
verscheuchte. Der von diefem Augenblick an
bei ihm lebendige innigste Wunsch, ein frommer
katholischer Seelsorger zu werden, konnte durch
keine noch so höllische Seelenangst mehr zum
Schweigen gebracht werden. Alban faßte den
Entschluß. alles Suchen und Grübeln für immer
abzutun und sich der Autorität der katholischen
Kirche voll und ganz zu unterwerfen. Und wie
er diesen heiligen Entschluß gehalten hat, das
sagt er selbst, wenn er schreibt: „Ich bin seit
jener Zeit niemals mehr in Glaubenssachen von
der katholischen Kirche abgewichen, weder in
der inneren Ueberzeugung noch im Wort. Wenn
Zweifel über mich wollten, so machte ich nicht
umständliche Reflerion darüber, wie sie zu
widerlegen seien, sondern ich wehrte sie einfach
durch den festen Willen ab: Ich will nur
katholisch glauven. die gö't'iche Einrichtung der
Kirche weik die sichere Wahrheit a'lein“ Nach
Vollendung seiner Seminarstudien in Jreiburg
empfunrg Alban Stolz 1833 die hl. Priesterweihe
und seine erste Anstellung als Vikar in Roten—
fels, wo er übereus segensreich gewirkt hat
und auch bei den Protestanten sich der größten
Wertschätzung erfreuen konnte. Desgleichen war
Nach der Schicht“
jeine Tätigkeit in Neusatz, wo er „unter rauhem
Volk seibst ein rauhes, hartes Leben 77 Monate
ührte,“ sehr fruchtbar. Hier faßte Alban Stolz
den Plan zur Ausarbeitung seines Kalenders
für das Volk. Nach mehr, ähriger Tätigkeit
am Gymnasium in Bruchsal und als Repetent
am Freiburger Konvikt erhielt er 1847 den
dehrstuhl für Pastoral und Pädagogik an der
Freiburger Unidersität. Seine große Bescheiden⸗
jeit und mäßige Lebensweise waren hier bald
ꝛbenso bekanunt wie seine selbstlose Nächsten⸗
ind Armenllebe. Seine Sprache war einfach,
zlar und ungekünstelt, sie war die Sprache des
Bolkes und fand daher auch in fast unglaub—
ichem Maße den Weg zu dem Herzen des
Polkes, das an ihm besonders seinen köstlichen,
oft geradezu schalkhaften Humor zu schätzen
veiß.
Stolz hatte wie jeder echte Doeutsche einen
instillbaren Wandertrieb, der ihn in viele Län—
der führte, so nach Spanien, das Land seiner
ilten Sehnsucht, nach Palästina, Holland und
JIta ien. Seine angeborene Wanderlust beschenkse
ans mit einer Reihe von Werken, die auch
heute noch gern gelesen werden. Sein Buch
Alban Stolz.
GBerder KuCo. Friibargei. Be,
Spanisches für die gebildete Welt“, eine Frucht
einer spanischen Reise, wird gerade wegen
eines kösteichen Humors und seines mitunter
eißenden Spotts sehr geschätzt, eßenso seine
zchrift „Sem, Cham und Japhet“, in der
reine Reiseerlebnisse in Palästina ihren literari⸗
chen Niederschlig gefunden hauen. Von seinen
Werken und Schriften, einer wihren und kost—
zaren Fundgrube von meiste.haft feinen Volks—
ind Naturbeobachtungen, seien im folgenden die
vichigsten geꝛannt. Am meisten verbreitet ist
ein Kalender für Zeit und Ewigkeit, dessen
Zchriften auch heute noch mit bestem. Gewinn
in echter Seelenfreude gelesen werden sollen.
Ich nenne hier Mirtur gegen Todesangst, Vater⸗
inser, Das Menschengewächs, Der unendliche
Hruß, Bilderbuch Gottes. ABC für große Leute
diese seine Schriften sind nunmehr alle ge—
ammelt in „Kompaß für Leben und Sterben“
Auch seine klassischen Witterungen der Seelt
zehören zu den gerne gelesenen Schriften von
Alban Stolz. Immer weiß sein packender S.il
zie Saiten der Menschenherzen mächtig zu
ühren und zu erschüttern, immer findet seine
Hüte und sein liebevolles Verstehen den rich—
igen Ton, und sei es auch durch eine Lauge
Hest 1/1928
zeißender Ironie und herben Spotts. Das ist
AUlbans Zug, der auch hier durch rücksichts⸗
oseste Geißelung bestehender Mißstände, mensch⸗—
icher Fehler und Gebrechen nur der Wahrheit
ienen will. Wir Katholiken sollen aber gerade
n der heutigen kummervollen Zeit zu den
Sch isten von Alban Ss!olz greifen. Mehr als
vie bisher! Er hat und weiß uns soviel zu
rzählen, daß wir aus seinen Werken nur eine
zöstliche Bereicheriung an seelischen Werten
chöpfen können. Wer kann sie uns besser und
jermitteln als der fromme Priester und große
Bolksschriftsteller Alban Stolz?
— —
—— —*
—
Der Tag des Tocnes.
Cin Roman aus lt⸗-Oesterreich
von Paskruj 5chuk.
α
Nä. war zu Wien an einem düsteren
Winterabende, anno 1791. In hell⸗
3 glänzenden Leuchtern eines vornehmen
Gemaches brann en zartrote Kerzen und
S*warfen ihr Licht auf eine weibliche Ge—
ttalt, die, in ein duftiges Kleid gehüllt, vor
einem zierlichen Tischchen saß und mit weit
geöffnelen Augen starr auf ein Blatt Papier
blickte, das vor einer Weile ein Unbekannter
abgeçeben hatte.
Plötzlich erhob sie sich.
Ein Atemzug riß sich aus ihrer heftig auf⸗
und niederwogenden Brust, ihr Antlitz, .uf
welchem vordem eine tiefe Blässe gelegen, be⸗
deckte sich mit einem glühenden Rot und in
ihten Augen flammte es unheimlich auf.
„Unmöglich,“ preßte sie zwischen den beben⸗
den Lippen hervor. „ich kann nicht glauben,
daß Josef so ehrlos an mir handeln will.“
Und als ob sie daran zweifelte, daß sie
»ie auf dem weißen Papier geschriebenen
zeilen richtig gelesen, trat sie unter die bren—
ienden Kerzen, entfaltete das in der ersten
Aufwal!ung ihres Gefühles in der Faust zer⸗
znüllte Papier und las nochmals:
„Mademoisel!e! Josef Gillofsky ist Ihrer
Liebe nicht wert; er betrügt Sie. Während
er Ihnen vorlügt. daß Sie seine einzige Liebe
eien, liegt er in den Armen eines anderen
Mädchens, das reich ist und mit dem er sich
in der nächsten Zeit verloben wird. Seien
Sie auf der Hut, Mademoiselle!“
Das Blatt Papier entfiel der Hand der
Frauensperson. Sie stand wie vernichtet da.
Schwarze, undurchdringliche Schleier zozen vor
hren Augen empor und ihr war, als öffnete
ich mit einem Male der Boden unter ihren
Füßen und sie sänke in einen tiefen, tiefen
Abgrund.
Mit Auf wendung ihrer genzen Kraft schleppte
sie sich muhsam zu einem Stuhl. in welchem
sie laut aufschluchjend zu'ammensank.
„Das hab' ich nicht verdient, Josef! ...
Das hab' ich nicht verdient.“
Und jäh riß sie ihr Haupt empor, daß sich
die kostbaren Spangen, die den kunstvollen
Bau ihres Haares zusammenhielten, lösten und