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richt zu beachten haben. Daß im Jortbildungs-
interricht auch und gerade der Religionsunter—
richt als ordentliches Lehrfach unbedingt erteilt
verden muß, ist für katholische Eltern selbst—
»erständlich. Nur durch die völlige sittlich-reli—
gziöse Durcht änkung des gesamten Unterrichtes
zönnen Männer und starke Charaktere heran—
gebildet werden. Bei uns ist nun der Jort—
bildungsunterricht vom 14. bis 18. Lebensjahre
im allgemeinen obligatorisch, d. h. es herrscht
Schulzwang. Unentschuldigte Schulversäumnis
zieht Bestrafung nach sich. Jeder Arbeitgeber
hat daher seine berufsschulpflichtigen jugend—
lichen Arbeiter zur Berufsschule zu schicken.
Er darf sie nicht davon abhalten. Bei Krank—
heiten der Schüler hat er dies dem Leiter der
hetreffenden Schule mitzuteilen, für Beurlau—
hungen muß er Urlaub beantragen. Anderen—
jalls macht er sich strafbar. Die berufenen
Lehrer für die allgemeine FJortbildungsschulen
und die besonderen Berufsschulen sind nun die
Geistlichen, Lehrer, Richter und Aerzte. Was
lernt man denn alles in diesen Schulen?
Zunächst wird das religiöse Wissen ver⸗
tieft. Außerdem sind die hauptsächlichsten
Lehrçegenstände: Bürgerkunde, Rechnen,
Deutsch, Materialien- und Maschinen⸗
zunde, Buchführung, Zeichnen, Schreib—
naschine, Geschäftskunde, Volkswirtschaft,
dürgerliches und öffentliches Recht. Alles
Wissenschaften und technische Fertigkeiten,
die das Fortkommen späser im Lebens—
Jerufe außerordentlich erleichtern und die
jeranwachsende Jugend mit dem für
hren Beruf erforderlichen Rüstzeug aus—
zezeichnte und vollständig versehen.
Darum heißt es auch für sie: Besucht
die Fortbildungsschulen pünklich und
freudig! Es liegt in eurem ureigensten
Interesse und macht euch zu brauchbaren
Hliedern der großen Volksgemeinschaft,
der wir alle dienen müssen.
Der Heilige im blauen Kitt.l.
Auf den Josephstag von Hans Sauerland
M gibt einen Heiligen, der ist, fast möchte
man sagen, „aus der Act geschlagen“.
7 Als er noch lebte, kannte man ihn
NX kaum denn er trug nicht den Strahlen⸗
Skranz übermenschlicher Tugenden mit sich
herum. Er starb auch nicht „im Geruch der
Hei igkeit“. Niemand pilgerle zu seinem Grabe,
eine Gebeine wurden nicht feierlich erhoben
und in goldenen Särgen beigesetzt. Alles was
wir von ihm wissen, sind drei oder vier Sätze
der Heiligen Schrift. Und sie berichten nichts
pon erhabenen Visionen, von Kasteiungen und
Wundertaten, nicht einmal von Rutenstreichen
und blutigem Martyrium, das doch damals
so billig zu kaufen war.
Soll man sich wundern, wenn Joseph der
Zimmermann aus Nazareth in den Schatten⸗
winkel der Heiligenverehrung geraten ist? Nicht
der Kirche, denn diese feiert sein Andenken
nach Gebühr und hat ihn feierlich zu ihrem
Schutzpatron erkoren. In der Liebe unseres
zatholischen Volkes aber muß er qgar oft hinter
„Nach der Schicht“
em todesmutigen Paulus, dem kühnen Se—
astian, dem fröhlicharmen Franz, dem wunder—
itigen Antonius und vielen anderen zurück—
zehen, er, der so gar nichts aus sich zu machen
»ußte. Drum blühen an seinem Altar nur
erstaubte Papierblumen, drum kniet gar so
elten ein Beter davor, drum geben viele Väter
zren Kindern lieber Namen von größerem
dlang.
Auch ich trage nicht deinen Namen, aber ich
in dir von Herzen zugetan; denn ich sehe dich
ei meiner Arbeit allezeit vor mir. Auch du
ast ja dein Leben lang um ein karges Brot
ewerkt, unbeachtet und dennoch fröhlich. Du
ichelst mich an von der Hobelbank, obgleich
ir die Schweißtropfen auf der Särn stehen.
Rein blauer Kittel ist wahrhaftig nicht mehr
hön, und deine rauhen Hände können höch—
ens das eiserne Winkelmaß, nicht aber die
arten Lilien halten, die man dir zugedacht
at; deshalb stehen sie neben dir in einer
chlanken Vase. O, ich kenne dein Bild qut!
z tn,.
