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Heft 3 1928
Staunend sah Miß Pitt den Sprecher an
und in einiger Verwirrung fragte sie weiter:
„Und was wollen Sie?“
„Ich bin gekommen, um meine Mündel zu
sehen und mit mir zu nehmen,“ versetzte der
Baron, kehrte der Alten den Rücken und
wandte sich zu dem iungen Mädchen.
Dieses hatte mit lebhaftem Interesse der
zurzen Unteredung gelaucscht.
Mit Bewunderung und innerer Freude sah
ie den kühnen Sprecher an, der der Tante
Arsula so entschieden zu widersprechen wagte.
Hatte seine Offenheit, sein ruhiges, ernstes und
doch auch freund iches Wesen rasch ihre Zu—
neigung erweckt, so schlug ihr Herz ihm freudig
und mit kindlichem Vertrauen entgegen, als
er sich als Jreund ihres Vaters und als
ihren Vormund zu erkennen gab.
„Alice, mein armes Kind!“ rlef der Lord
»eweat. indem er ihr in die feuchten Augen sah.—
„Ja, ich brauche richt erst zu
fagen, ob du wirblich die bist.
die ich suche; ich eckenne dich
an der spreche iden Aehnlich—
keit mit deiner Mutter. Augen,
Mund, Haar — jede Lixie
des Gesich!s ist von deiner
Mu!!er; nur das beständiße,
eundtiche Lächeln und das
heitere Temp rament fehlen:
aber auch diese werden sich
dald zeigen, wenn du dich e—st
in anderer — wenn du in
me'nem Hause dich zurcch:
gejunden und dich an die
reuen Vechärtrisse gewöhnt
hast.“
„Meln Vader ist tot, sagten
Sie?“ fragte das Mädchen
traurig. *
„Ja, mein armes Kind,“
an:worlese Sir Salvan; „er
ist erst vor kur“em gestorben
und hat mich beauftragt, für
dich zu sorgen.“
„O, hätte ich ihn dech ein—
mal gesehen!“ sprach Alice
leise, und aufs neue perlten Tränen aus ihren
hellen Augen.
„Weine nicht, mein Kind,“ beruhigte sie Sir
Sylran, indem er sie zärtlich an seine Brust
zog und ihre Stirn küßte. „Ich werde dir
von nun an ein Vater sein. Wirst du mich denn
auch lieben können als solchen?“
„Ich werde Sie lieben, wie ich glaube, daß
ich meinen Vater geliebt hätte. wenn ich ihn
Jekannt.“
„Und willst du mit mir gehen?“
„Ja, Sir Sylvan,“ antworte!e das Mädchen
jastig, wie in freudiger Erregung, wobei es
Wer einen scheuen Blick auf Tante Ursula
varf, die unbeweglich, mit feit aufeinanderge⸗—
»reßten Lippen, die Augen stechend auf den
dord gerichtet, wie eine Bildsäule dastand.
„Sir Sylran,“ dntgegnete der Lord in freund⸗
ichem Ton. „Das ist nicht der Name, den ich
jon dir zu hören wünsche. Ich betrachte dich
'on nun an als meine Tochter und möchte auch,
daß dies durch die Umgangsformen und Namen
Bestäicung fände. Doch lassen wir das jetzt
nit der Zeit kommt das von selbst, du wirst
chon die richtige Benennung finden. wenn wir
—
um in den Leprosenhäusern die Insassen zu
besuchen und zu erquicken. Von diesen schreibt
Jakobus von Vitey (* 1240) als Zeitgenosse:
„Um Chisti wil en litten sie unter allem Schmutz
und Gestank, sich selbst Gewalt antuend, so un—
erträgliche Beschwerden, daß keine Bußübung,
die man sich auferlegt, mit diesem, in Gottes
Augen heisigen und köstlichen Martyr um sich
vergleichen läßt.“
Man sieht, wie damals, zur Zeit des heiligen
Franzi kus und der heicigen Elisabeth, helden—
hafte Liebe und Opferwi ligkeit Tausende be—
seelte. In unseren Tagen sind es besonders die
Missionüäre und Ordensschwestern, die mit der
gleichen Liebe und Ausdauer die Pflege der
Aussätzigen übernehymen, namentlich seisdem
Paler Damian de Beuster (p 1889 auf der
Insel Molokai) das leuchtende Vorbild heroi—
scher Hingabe für alle geworden war, die der
Beruf zu den Ausssätzigen führte. Was dem
nalürlichen Menschen entsetzcich
und unmöglich vorkommt, das
erreicht die Liebe zu Jesus.
