Seite 184
Toni hat sich in einen hellen Eifer hinein⸗
geredet; die ganze Gesellschaft ist aufmerksam
geworden.
„Ich will wetten, wenn ich morgen früh in
den Habichtsriegel hinaufgehe, kann ich solche
Schmuggler sehen. So fest bin ich von meiner
Annahme überzeugt.“
„Wenn Sie es als Einheimischer sind,“ läßt
iich jetzt der Zollinspektor vernehmen, „dann
bin ich es auch. Der Habichtsriegel ist tatsäch—
lich ein Gebiet, das von unseren Beamten wegen
seiner sonstigen Schmuggelfreiheit wenig be—
gzangen wird. Man hat bisher noch nie gehört,
daß über den Habichtsriegel auch nur das
Heringste geschmuggelt worden wäre. Das ist
—0
moser, daß Sie mich auf diese Möglichkeit auf⸗
merksam machten, die mir nun selbst sehr wahr⸗
scheinlich vorkommt. Ich lade die Herren ein,
morgen früh ums Taganläuten auf den Habichts⸗
riegel zu kommen. Dann
können Sie Zeuge werden,
wie man Schmuggler ab—
fängt, und Sie werden
Gelegenheit haben die Jin—
di keit der königlich bay—
rischen Grenzbeamten zu
bewundern. — Gute Nacht,
meine Herren!“
„Gute Nacht, Herr Zoll⸗
inspektor! Auf Wieder—
sehen morgen früh am
Habichtsriegel!“ ruft ihm
der Hochmoser Toni noch
nach.
„Sollen wir wirbklich
den schönen Morgenschlaf
hersäumen und auf den
Habichtsriegel gehen?“
meint der Lehrer.
„Gehen Sie nur mit;
Sie bereuen es nicht. Es
wird wirklich eine Sau
herübergeschmuggelt. Und
die Schmuggler, wenigstens
die Anstifter, sind der
Franzl und ich. Dem Herrn
Zollinsrektor soll einmal
etwas vorgeschmuggelt wer⸗
den, aber so, daß ihm der
Habichtsriegel und Walddorf und sein Jammern
und Großsprechen für immer verleidet wird.
Kommt nur, es wird ein Hauptspaß! Aber —
pst! — noch nichts verraten! So, und nun
ins Bett, damit wir morgen rechtzeitig auf
den Beinen sind. Gute Nacht!“
„Na, da bin ich neugierig,“ meint der Herr
Pfarrer, „den Spaß werde ich mir auch an—
sehen.“
„Nach der Schicht“
Wenn die Sonne ihre ersten Strahlen über
ie Berge heraufsendet — die Täler liegen noch
ief im Schatten —, sammeln sich bei der
'inde vor der „Post“, die „Festteilnehmer“, wie
ie der zuerst am Platz anwesende Zollinspektor,
ser sich vom heutigen Tage neue Lorbeeren er—
offt, scherzweise benannt. Als sie alle beisam—
nen sind, setzen sie sich in Marsch, dem Habichts⸗
»alde zu. Vor ihnen her patrouillieren einige
zrenzaufseher, damit die Schar den allenfallsi—
en Schmugglern, die etwa schon unterwegs
»ären, nicht zu früh verraten wird. Aber
ugesehen erreichen sie den Wald. Dort geht
s über unwegsames Gelände, über Stock und
ztein dem eigentlichen Riegel zu, eine vor
zahren abgeholzte Fläche, wo nur Brombeer⸗
anken, Ginster und ein paar kümmerliche
Bacholderstauden zwischen Stein und Geröll
»achsen. So dehnt sich der Riegel, rings von
dochwald umstanden. der Grenze zu
Heft 12/1928
Ueber die Lichtung herauf stapft einer —
iner mit einem Tragkorb! Ein Schmuggler!
Der Toni gibt dem Franzl einen Stoß in
zie Seite, und beide müssen an sich halten, um
nicht mit dem Lachen herauszuplatzen.
Der Zollinspektor triumph'sert.
Ahnungslos kommt der Schmuggler die Höhe
serauf; gerade ums Taganläuten, wie es der
Toni prophezeit hat. In Walddorf, in Schwar—⸗
enberg, in Talberg — überall läuten sie den
Tag an, und über den Habichtsriegel kommt
der Schmuggler. Sorglos, mit einer geradezu
lufreizenden Sicherheit, daß hier kein „Grenzer“
im die Wege ist. Er pfeift sogar, und was er
feift! Die Melodie eines bekannten Spott—
edes auf die königlich bayrischen Zollbeamten.
Da soll gleich —! Aber wart', Bürschchen!
