Seite 214
Schrift beim Augenzeugen des Hinscheidens
Jesu, bei Johannes im 19. Kapitel seines
Evangeliums, „damit auch ihr glaubet“.
Der Gottesleugner Strauß hat gemeint,
Christus sei nur scheintot gewesen und infolge
der starken Einbalsamierungsdühte seier wieder
zu sich gekommen. Wenn der Herr Professor
Strauß sich vor unseren Augen geißeln läßt
bis auf die Knochen, dann sich mit eisernen
Nägeln annageln, dann drei Stunden in der
heißesten Julisonne am Kreuze hängt, dann
iich ein Bajonett durchs Herz stoßen läßt, daß
es am anderen Ende wieder heraussteht, dann
sich in ein Felsengrab legen läßt und nach drei
Tagen infolge Einbalsamierungsdüften wieder
s)eil und frisch und munter vor uns auf seinem
Professorenkatheder erscheint, dann, — dann
mponiert er uns damit mehr als mit seiner
„gelehrten“ Scheintod-Theorie!
II.
Mehrmals in seinem Leben hatte Jesus vor⸗
ausgesagt: „Zerstöret diesen Tempel (meines
Leibes) und in drei Tagen werde ich ihn wieder
nufbauen.“ Und ein anderesmal sprach er in
heiliger Entrüstung über den Unglauben der
Juden: „Diesem ehebreche ischen Geschlechte
wird kein andees Zeichen gegeben werden, als
das Zeichen des Propheten Jonas; denn wie
dieser drei Tage und drei Nächte im Leibe
des Fisches zubrachte, so wird auch der Men—
schensohn drei Tage nur und drei Nächte im
Schoße der Erde zubringen.“
Und was der göttliche Heiland im Leben
verheißen, hat er nach seinem Tode herrlich
schön erfüllt.
Am Kaͤrfreitag nachmittag ward der tote
Jesus in einem Felsengrabe beigesetzt und eine
starke, militärische Wache dort postiert. Am
Sonntag schon vor Morgengrauen bebt die
Erde, daß die Bewohner Jerusalems entsetzt
aus ihrer Ruhe auffahren. Die Wachposten
fahren erschreckt zusammen, wie wenn ein zün—
dender feuriger Blitzstrahl sie getroffen hätte.
Aufschauend trauen sie ihren Augen kaum:
Das verschlossene, mit einem zentnerschweren
Steine belastete, siebenfach amtlich versiegelte
Grab öffnet sich von selbst und heraustritt —
seuchtend, blendend — der ermordete Naza—
rener — —!! Wahrhaftig er ist's! Leibhaftig
ist er's. Wir können es glauben, daß selbst
römische Soldaten bei diesem Anblick ohn—
nächtig zu Boden stürzen.
Einige Stunden nachher: Magdalena weilt
m Garten und weint dort ihren noch immer
brennenden Karfreitagsschmerz aus. Da tritt
ein Mann herzu. Der Gärtner? — Sage,
Härtner, hast du meinen Meister etwa weg—
getragen? — Der Fremde schaut sie so warm
und innig an. — „Maria!“ Nur dies eine
Wort; aber da drinnen lag des Herzens Jesu
Glut — „Rabboni! Mein guter Meister!“
Und schon liegt sie vor ihm auf den Knien. —
„Noli me tangere! Rühr mich nicht an! Aber
gehe hin und verkünde es dem Petrus (der
hat den Vorzug!), verkünde ihm: Surrerit und
Alleluja!“
Petrus — verlacht sie Jobannes — verlacht
sie. Alle Apostel verlachen sie. „Geh' Magda—
lena. alle Welt hat es gesehen, wie er sein
Haupt im Tode geneigt, wie der Speer ihm
durchs Herz gefahren. Das war vor kaum
„Nach der Schicht“
Dürers Waohnhaus in Nürnbera.
Alhrecht Dürer, geb 21.5.1471. gest ß 4.1328.
dürers Grab auf dem Johannes⸗Kirchhof
Nürnberg.
Zu Dürer's 4009ijährigem Todestage.
