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vollwertige Arbeit leisten. Die meisten von
hnen erreichen das, ja viele mehr, wenn die
schlummernden Fähigkeiten geweckt sind. Sie
schafsen Qualitätsarbeit, d. h. Besonderes und
Schönes, das die Menschen erfreut. Aber ein
Bitteres bleibt ihnen im Leben, will immer
wieder von neuem ihre Daseinsfreude, ihre
Schaffenskraft hemmen. Die Welt verwirft ja
gedankenlos und grausam den Mißg stalteten,
den Krüppel. Und doch sollten es sich alle tief
ins Herz schreiben, daß im mißzestate!en Kör—
per eine wertvolle, eine gar schöne, tiefe, ja
oftmals reicher angelegte Menschenseele wohnt
als im gesunden Menschen. Sie harrt nur
der Hebung, kann durch Unterdrückung nicht
gedeihen. Wenn sie sich dann argwöhnisch,
mißtrauisch verschließt, so ist es meistens
nur das Werk unkedachter, unb:herrschter
Mitmenschen. Wohl ist es verständlich, daß
der ästheische Sian des gesunden Menschen
vor der haͤßlichen Hülle zurückschreckt; be—
denken wir aber, daß sie eine wertvolle
Seele, eine schlummernde Schasfenskraft
birgt, so müssen wie sie achten, lieben, pfle—
gen und heben lernen. Heilandslohn ist
allen denen versprochen, die zur Hilfe der
Armen sich bereit finden: „Das habt Ihr
mir getan“. So kann gewiß ein Jeder dazu
beitragen, dieses Unrccht der öffentlichen
Meinung an diesen armen Zurückgesetzten
nach Kräften wieder gutzumachen, vor allem
durch liebevolle Aufklärung der Jugend,
und, wenn es einmal sein muß, durch
strenges Verbot. Ein Jeder wird wissen,
auch den Erwach'enen, die oftmals unbe—
dacht dieses Wort falsch benutzen, in Liebe
überzeucend entgegenzutreten. Alle werden
darin still ein großes Caritaswerk fördern,
das tausend und tausend durch die Härte
der Umwelt verkümmerte arme Menschen⸗—
seelen einem froheren besseren Dasein zu—
rückc ibt, das ihnen durch Hebung des Selbst⸗
bewußtseins Freude am Leben, Freude zur
Arbeit wiedergibt. Bemühen wir uns, zu
sehen, zu lernen, wie sie in Hingabe und
Geduld ihr schweres Los, ihr großes Leid
tracen und bringen wir ihnen, wenn sie
verbittert sind durch Menschenworte und
Menschentum, Freude und Liebe, suchtn wir
sie von ihrem Wert zu überzeugen, geben
wir sie dem Leben wieder. Kein dankbarerer
Blick aus Menschenaugen mag es reicher
lohnen. „Sesig sind die Barmherzigen, denn
sie werden Barmherziakeit erlangen“.
22060
Der Kampf
mit der Brandung.
Won O. Boliahn.
J Nachdeuck verboten.
—S Hafen von San Franzisko (Kali—
I fornien) lag ein stolzer Fänfmaster, der
58 den Namen des bekannten großen See—
S vogcels „Albatroß“ führte, zur Aofahrt
mit einer Ladung Stückgüter nach Car—
diff an der Westküste Englands bercit. Es
war ein schönes, fast noch neues, aus bestem
Stahl erbautes Schiff, auf das Kapitän und
Mannschaft wohl stolz sein konnten, und dem
sie sich mit autem Gewissen anvertrauen durften.
„Nach der Schicht“
Die aus 43 deutschen Seeleuten zusammenge—
etzte Mannschaft bestand meistenteils aus
ilteren, erfahrenen Matrosen, denen man es
uuf den ersten Blick ansayh, daz sie schon so
nanchen Sturm erlebt, manche Gefahr seegrcich
»ekämpft haben mochten. Auch der Kapitän
var ein tapferer, zielbewußter, rujiger Mann
Auffallend war aber der Augenausdruck des
Steuermannes, der etwa 36 Jahre zählen mochte
ind eher etwas fein als stark gebaut war.
Wohl hatte sein ganzes Wesen überhaupt etwas
Sympatl isches an sich; aber aus seinen Augen
trahlte eine solche Fülle von Freund.ichkeit und
Herzensgçüte, daß man sich unwi lkürlich fragen
mußte. wie diese RNugen, oder ihr Ausdruck
Moderne Kirchen-Architektur. Ein Prachtwerk mo—
derner Kirchen-Baukunst ist kürzlich in Kopenhagen
ertiggestellt worden, wo diese Kirche am 11. De—
zember v. Is. feierlich eingeweiht wurde. Man
hat der Vorderfront der Kirche die Form einer
riesigen Orgel gegeben.
dielmehr, wohl in das Gesicht eines rauhen
und durch Sturm und Wogenbraus oft hart
geworderen Seemannes kamen.