Auf einmal brüllt ein mehrstimmiges „Halt!“
aus dem Gehölz, und von rechts und von
links stürzen die Aufseher, voran der Inspektor
mit gezücktem Säbel und
vorgehaltenemn Revolver
auf den „Ahnungslosen“
Der tut, als wenn er aus
den Wolken gefallen wäre
und macht weder Miene
zur Flucht noch zur Ab—
wehr.
„Hat's dich, Bürschchen?
He?!“ höhnt und trium—
phiert der Inspektor, wäh—⸗
cend die Zuschauer herzu—
zommen.
„Ja,“ wundert sich der
Toni, „das ist ja gar unser
Knecht!“
„Bitte sehr,“ wendet sich
der „Schmuggler“ an den
Inspektor, „ich rerbitte mir,
daß Sie mich „per Du“
anreden. Und ein Bürsch⸗
hhen gebe ich Ihnen noch
lange nicht ab!“
„Ei, ei, aufmucken möchte
er auch noch. Den Korb
herab! Was ist in dem
Korb?“
„Eine Sau!“
„Wie — was? Also
wirklich eine Sau! Und
iatürlich eine verseuchte, he?!“
„Keine verseuchte! Aber eine Sau, eine rich—
ige, wirkliche Sau!“
Die Aufseher rufen: „Wo ist die Sau?“
Da langt der Knecht selber in den Sack und
solt aus der Tiefe der Sägespäne eine richtige,
virkliche Sau — die Herzsau vom Kartenspiel:
„Hier ist die Sau, seuchenfrei und zollfrei,
eil auch abgestempelt (Die Karte Herz-Aß
rägt bekanntlich den Spielsteuerstempel.) Und
ch bitte, mich nicht weiter zu belästigen!“ —
Noch am Abend desselben Tages ist der
derr Zollinspektor abgereist, weil, wie er seiner
orgesetzten Dienststelle telephonisch mitteilte,
ein längeres Verweilen seinerseits in Walddorf
ienstlich nicht mehr veranlaßt sei.“ Auch Ge—
undheitsrücksichten spielten eine Rolle in dem
om Postwirt belauschten Gespräch, und ein
ofort zu bewilligender Erholungsurlaub.
Die geschmuggelte Herzsau aber hat man
ꝛingerahmt und zum ewigen Gedächtnis über
dem Herrentisch im Poststübl aufgehängt
kine Post-Untergrundbahn in London. Um den umfangreichen Postverkehr in London
jon der Straße wegzunehmen, hat man jetzt nach pe sedepen bedeutenden Bezirken
ine eigene Untergrundbahn fertiggestellt, die vor dem Krieg begonnen und jegtzt eröffnet
vurde. Die Kosten betragen über 30 Millionen Mark. Die Bahn verbindet in eigenen
Tunnels das Hauptpostamt mit den verschiedenen Filialen und die Postsachen werden
daher nicht mehr in Autos usw. auf, der Straße, sondern durch diese Untergrundbahn
in die einzelnen Verteilungsämter gebracht. Der Zug fährt ohne Jührer und wird von
einer Zentrale aus diriaiert.
Der Zollinspektor ist heute bei bester Laune,
enn er hofft bestimmt auf einen reichen Fang.
Un Ort und Stelle erscheint ihm der Habichts—
iegel, den er heute das erstemal zu Gesicht
ekommt, als ganz passables Gelände für
zchmugglerbanden.
Die „Festteilnehmer“ stellt er so im Gehölz
zuf, daß sie selbst verdeckt sind, aber die Lich—
ung genau übersehen können. Er selbst postiert
ich mit den Grenzaufsehern vorne hin. Bald
st alles so weit, daß der Schmuggler oder
ine ganze Bande kommen darf. Eine Zeitlang,
a sich nicht das geringste hören und sehen
ißt, wird es dem Herrn Inspektor doch un—
ꝛehaglich.
Wie, wenn nun kein Schmuggler käme?
Venn er sich getäuscht hätte? Wäre das nich
ine Blamage für ihn, den hohen Beamten,
‚or den Untergebenen und der ganzen Gesell—
chaft?
Aber bald schlägt sein Gefühl um. Sein
Antlitz leuchtet Triumph—
Am nächsten Morgen, noch vor Tagesgrauen,
dilgert der Hochmoser Knecht mit einem Rücken⸗
tragkorb der Grenze zu, in der Richtung auf
den Habichtsriegel. Kein Mensch ist noch um
die Wege. Da und dort kräht ein Hahn, und
zom Habichtsriegel kommt ab und zu das ge—
dehnte Geheul einer Eule.
Das Knechtl, selbst ein Schlankl, ist von Toni
und Franzl ausersehen worden, den Schmuggel
ins Werk zu setzen. Gestern abend haben ihm
die beiden noch die nötigen Weisungen gegeben,
und er hat freudig eingewilligt