VN
Heft 14/1928
zweimal vierundzwanzig Stunden. Und du willst
hn lebend gesehen haben? Magdalena, dich hat
der Schmerz verwirrt gemacht! — Aber Magda—
ena irrt sich nicht. „gch habe doch den Herrn
gesehen!“ So jubelt sie in namenloser Herzens⸗
freude, in ihrem grenzenlosen Osterjubel.
Und wieder vergehen einige Stunden. Die
Apostel sind versammelt; nur Thomas fehlt.
Da plötzlich steht Christus — der Totgewesene
eibhaftig in ihrer Mitte. „Pax vobis! Friede
ei mit Euch!“ — Ja, das ist die alte, liebe,
süße Stimme des lieben Meisters. Er ist's, er
ist's! — Johannes! Du hast die klaffende
Herzwunde geschaut; wie magst du gejubelt
haben! Wie magst du freudig erschrocken sein!
— Petrus, zweifelst du jetzt noch? Jakobus,
Andreas, Simon ... und ihr anderen alle,
zweifelt ihr jetzt noch? — O nein! Jetzt jubeln
sie alle freudigst: „Alleluja! Christus ist wahr⸗
haftig auferstanden! Alleluja!“
Wie einige Zeit hernach Thomas heimkommt,
eilen sie ihm alle entgegen und mit freudig
erregter Stimme rufen sie ihm zu: „Thomas.,
jöre und staune: Wir haben den Herrn gesehen;
er ist wahrhaftig auferstanden. Vor ein paar
Stunden stand er unter uns!“ — „Hah! das
agt ihr einem anderen! Macht keinen Spaß!
Nach den Karfreitagsereignissen vergeht einem
das!“ — „Doch! Thomas! Doch! Es ist
Ernst, heiliger Ernst! Wir, wir selbst haben
den Herrn gesehen! Wir zehn und Magdalena!“
— „Laßt mich! Non credam, und ich glaube
es nicht, und ich kann es nicht glauben! Gestern
mit durchbohrtem Herzen, ermordet, tot, und
)eute — lebendig?? Nein! Wenn ich alles
Jlaube, das glaube ich nicht. Soll Er kommen,
)aß ich die Male seiner vier Nägel selber sehe!
Soll Er kommen, daß ich meine Finger lege
in die Nägelmale! Soll Er kommen, daß ich
neine Hand hineinlegen kann ins zerrissene
d Dann, ja dann will ich alauben! Sonst
uicht!“
O Thomas, wie danken wir dir für dein
Zweifeln! Dein Zagen und dein Zögern gibt
unse er Glaubensüterzeugung Jelsenfundament!
Wieder einige Stunden später: Die Elfe sind
alle da: auch Thomas unter ihnen, und er ist
aoch der alte Zweifler. Da auf einmal: — ein
blendender Lichtglanz; ein einziger unterdrückter
Freudenschrei: „Jesus!“ — „Parx vobis!“ —
Thomas erbleicht! Er steht in der hintersten
Ecke und zittert! Jesus schaut ihn an! O Gott,
er hat es gestern gehört, wahrhaftig, er hat es
gehört, das Non credam! Und Jesus schwebt
auf ihn zu: „Thomas! Komm! Leg ihn herein,
deinen Finger! — Thomas, gib mir deine
Hand!“ — Und Jesus zieht sanft des Apostels
Hand an sich und legt sie hinein in die große
Herzwunde. Wie es da so warm, so liebes⸗
warm hämmert und pocht! Thomas sschluchzt!
Und mit tränenerstickter Stimme stammelt er:
„Mein — Herr — und — mein — Gott!“
— Jetzt ist der Zweifler gläubig geworden!
„Thomas, weil du gesehen hast, haft du ge—
glaubt! Selig aber die, die nicht erst sehen
und tasten und hören und doch glauben!“ —
Hing Thomas auch hinaus und weinte bitter⸗
lich— wie Petrus ehedem? — Ich weiß es
nicht. Aber das weiß ich, daß einige Sahre
päter Thomas als Heidenmissionar für seine
Predigt von der wahrhaftigen Auferstehung
Jesu den blutigen Martertod gestorben ist