Full text: Nach der Schicht (24)

heft 38/1928 
„Nach der Schicht“ 
Seite 599 
nalam“ (Gott weiß es am besten), seufzte 
der Scheich, klatschte in die Hände und gleich 
erschienen die Lagerältesten, welche sich dem 
Range nach in einem Kreise neben uns nieder— 
jetzten. Kein Wort wurde außer dem üblichen 
Hruße: „Friede sei mit dir“ gesprochen. Das 
Essen begann, welches aus verschiedenen ara— 
bischen Gerichten bestand, welche durchweg mit 
der Hand gegessen wurden. 
Die Nargile (Wasserpfeife) wurde gebracht. 
Nun begann der Scheich mich den Seinen 
porzustellen: „gIhr Männer vom Stamme der 
Dschumari, dieser Mann ist ein großer Effendi 
aus dem Lande der Germanen, er ist ein großer 
Krieger seines Landes, haben doch die Ale— 
mangen gegen die ganze Welt gekämpft. Allah 
)at ihn bereits durch das wilde Land der 
Persianer geführt, er war Gast in den Lagern 
der Bischarin, welche in Nubien und Sudan 
den Stamm der Dschumari nie vergessen 
werden. Und weiter wird er ziehen durch das 
bdon uns so sehr gehaßte Land der Wahabiten. 
Allah möge ihn behüten vor diesen gefährlichen 
Räubern. Bald wird er in seinem FJranken— 
ande über den Stamm der Dschumaris erzählen 
und wir werden Allah ewig danken, der ihn als 
Hast in unser Lager geführt hat. Nehmt Ab— 
schied von dem Mutigen, den wir nie vergessen 
werden. Und einer nach dem anderen drückte 
mir die Hand mit dem üblichen Gruße: „Allah 
möge dich beschützen!“ 
Das war der Abschied von den Dschumaris, 
einem der größten Nomadenstämme in Arabien. 
Das feudale Essen, welches der Scheich mir zu 
Ehren zubereiten ließ, seine Sitten und Um— 
gangsformen, zeugten von der Kultur eines 
Stammes, von Menschen, die in unserem 
Furopa als wild bezeichnet werden. 
Die erste Begegnung. 
Ich befand mich mit Achmed am Juße des 
Dschebel Ausan, einem jener Wüstengebirge, 
welche strichweise in Arabien zu sehen sind. Um 
uns herum die nackten Berge, die fahlgelbe tote 
Wüste. Ein Bild ohne jegliche Vegetation. 
Mein Zelt befand sich ziemlich versteckt in einer 
Talmulde. Achmed saß am Lagerfeuer und be— 
reitete den von mir geschossenen wilden Trut— 
zahn zu. Ich besaß an diesem hageren Araber 
ehr viel. Er war treu, tapfer und wußte sich in 
jeder Lage zu bewegen. Ich war sehr zufrieden 
mit ibmn und behandelte ihn mehr als Kamerad 
Zugvögel. 
vie als Diener. Wir befanden uns bereits 
m Bereich der Wahabiten, das für einen 
ziur (Ungläubigen, der Nichtmuselmann) unter 
rodesstrafe verboten ist. Es ist daher leicht 
egreiflich, wenn wir nachts durchwanderten, 
»ährend wir tagsüber verborgen in den 
zchluchten und den Augen der fanatischen, hab⸗ 
ierigen Wahabiten entzogen lebten. 
Es war Abend, das Zelt war abgebrochen, 
»ir waren marschbereit. Nach kurzer Zeit pas—⸗ 
erten wir einige Höhenzüge und hatten gleich 
arauf die offene Ebene vor uns. Um uns 
och einigermaßen orientieren zu können, wähl⸗ 
en wir diesen Marsch noch vor Nachtanbruch. 
Bir hatten einige Meilen hinter uns, als wir 
nen Reiter auf uns zukommen sahen. Von 
inem Gesichte konnte man wenig sehen, die 
dleidung war die eines vornehmen Arabers. 
