Full text: Nach der Schicht (24)

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Toni hat sich in einen hellen Eifer hinein⸗ 
geredet; die ganze Gesellschaft ist aufmerksam 
geworden. 
„Ich will wetten, wenn ich morgen früh in 
den Habichtsriegel hinaufgehe, kann ich solche 
Schmuggler sehen. So fest bin ich von meiner 
Annahme überzeugt.“ 
„Wenn Sie es als Einheimischer sind,“ läßt 
iich jetzt der Zollinspektor vernehmen, „dann 
bin ich es auch. Der Habichtsriegel ist tatsäch— 
lich ein Gebiet, das von unseren Beamten wegen 
seiner sonstigen Schmuggelfreiheit wenig be— 
gzangen wird. Man hat bisher noch nie gehört, 
daß über den Habichtsriegel auch nur das 
Heringste geschmuggelt worden wäre. Das ist 
—0 
moser, daß Sie mich auf diese Möglichkeit auf⸗ 
merksam machten, die mir nun selbst sehr wahr⸗ 
scheinlich vorkommt. Ich lade die Herren ein, 
morgen früh ums Taganläuten auf den Habichts⸗ 
riegel zu kommen. Dann 
können Sie Zeuge werden, 
wie man Schmuggler ab— 
fängt, und Sie werden 
Gelegenheit haben die Jin— 
di keit der königlich bay— 
rischen Grenzbeamten zu 
bewundern. — Gute Nacht, 
meine Herren!“ 
„Gute Nacht, Herr Zoll⸗ 
inspektor! Auf Wieder— 
sehen morgen früh am 
Habichtsriegel!“ ruft ihm 
der Hochmoser Toni noch 
nach. 
„Sollen wir wirbklich 
den schönen Morgenschlaf 
hersäumen und auf den 
Habichtsriegel gehen?“ 
meint der Lehrer. 
„Gehen Sie nur mit; 
Sie bereuen es nicht. Es 
wird wirklich eine Sau 
herübergeschmuggelt. Und 
die Schmuggler, wenigstens 
die Anstifter, sind der 
Franzl und ich. Dem Herrn 
Zollinsrektor soll einmal 
etwas vorgeschmuggelt wer⸗ 
den, aber so, daß ihm der 
Habichtsriegel und Walddorf und sein Jammern 
und Großsprechen für immer verleidet wird. 
Kommt nur, es wird ein Hauptspaß! Aber — 
pst! — noch nichts verraten! So, und nun 
ins Bett, damit wir morgen rechtzeitig auf 
den Beinen sind. Gute Nacht!“ 
„Na, da bin ich neugierig,“ meint der Herr 
Pfarrer, „den Spaß werde ich mir auch an— 
sehen.“ 
„Nach der Schicht“ 
Wenn die Sonne ihre ersten Strahlen über 
ie Berge heraufsendet — die Täler liegen noch 
ief im Schatten —, sammeln sich bei der 
'inde vor der „Post“, die „Festteilnehmer“, wie 
ie der zuerst am Platz anwesende Zollinspektor, 
ser sich vom heutigen Tage neue Lorbeeren er— 
offt, scherzweise benannt. Als sie alle beisam— 
nen sind, setzen sie sich in Marsch, dem Habichts⸗ 
»alde zu. Vor ihnen her patrouillieren einige 
zrenzaufseher, damit die Schar den allenfallsi— 
en Schmugglern, die etwa schon unterwegs 
»ären, nicht zu früh verraten wird. Aber 
ugesehen erreichen sie den Wald. Dort geht 
s über unwegsames Gelände, über Stock und 
ztein dem eigentlichen Riegel zu, eine vor 
zahren abgeholzte Fläche, wo nur Brombeer⸗ 
anken, Ginster und ein paar kümmerliche 
Bacholderstauden zwischen Stein und Geröll 
»achsen. So dehnt sich der Riegel, rings von 
dochwald umstanden. der Grenze zu 
Heft 12/1928 
Ueber die Lichtung herauf stapft einer — 
iner mit einem Tragkorb! Ein Schmuggler! 
Der Toni gibt dem Franzl einen Stoß in 
zie Seite, und beide müssen an sich halten, um 
nicht mit dem Lachen herauszuplatzen. 
Der Zollinspektor triumph'sert. 
Ahnungslos kommt der Schmuggler die Höhe 
serauf; gerade ums Taganläuten, wie es der 
Toni prophezeit hat. In Walddorf, in Schwar—⸗ 
enberg, in Talberg — überall läuten sie den 
Tag an, und über den Habichtsriegel kommt 
der Schmuggler. Sorglos, mit einer geradezu 
lufreizenden Sicherheit, daß hier kein „Grenzer“ 
im die Wege ist. Er pfeift sogar, und was er 
feift! Die Melodie eines bekannten Spott— 
edes auf die königlich bayrischen Zollbeamten. 
Da soll gleich —! Aber wart', Bürschchen! 