Infolge andauernder Regengüsse lösten sich in Idstein im
Taunus etwa 150 Kubikmeter Gesteinsmassen hinter dem
lten Rathause und stürzten in den Rathaushof. Die
dinterwand des alten Rathauses, das bekanntlich auf
inem Torbogen steht, wurde eingedrückt, das ganze Ge—
väude aber um etwa 20 Zentimeter von seiner Stelle
verschoben. Das Rathaus wurde geräumt
Ich kenne fast alle Bilder, welche die Meister
von dir gemalt haben. Es sind unechte darunter,
iuf denen man dir prächtige Gewänder mit
veichen Falten angezogen und dir den Bart
übsch frisiert hat, daß du fast aussiehst wie ein
daufmann aus Alexandrien. Aber ich glaube,
u selber schüttelst den Kopf dazu. Andere
Neister haben dich besser verstanden, aber eines
onnten auch sie nicht mit Pinsel und Jarben
Aiedergeben: den salzigen Schweiß der Arbeit,
en Harzduft des frischen Holzes und den
urchdringenden Geruch des Leimtopfes. Und
och gehört das alles mehr als bloß äußer—
ich zu dir; denn du bist der Heilige der
lrbeit, der harten, schweren, niedrigen Hand—
rbeit und des armen, verachteten, werktätigen
zolkes.
Soll man dich darum preisen oder bemit—
iden, wenn das überhaupt möglich wäre?
zicher steht die Handarbeit nicht sehr hoch im
durs, und mancher zieht seinen Arbeitsrock
us, wenn er nur über die Straße zu gehen
raucht. Der blaue Kittel gar und die Holz⸗
huhe sind verfemt. Ist es eine Schande ge—
porden, mit seiner Hände Arbeit sein Brot zu
erdienen? Dann ist freilich kein Raum mehr
Heft 12/1928
ür Joseph den Zimmermann und seinen durch—
chwitzten Kittel. Käme er heute wiederum ins
?and, wie damals nach Bethlehem, er würde
benso oft abgewiesen. Das ist klar, er ist zu
escheiden, zu still, zu friedferrig — kurz und
jut: er paßt nicht mehr in unsere Zeit hinein.
r ist überlebt.
Es geht ihm auch noch etwas anderes ab,
oeshalb er von den modernen Menschen nicht
nehr zum Vorbild erwählt wird: es fehlt ihm
janz und gar der Ehrgeiz, die Sucht, unter
illen Umständen „Karriere zu machen“. Tag
mm Tag, Jahr für Jahr, tut er dieselbe Arbeit,
hne an einem Titel oder ein Diplom zu
enken. Er erinnert sich nicht einmal daran,
aß er aus königlichem Blute stammt. Statt
essen arbeitet er einfach wie jeder Niedrig—
eborene. Nein, eine solch ausbündige Einfalt
bürde sich heute nur lächerlich machen.
Vollends würde man den für einen Narren
)alten, der das Brautgeheimnis seines ange—
rauten Weibes in heiliger Ehrfurcht bis an
sein Ende wahrte. Vielleicht auch würde
man ihn einen schlauen Heuchler schelten
und frischweg behaupten, so etwas sei
erwiesenermaßen unmöglich. Jedenfalls
wäre das der größte Stein des An—
stoßes, über den er stürzen müßte. Ueber⸗
haupt und wenn schon — nirgends steht
don ihm geschrieben, daß er nach getaner
Arbeit in die Schenke ging, um sich die
Gurgel auszuschwenken, oder in die Ver—
einsversammlung, um dort zu debattieren.
Offenbar blieb er Abend für Abend zu
Hause, plauderte mit Maria und ließ
das Kindlein Jesus auf seinen Knien
eiten — also muß er entweder ein
Stubenhocker oder ein Pantoffelheld ge⸗
vesen sein.
Nicht wahr, das ist ungefähr der Spie⸗
zjel, in dem die Welt von heute Joseph
hden Zimmermann sieht. Sie nennt ihn
inen armen Teufel, weil er im Schweiße
eines Angesichts arbeiten mußte, einen
Trottel, weil er trotz seines blauen Blutes
uur einen schlechten Kittel trug und nicht
höher hinaus woilte, einen Heuchler und Narren,
veil er nicht das Leben der anderen mitlebte.
fin hartes Urteil, aber der, dem es gilt, lächelt
arüber aus der Höhe seiner himmlischen Ver⸗
lärung, und die Kirche, an deren Anfang er
teht, fängt mit einer wundervollen Schwung—
,raft das Urteil der Welt auf und verwandelt
s in eine Litanei von herrlichen Lobesworten.
inen ganzen Monat lang fordert sie auf:
Hehet zu Joseph!“ Indem sie aber den armen
zimmermann beneidet, segnet sie alles, was
hn groß und heilig gemacht hat: die Fröhlich—
»eit in der Armut, die Arbeitsamkeit ohne
Zrofitgier und Erfolgsjägerei, die Bescheiden⸗
‚eit, welche quillt aus der Demut des Herzens,
ie Reinheit inmitten einer verderbten Welt
ind die Pflichttreue bis zum letzten Atemzug.
Alltagstugenden“ oder nicht — ich liebe sie
ausendmal mehr als Wunder und vVisionen.
zibt es für einen Mann ein schöner Bild
ind Zeichen als Winkelmaß und Lilie? Ihr
Nänner der Arbeit, wollt ihr nicht auf euren
Schultern euren Heiligen heraustragen aus dem
zchattenwinkel)