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Temple Nachricht zu geben, damit er vielleicht
zu uns kommen kann.“
„Nein, Reynold, erst wenn ich von Mr.
Parsey frei bin und meine Unschuld erwiesen ist,
werde ich zu ihm zurückkehren — nicht eher!“
„Aber Sie könnten ihm doch von hier aus
schreiben. Bedenken Sie, wie er Sie vermissen
wird!“
„Ich weiß es, Reynold, und empfinde es tief;
aber wenn ich ihn sähe oder einen Brief von
ihm bekäme, würde ich möglicherweise in
meinem Entschlusse wankend werden; ich
möchte Sie bitten, daß Sie sich einmal
an Ort und Stelle begeben.“
„Und ich soll Sie hier allein lassen?“
„Ich bin hier sicher, und Sie würden
ja auch nur einige Tage bleiben. Schrei⸗
ben Sie meinetwegen an Lord Temple,
aber gehen Sie nicht zu ihm, denn Sie
würden ihm gewiß verraten, wo ich bin.“
Das würde ich.“
‚Und das darf nicht sein.“
Reynold schüttelte den Kopf.
„Was soll ich denn dort, wenn ich nicht
zu meinem Onkel gehen darf, der ja doch
die Hauptperson ist?“
„Ich wünsche, daß Sie sich nach dem Be—
finden Mr. Parseys und nach den Absichten
eines Vaters erkundigen; daß Sie zusehen, wo
Mrs. Kernot ist und was sie treibt —“
„Sie sollten dieses dämonische Weib endlich
jergessen, Alice.“
„Das werde ich auch,“ versetzte Alice be—
timmt, aber mit Bitterkeit.
„Wann?“
„Wenn sie tot ist — dann erst werde
ch vor ihr Ruhe haben.
Reynold sah Alice eine Weile schwei—
gend an. Da stand es deutlich in ihren
Augen zu lesen, daß sie mit der, die ihr
so unendlich viel Trübsal bereitet, kein
Erbarmen haben würde, wenn die Zeit
der Vergeltung kam.
„Wenn alle Leiden vorüber sind,“ sagte
er dann ernst, „und Sie wieder ungestört
Ihr Glück genießen, werden Sie das
Bergangene und damit auch Mrs. Ker—⸗
not vergessen.“
Lady Temple antwortete nicht, wandte
sich aber von ihm ab und sah aus dem
Fenster. Er sollte ihr nicht ansehen, wie
wenig er zu dieser Annahme be—
rechtigt war.
Schon am nächsten Tag machte sich
Lindsay auf die Reise nach England.
Es drängte ihn selbst, etwas über den
Stand der Dinge zu erfahren.
„Ich weiß, daß ich Ihnen niemals ver—
gelten kann, was Sie an mir tun, Rey—
nold,“ sagte Alice beim Abschied. „Ich
denke manchmal, wie viel angenehmer
Ihr Leben wäre, hätten Sie sich meiner nicht
angenommen.“
„So, meinen Sie?“ fragte er lächelnd. „Und
Sie ahnen nicht, daß das Vergnügen, in Ihrer
Rähe weilen zu dürfen, mir ein reicher Lohn
ist für die geringen Dienste meinerseits, daß es
mir eine hohe Befriedigung ist, mich wenigftens
einem Menschen durch meine Geseilschaft nütz—
lich machen zu können? Sie wissen nicht,
Lady Alice — Mrs. Hurst, wollte ich sagen —“
fügte er scherzend hinzu, „wie stolz es mich
„Nach der Schicht“
nacht, wie glücklich ich bin, Ihr Vertrauen
ind Ihre Zuneigung zu besitzen.“
Alice antwortete nicht, sie sah nachdenklich
yor sich nieder und eine Träne floß über
hre Wangen. Plößlich sagte sie:
NRoch eins: Bitte, tun Sie mir den Ge—
allen, einen kleinen Abstecher nach Sunbridge
zu machen!“
„Wo Ihr Kind ist?“
—
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28
—E
kin neuer Sieg deutscher Technikl Im Lübeck-Trave—
nünder Flughafen fanden die ersten Probeflüge des neuen
xlugbootes „Rohrbach-Romar“ statt, die in jeder Hinsicht
zlänzend gelangen. Has Flugboot, das größte der Welt,
enöligt trotz seines Eisengewichts von 300 Zentnern nur
iß bis 30 Sekunden zum Aufstieg und besitzt eine außer—
ordentlich große Manövrierfähigkeit.