Auf einmal brüllt ein mehrstimmiges „Halt!“ 
aus dem Gehölz, und von rechts und von 
links stürzen die Aufseher, voran der Inspektor 
mit gezücktem Säbel und 
vorgehaltenemn Revolver 
auf den „Ahnungslosen“ 
Der tut, als wenn er aus 
den Wolken gefallen wäre 
und macht weder Miene 
zur Flucht noch zur Ab— 
wehr. 
„Hat's dich, Bürschchen? 
He?!“ höhnt und trium— 
phiert der Inspektor, wäh—⸗ 
cend die Zuschauer herzu— 
zommen. 
„Ja,“ wundert sich der 
Toni, „das ist ja gar unser 
Knecht!“ 
„Bitte sehr,“ wendet sich 
der „Schmuggler“ an den 
Inspektor, „ich rerbitte mir, 
daß Sie mich „per Du“ 
anreden. Und ein Bürsch⸗ 
hhen gebe ich Ihnen noch 
lange nicht ab!“ 
„Ei, ei, aufmucken möchte 
er auch noch. Den Korb 
herab! Was ist in dem 
Korb?“ 
„Eine Sau!“ 
„Wie — was? Also 
wirklich eine Sau! Und 
iatürlich eine verseuchte, he?!“ 
„Keine verseuchte! Aber eine Sau, eine rich— 
ige, wirkliche Sau!“ 
Die Aufseher rufen: „Wo ist die Sau?“ 
Da langt der Knecht selber in den Sack und 
solt aus der Tiefe der Sägespäne eine richtige, 
virkliche Sau — die Herzsau vom Kartenspiel: 
„Hier ist die Sau, seuchenfrei und zollfrei, 
eil auch abgestempelt (Die Karte Herz-Aß 
rägt bekanntlich den Spielsteuerstempel.) Und 
ch bitte, mich nicht weiter zu belästigen!“ — 
Noch am Abend desselben Tages ist der 
derr Zollinspektor abgereist, weil, wie er seiner 
orgesetzten Dienststelle telephonisch mitteilte, 
ein längeres Verweilen seinerseits in Walddorf 
ienstlich nicht mehr veranlaßt sei.“ Auch Ge— 
undheitsrücksichten spielten eine Rolle in dem 
om Postwirt belauschten Gespräch, und ein 
ofort zu bewilligender Erholungsurlaub. 
Die geschmuggelte Herzsau aber hat man 
ꝛingerahmt und zum ewigen Gedächtnis über 
dem Herrentisch im Poststübl aufgehängt 
kine Post-Untergrundbahn in London. Um den umfangreichen Postverkehr in London 
jon der Straße wegzunehmen, hat man jetzt nach pe sedepen bedeutenden Bezirken 
ine eigene Untergrundbahn fertiggestellt, die vor dem Krieg begonnen und jegtzt eröffnet 
vurde. Die Kosten betragen über 30 Millionen Mark. Die Bahn verbindet in eigenen 
Tunnels das Hauptpostamt mit den verschiedenen Filialen und die Postsachen werden 
daher nicht mehr in Autos usw. auf, der Straße, sondern durch diese Untergrundbahn 
in die einzelnen Verteilungsämter gebracht. Der Zug fährt ohne Jührer und wird von 
einer Zentrale aus diriaiert. 
Der Zollinspektor ist heute bei bester Laune, 
enn er hofft bestimmt auf einen reichen Fang. 
Un Ort und Stelle erscheint ihm der Habichts— 
iegel, den er heute das erstemal zu Gesicht 
ekommt, als ganz passables Gelände für 
zchmugglerbanden. 
Die „Festteilnehmer“ stellt er so im Gehölz 
zuf, daß sie selbst verdeckt sind, aber die Lich— 
ung genau übersehen können. Er selbst postiert 
ich mit den Grenzaufsehern vorne hin. Bald 
st alles so weit, daß der Schmuggler oder 
ine ganze Bande kommen darf. Eine Zeitlang, 
a sich nicht das geringste hören und sehen 
ißt, wird es dem Herrn Inspektor doch un— 
ꝛehaglich. 
Wie, wenn nun kein Schmuggler käme? 
Venn er sich getäuscht hätte? Wäre das nich 
ine Blamage für ihn, den hohen Beamten, 
‚or den Untergebenen und der ganzen Gesell— 
chaft? 
Aber bald schlägt sein Gefühl um. Sein 
Antlitz leuchtet Triumph— 
Am nächsten Morgen, noch vor Tagesgrauen, 
dilgert der Hochmoser Knecht mit einem Rücken⸗ 
tragkorb der Grenze zu, in der Richtung auf 
den Habichtsriegel. Kein Mensch ist noch um 
die Wege. Da und dort kräht ein Hahn, und 
zom Habichtsriegel kommt ab und zu das ge— 
dehnte Geheul einer Eule. 
Das Knechtl, selbst ein Schlankl, ist von Toni 
und Franzl ausersehen worden, den Schmuggel 
ins Werk zu setzen. Gestern abend haben ihm 
die beiden noch die nötigen Weisungen gegeben, 
und er hat freudig eingewilligt
	        
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