Es war daqher wohl begreiflich, daß ihn
nicht allein sein Kapitän, sondern auch die
gesamte Mannschaft liebte, trotzdem er strenge
Manneszucht, geraart mit Geduld und Nach—
icht für diese oder jene besondere Schwäche
)es Einzelnen an Bord aufrechterhielt. Die
diebe der Schiffsbesatzung zeigte sich denn auch
im Tage der Abreise, der auch zufällig der
Helburtstag des Steuermannes war, dadurch,
»aß sie mit der Erlaubnis des Kapetäns in
iller Frühe heimlich das Schiff bis über die
Topren mit Flaegen ge'chmückt hatten, so daß
s bei der Ausfahrt einen herrlichen Anblick
»ot. Der Lohn blieb auch nicht aus, denn
ꝛer Kapi'än stiftete für den Adend eine steife
Srogbowle, die bei dem wunderschönen Wetter
zemeinschafilich auf denm Kapiäns- oder Quar—
Heft 3 1928
erdeck abends in vollster Harmonie geleert
vurde.
Keiner von ihnen, der jetzt noch fröhliche,
deutsche Volksweisen mitsang, ahnte, was sie
noch in wenigen Wochen schon ihrem Steuer⸗
mann zu danken haben würden. Keiner ahnte,
wie furchtbar Schweres ihnen bevorstand. —
Schon am vierten Tage, nachdem der Al—
natroß den Hafen verlassen hatte, setzte ein
chwerer, sich allmählich bis zum fliegenden
Drkan entfaltender Sturm ein, der drei Tage
und Nächte hindurch tobte und viele Ver—
vüstuncen auf Deck anrichtete. Unter manchen
onstigen Beschädigungen zer!rümmerte auch eine
einzige Sturzser die drei größten Schiffszboote
so daß nur noch das kleine Kapitänsboot,
die Gig, übrig blieb. Deeses erfüllte alle
mit um so größerer Besorgnis, als von
nun an der Albatroß fortwährend mit
schwerem und widrigem Wetter zu kämpfen
hatte. Durch die vielen gefahrrollen Ar—
beilen und Segelmanöver, die die gesamte
Mannschaft wochenlang mit nur kurzen
Schlafpausen, Tag und Nacht auf den Bei—
nen hielt, kam dieselbe allmählich sehr von
Kräften. Dennoch blieb die B.satzung bei
culem Mut, denn Kapitän und Steuermann
sparten keineswegs mit Anerkennung und
allerlei Vergünstigungen hinsichtlich der Ver—
pflegung.
War der Kapitän an Deck und ließ die
ceramte Mannschaft „purren“ oder herauf
rusen, um ein größeres, gefahrvolles Segel—
manörer zu machen, so war jedesmal der
S!euermann der erste, der an Deck kam. —
Wer hätte da wohl noch zaghaft sein kön—
nen, wenn sein Steuermann, ja, sein Steuer
mann, der Weib und Kind daheim hatte
boranging!
Unler schweren Schnee- und Hagelstürmen
näherte man sich endlich nach sechzehn—
vöchicger Reise der Küste Englands. Es
var eine außerordentlich lange Reise, denn
chon zweimal vorher war dieselbe in sechs
»ezw. acht Wochen zurückgelegt worden
And nun sechzehn lange, die Kräfte aufs
iußerste aufrcidende Wochen. — —
Dennoch wehrten sich Schiff und Mann—
chaft tapfer gegen die oft turmhohe See
Je mehr sie sich nun aber der englischen
Küste näherten, um so mehr hatten sie nun
auch mit ungemein dichtem Nebel zu
zämpfen, was den Kapilän und Steuermann
nit ganz besonderer Sorge erfüllte, da es tage—
ang ganz unmöglich war, den Standpunkt
des Schiffes festzustellen.
So war wieder eine Racht herangekommen.
ind alle dachten sie wohl an die liebe, teure
eutsche Heimat, in der sie längst hätten sein
zönnen, wenn die Reise in sechs bis acht
Wochen, wie sonst, gemacht worden wäre.
Nun standen sie durchnäßt und frierend auf
ꝛem Schiff in tiefer Sturm- und Rebelnacht.
Unçewöhn!ich hoch ging die See und stürzte
zielfach wild über das Vorderschiff hin, es
janz unter sich bezrabend. Doch das tat nichts,
nenn der Albatroß machte seinem Namen alle
Ehre, schüttelte das Wasser immer wieder von
ich ab und erhob stolz und kühn stets wieder
ein Haupt. Aber eine andere große Gefahr
war inzwischen einge reten, nämlich man hörte
zlar und deutlich das Brausen der nahen Bran—