heft 38/1928
„Nach der Schicht“
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nalam“ (Gott weiß es am besten), seufzte
der Scheich, klatschte in die Hände und gleich
erschienen die Lagerältesten, welche sich dem
Range nach in einem Kreise neben uns nieder—
jetzten. Kein Wort wurde außer dem üblichen
Hruße: „Friede sei mit dir“ gesprochen. Das
Essen begann, welches aus verschiedenen ara—
bischen Gerichten bestand, welche durchweg mit
der Hand gegessen wurden.
Die Nargile (Wasserpfeife) wurde gebracht.
Nun begann der Scheich mich den Seinen
porzustellen: „gIhr Männer vom Stamme der
Dschumari, dieser Mann ist ein großer Effendi
aus dem Lande der Germanen, er ist ein großer
Krieger seines Landes, haben doch die Ale—
mangen gegen die ganze Welt gekämpft. Allah
)at ihn bereits durch das wilde Land der
Persianer geführt, er war Gast in den Lagern
der Bischarin, welche in Nubien und Sudan
den Stamm der Dschumari nie vergessen
werden. Und weiter wird er ziehen durch das
bdon uns so sehr gehaßte Land der Wahabiten.
Allah möge ihn behüten vor diesen gefährlichen
Räubern. Bald wird er in seinem FJranken—
ande über den Stamm der Dschumaris erzählen
und wir werden Allah ewig danken, der ihn als
Hast in unser Lager geführt hat. Nehmt Ab—
schied von dem Mutigen, den wir nie vergessen
werden. Und einer nach dem anderen drückte
mir die Hand mit dem üblichen Gruße: „Allah
möge dich beschützen!“
Das war der Abschied von den Dschumaris,
einem der größten Nomadenstämme in Arabien.
Das feudale Essen, welches der Scheich mir zu
Ehren zubereiten ließ, seine Sitten und Um—
gangsformen, zeugten von der Kultur eines
Stammes, von Menschen, die in unserem
Furopa als wild bezeichnet werden.
Die erste Begegnung.
Ich befand mich mit Achmed am Juße des
Dschebel Ausan, einem jener Wüstengebirge,
welche strichweise in Arabien zu sehen sind. Um
uns herum die nackten Berge, die fahlgelbe tote
Wüste. Ein Bild ohne jegliche Vegetation.
Mein Zelt befand sich ziemlich versteckt in einer
Talmulde. Achmed saß am Lagerfeuer und be—
reitete den von mir geschossenen wilden Trut—
zahn zu. Ich besaß an diesem hageren Araber
ehr viel. Er war treu, tapfer und wußte sich in
jeder Lage zu bewegen. Ich war sehr zufrieden
mit ibmn und behandelte ihn mehr als Kamerad
Zugvögel.
vie als Diener. Wir befanden uns bereits
m Bereich der Wahabiten, das für einen
ziur (Ungläubigen, der Nichtmuselmann) unter
rodesstrafe verboten ist. Es ist daher leicht
egreiflich, wenn wir nachts durchwanderten,
»ährend wir tagsüber verborgen in den
zchluchten und den Augen der fanatischen, hab⸗
ierigen Wahabiten entzogen lebten.
Es war Abend, das Zelt war abgebrochen,
»ir waren marschbereit. Nach kurzer Zeit pas—⸗
erten wir einige Höhenzüge und hatten gleich
arauf die offene Ebene vor uns. Um uns
och einigermaßen orientieren zu können, wähl⸗
en wir diesen Marsch noch vor Nachtanbruch.
Bir hatten einige Meilen hinter uns, als wir
nen Reiter auf uns zukommen sahen. Von
inem Gesichte konnte man wenig sehen, die
dleidung war die eines vornehmen Arabers.
Salam Effendi“ (Friede seismit dir), grüßte
mich.
„Aaleikum,“ antwortete ich, „was machst du
och so spät in der Wüste?“
„Ich bin auf dem Wege in das Lager
reines Stammes“, antwortete er. „Wohin
ihrt dich dein Weg?“
Da ich die verschiedenen Dialekte der Mo—
ammedanerstämme so gut wie gar nicht ver—
ijand, so half mir Achmed zu verdolmetschen.
die Stimme des Arabers klang weich, und
ls er sein Gesicht enthüllte, sah ich in diesem
icht das eines Mannes, sondern das einer
rrau.
„Ich komme von Sinai und bin auf dem
Bege nach Dschidda.“
„Du bist ein Ungläubiger?“
„Ich bin ein Christ.“
„Was tust du hier im Lande der Waha—
hiten?“
„Ich will dieses Land und seine Bewohner
zennen lernen.“
„Und wenn du das Land kennen gelernt hast,
vpas machst du dann?“
„Ich kehre in meine Heimat zurück und
verde darüber schreiben und erzählen.“
„Wo ist deine Heimat?“
„Ueber dem großen Meere in Allemagnie.“
„Die Allemagnen müssen tapfere Leute sein.“
Warum?“
‚Der tapferste Mann war Hindenburg, hat
er doch gegen alle Länder gekämpft.“
Sie hatte also von unserem Weltkriege ge⸗
vört, unsere Heerführer waren ihr bekannt.
Sie fuhr fort mit' den Worten: „Allah
ikbar“ (Gott ist groß), „die Gedanken der
llemagnen sind nicht falsch. du bist mein
Hast.“
Sie ritt voran und sah in ihrer stolzen
haltung die Flinte umgehängt, einer Königin
zleich. Nach ungefähr einer Stunde erreichten
vir das Zeltlager des Nomadenstammes Da⸗
veli. Wir wurden in das Zelt des Scheichs
jeführt. Dieser, ein Greis von ehrwürdigem
lussehen, wandte sich an unsere Begleiterin
nit den Worten: „Was bringt meine Tochter
kapa so spät noch für Leute?“
„Es ist ein großer Effendi aus dem Abend⸗
ande, aus Allemagnie und sein Diener, sie
ind es wert, unsere Gäste zu sein.“
Der Scheich sprach: „Allah segne eure An—
zunft, tretet in unsere Zelte und seid unsere
Häste.“
Diese letzte Versicherung gab mir die Ueber—
—XEO
zu befürchten hatten. Hat der Araber einmal
das Wort „Gast“ ausgesprochen, so darf man
hm vollständig Vertrauen schenßken. Wir
wurden in eines der größten
Zelte geführt, wo wir auf einem
niedrigen Holzgestell, mit Mat—
en belegt, Platz nahmen.
affee und Pfeifen wurden ge—
hracht und nach Beendigung des
reichhaltigen Gastmahles, wel⸗
ches uns der Scheich vorsetzte,
vurden wir in ein zweites Zelt
geführt. Dieses enthielt weiter
nichts als ein großes Hoalzge—
stell, auf dem in Jellen ge—
züllt regungslos ein junger
Araber lag.
„Bist du ein Hakim (Arzt)?“
Als ich diese Frage verneinte,
meinte gutmütig der Scheich:
„Jeder Deutsche ist ein Arzt.
Mache mir meinen Sohn, den
ich mehr liebe als den Prophe⸗
fen dgesund und ich werde dir
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Die Teier des 11 Auguft Blick in den Plenarsißungssaal des Peichstages während der Verfassunasfeier