Sie ist sozusagen allmächtig:
„Ich kann alles in dem, der
mich slärkt.“
„Jesus streckte seine Hand
aus, rührte ihn an und sprach:
Ich will, sei gereicizt.“ Wie
mag den armen, gemiedenen
Menschen solche he ablassende
Güle erfreut und getröstet
haben. Da es auzer dem Aus—
satz noch viele Dinge
aibt, die einen Rebenmenschen
abstoßend erscheinen lassen,
z. B. En!ste lungen des An—
gesichtes duech Lupus, Trief⸗
augen, Häzeichkeit, dann
Schwachsinn, Aller, Mangel
an Reln.ichkeit, große Armut,
oder Verk ümmungçen, Krebs—
krankheit u. dergl. Wie glück—
lich sind solche armen Men—
schen, wenn sie jemanden fin—
den, der sich nichts daraus
macht und mit ihnen lieb und
gut umgeht! In einem Ort wohnte ein lupus—
krantier Mann. Das Gemiedenwerden war ihm
sehr hart. Doch einer kam ihn von Zeit zu Zeit
besuchen und plauderte freundlich mit ihm. Das
war der Pfarrer. Der schenkte ihm auch, als
er auf eine andere Stelle kam, zum Abschied
ein schönes Keuzifix. Nach fünf Jahren kam
der Geistliche wieder in die Gegend und schaute
nach seinem alten Bekannten. Dieser erzählte,
schon oft habe man ihm das Kruzifir abkaufen
wollen, aber das gebe er nicht her. — Wäre
mehr Liede zu dem armen, gekreuzigten Jesus
in den Herzen der Menschen, dann brauchte sich
keiner dieser Entstellten über Verachung zu be—
klaçen. Gewiß es gehört Selbstüberwindung dazu.
um mit diesen „Enterbten“ zu verkeyren. Doch
die Liebe zu Jesus überwindet alles. Wie „sein
Herz schlug voll zarten Mitleids für jede
menschliche Not,“ so hat seine Gnade auch zahl⸗
reichen mensch ichen Herzen den gleichen Schlag
verlieheen, den gleichen Drang eingeflözt. Glück—
lich, wer dieser Gnade folgt und nach allen
Kräften Gutes tut, Wohlta sen erweist uid sich
in geduldiger Liebe herabläßt zu allen, die arm
und verlassen sind auf Erden.
cuHlossen
oman von 84. Magnesx.
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Fortsetzung. Rachdruckverboten
ichtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet
werdet, steht geschricben,“ sprach er
rul ig, denselten Ton annehmend, in
dem die Alte zuletzt gesprochen. „Und
menn sich ein jugendliches Herz veriert
vaben sollte, lehrt uns nicht das schöne Gleich—
tis vom verlarenen Sohn, daß wir uns seiner
Umkehr freuen, aber es nicht vperurteilen
ollenꝰ?“
Ein Augenmagnet. Unser Bild zeigt, wie Sir Richard Cruise mit dem Ring-Magnet
Metallsplitter, die bei Unglücksfällen in das Auge gelangen, herauszieht. Die Opera—
kion geschieht durch dieses Hilfsmittel gefahrloser und weniger schmerzhaft als früher
„Aber wenn diese Umkehr nicht stattfindet,
venn alle Ermahnungen und Vorstellungen
richts fruchten, was bleibt dann übrig, als auf
)en Zorn Gottes und Feine strenge Strafe
jinzuweisen?“ feagte die Tante in schneiden—
dem Tone. Sie schlug das alte Testament auf
ind nach einigem Suchen sagte sie, mit dem
zürren Finger auf eine Stelle zeigend: „Da
teht es: „Wehe aber den Got—.losen, denn sie
ind boshaft, und es wird ihnen vergolten
verden, wie sie es verdienen.“
„Ganz recht, wie sie es verdienen,“ entgeg—
nete der Fremde mit etwas mehr Nachdruck.
„Gott wird ein strenger. aber auch gerechter
Kichter sein.“
„Wer sind Sie, Herr, daß Sie es wagen, in
uinser Haus zu dringen und sich so unberufen
in unse:e Angelegenheiten zu mischen?“ fraate
erausfordernd Tante Ursula.
„Ich bin Lord Sylvan Temple, Freund des
nerstorberen Oberst JFred Sherwin und Vor—
nund seiner Tochter Aunce,“ antwortete dieser
est. „Sie sehen also, daß ich ein Recht habe,
nich in das zu mischen. was diese arme Waise
etrifft.“