Ja.“
„Und dann?“
„Sehen Sie zu, wie es ihm geht, ob es wohl
ind munter ist; und wollen Sie Mr. Stirling
ins Herz legen, daß er die Kleine auf keinen
Fall an Mrs. Kernot ausliefert.“
„Dieser Teufel in Frauengestalt soll seine
Rolle bald ausgespielt haben,“ rief Lindsay;
‚denn mit Hilfe meines Freundes Purton und
Hunters werden wir ihr endlich die Maske
—
”ñäöIIMMhæAsS ααο
das Ende der ersten Flugmaschine in Deutschland. Einzige
Rriginalaufnahme des Todessturzapparaies von Shio
ilienthal, mit dem er am 10. August i896 in den Stöllner
Bergen bei Rhinow abstürzte. Oito Lilienthal flog an
iesem Tage mit einem 14 qm Eindecker (nicht Doppel—
ecker, wie vielfach angenommen wurde), und da starker
Bind herrschte, schwebte er bald in 13 m Höhe am Abhang.
Plötzlich blieb der Apparat ruhig in der Luft stehen. Um
in Vorwärtskommen zu erreichen, begann Lilienthal mit
yen Beinen zu schwenken, als sich die Maschine plötzlich
nach vorn neigte und beinahe senkrecht niederfiel. Lilien—
thal konnte sich nicht mehr sehen und mußte fortageschafft
werden.
ibreißen. Ist das alles, was Sie mir zu sagen
aben?“
„Das ist alles! Werden Sie so bald als
nöglich zurückkommen?“
„Ich werde die Stunden und Minuten
ählen, bis ich wieder bei Ihnen bin. Wäre
's nicht Lord Temples wegen, so möchte ich
oünschen, daß ich hier, abgeschlossen von dem
vilden Treiben der Welt, bis an mein Lebens—
inde so still an Ihrer Seite fortleben könnte,
vie diese wenigen Tage.“ (Forts. folgt.)
Heft 38/1928
Für unsere lieben Kranken.
280 trüb war der Tag und so trostlos
die Nacht, in der ich in Angst, Not
und Sorge wach gelegen. — Warum
/ nur all' dies schwere Leid, die bange
Qual? — — Warum?
Do zlingt mir im Innern eine leise mahnende
ztimme, ein lang vergessener Vers
östend an meine geprüfte Seele:
Schickt Gott dir Schmerz,
30 halte still
And frage,
Was er von dir will.
die ew'ge Liebe schickt dir keinen
Bloß darum, daß du mögest weinen.
Er schickt ihn nicht, um dich zu plagen,
Er soll dein Herz zum Himmel tragen!“
Hatte dein vermeintliches Glück dich
nicht von Gott hinweggeführt? Warst
du nicht in Gefahr, dich in weltlicher
Eitelkeit, in irdischen Genüssen zu ver—
lieren? — Schaust du auf den großen
2ohn, der deiner harrt, ist das Leid so
zlein. Du wirst nicht so leicht wieder den
Mut verlieren. — Durch innere Beherrschtheit,
urch lautere vornehme Gesinnung trägt der
dle Mensch sein Los klaglos, um andere nicht
u bedrücken. — Erst in späteren Zeiten sehen
vir ein, warum es so kommen mußte:
Wie oft schon trat ein Segen,
In der Gestalt des Unglücks dir entgegen.
Dir fehlte nur in jener Zeit des Leidens
Die Kraft und Kunst des rechten Unter⸗
scheidens.“
Streben wir mutig immer weiter
unserm sicheren Ziel entgegen, wenn auch
die Wirrnisse unsere Seele noch so sehr
bedrängen und das Gestrüpp der Leiden
ihr kaum das Atmen lassen Der Atem
der Seele ist das Gebet. Und so sehrt
das Atmen des Körpers Notwendigkeit
ür sein Leben ist, so das Gebet für das
deben der Seele.
Denken wir doch an den schönen Ver—
jleich, den ein großer Heiliget uns mit—
eilte. Die Geschicke der Mexsschen
leichen der Stickerei eines Teppichs,
dessen linke Seite mit seinen kreuz
ind quer, irr und wirr laufenden Fäden
vir hier auf der Erde sehen, während
vir erst nach unserm Tode, im glück—
ichen Jenseits die rechte Seite des
Teppichs mit seinem herrlichen Muster
chauen können, das ein gütiger Vater
— Heil für uns zusammengefüat
da 8 —
Gott verläßt uns nie! Er wartet auf
uns: „Wenn Ihr mich von ganzem
Herzen suchet, will ich mich finden lassen.“
Er verläßt uns nicht, wenn die Racht des
deidens, wenn die Finsternis der Traurigkeit
ins umgibt, wenn wir uns fürchten vor den
Menschen, die uns nicht verstehen — — —
at Er doch gesagt: „Kommel alle zu mir,
die ihr mühselig und beladen seid Ich wili
zuch erquicken.“
Der Herr ist mein Trost