Salam Effendi“ (Friede seismit dir), grüßte 
mich. 
„Aaleikum,“ antwortete ich, „was machst du 
och so spät in der Wüste?“ 
„Ich bin auf dem Wege in das Lager 
reines Stammes“, antwortete er. „Wohin 
ihrt dich dein Weg?“ 
Da ich die verschiedenen Dialekte der Mo— 
ammedanerstämme so gut wie gar nicht ver— 
ijand, so half mir Achmed zu verdolmetschen. 
die Stimme des Arabers klang weich, und 
ls er sein Gesicht enthüllte, sah ich in diesem 
icht das eines Mannes, sondern das einer 
rrau. 
„Ich komme von Sinai und bin auf dem 
Bege nach Dschidda.“ 
„Du bist ein Ungläubiger?“ 
„Ich bin ein Christ.“ 
„Was tust du hier im Lande der Waha— 
hiten?“ 
„Ich will dieses Land und seine Bewohner 
zennen lernen.“ 
„Und wenn du das Land kennen gelernt hast, 
vpas machst du dann?“ 
„Ich kehre in meine Heimat zurück und 
verde darüber schreiben und erzählen.“ 
„Wo ist deine Heimat?“ 
„Ueber dem großen Meere in Allemagnie.“ 
„Die Allemagnen müssen tapfere Leute sein.“ 
Warum?“ 
‚Der tapferste Mann war Hindenburg, hat 
er doch gegen alle Länder gekämpft.“ 
Sie hatte also von unserem Weltkriege ge⸗ 
vört, unsere Heerführer waren ihr bekannt. 
Sie fuhr fort mit' den Worten: „Allah 
ikbar“ (Gott ist groß), „die Gedanken der 
llemagnen sind nicht falsch. du bist mein 
Hast.“ 
Sie ritt voran und sah in ihrer stolzen 
haltung die Flinte umgehängt, einer Königin 
zleich. Nach ungefähr einer Stunde erreichten 
vir das Zeltlager des Nomadenstammes Da⸗ 
veli. Wir wurden in das Zelt des Scheichs 
jeführt. Dieser, ein Greis von ehrwürdigem 
lussehen, wandte sich an unsere Begleiterin 
nit den Worten: „Was bringt meine Tochter 
kapa so spät noch für Leute?“ 
„Es ist ein großer Effendi aus dem Abend⸗ 
ande, aus Allemagnie und sein Diener, sie 
ind es wert, unsere Gäste zu sein.“ 
Der Scheich sprach: „Allah segne eure An— 
zunft, tretet in unsere Zelte und seid unsere 
Häste.“ 
Diese letzte Versicherung gab mir die Ueber— 
—XEO 
zu befürchten hatten. Hat der Araber einmal 
das Wort „Gast“ ausgesprochen, so darf man 
hm vollständig Vertrauen schenßken. Wir 
wurden in eines der größten 
Zelte geführt, wo wir auf einem 
niedrigen Holzgestell, mit Mat— 
en belegt, Platz nahmen. 
affee und Pfeifen wurden ge— 
hracht und nach Beendigung des 
reichhaltigen Gastmahles, wel⸗ 
ches uns der Scheich vorsetzte, 
vurden wir in ein zweites Zelt 
geführt. Dieses enthielt weiter 
nichts als ein großes Hoalzge— 
stell, auf dem in Jellen ge— 
züllt regungslos ein junger 
Araber lag. 
„Bist du ein Hakim (Arzt)?“ 
Als ich diese Frage verneinte, 
meinte gutmütig der Scheich: 
„Jeder Deutsche ist ein Arzt. 
Mache mir meinen Sohn, den 
ich mehr liebe als den Prophe⸗ 
fen dgesund und ich werde dir 
— 
288 
Die Teier des 11 Auguft Blick in den Plenarsißungssaal des Peichstages während der Verfassunasfeier
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.