Heft /1928
herstand. Ihre große, kräftige Gestalt, nament⸗
lich ihre energischen Fäuste, die sie nicht zu
schonen pflegte, wenn die Jungen es einmal
allzu toll trieben, verschafften ihr den ge—
bührenden Respekt. Daß die Liebe auch nicht
kurz kam, dafür sorgte die unermüdliche
Aufopferung Nannis, ihr warmes, hilfsbereites
—7 Die Gruberbuben wußten recht gut, wer
ie in ihren Krankheiten pflegte, wer ihre
ene Joppen und Hosen flickte und die
sten Krapsen und Buchteln für sie zu backen
verstand.
Wenn die Nannf eimal wetterte, so hatten
sie es sicher verdient, und wenn es schlueßlich
im Gemitter einschlug, so war es auch noch
ihre Schuld. Denn unangemeldet kam der
Schlag ja nie. Wie Blitz und Donner dem
Wolkenbruche, so ging regelmäßig die Warnung
voraus: „Ich bin schon am Punkt!“ Danu
wußten die Grube.ischen, daß Nannis Gedulds⸗
faden aufs höchste gespannt war. Der Kluge
nahm sich dann zusammen.
Heute wollte das aber der Lenzl nicht ver⸗
stehen. Schon dreimal hatte ihn die Nanni
mit einem energischen Puff von Sopherls
Wiege fortgeschafft, daß er wie ein Federball
in die Ecke zurückflog, in der er augeolich au
seinen Schulaufgaben saß. in der Tat aber
papierene Heuschrecken faurizierte, um s.e seinem
Schwesterchen auf Augen, Nase und Mund 34
sehen. Warum heulte das dumme kleine Ding
mmer gleich so, daß die Nanni aus der neben⸗
liegenden Stube wie ein Rachegeist heraus⸗
gelockt wurde und zornig auf der Türschwelle
erschien!
„Das, wenn du mir noch einmal tust, du
Menschenquäler, du Raubmörder du!“ drohte
sie mit dem Ausklopfer.
Aber den Lenzl plagten jetzt auch die Rache⸗
seie in seinem Innern. Einmal mußte er
em Sopherl das grundlose, unzeitige Geschret
doch vergelten; dann würde er es in Ruhe
lassen. Ein bischen Zwicken würde das dicke
Wickelkind schon nicht umbringen. Gedacht, ge⸗
an. Die Nanni klopfte ebden mit vielem Rach⸗
druck einen Teppich aus, da stand der Lenzl
—D —
diesem einen blauen Jleck in das runde Aerm—
chen. Das Geschrei des Wickelkindes hätte jetzt
ein ganzes Dugend klopfender Mägde über—
tönt ..Wie der Bliz fuhr die Nanni herbei.
Mit einem Blick überschaute sie die Situation.
„Du Malefizbub! hab' ich nicht gefagt, daß
du ein Raubmoͤrder bist und das Hascherl noch
umbringen wirst? Und noch dazu am Kar—
freitagl“ Und damit begann der Pracker auf
dem Rücken Lenzls zu tanzen, daß diesem
Hören und Sehen verging. Cin Glück für ihn,
daß sein Geheul das Nickelkind zu neuer Kraft⸗
leistung begeisterte; denn in der Befürchtung,
das Sopherl möchte sich einen Schaden an—
schreien, eilte die Nanni jetzt besorgt zum
Wiegenkorbe. Als der Lenzl sah, mit wescher
Zärtlichkeit der Grund all seines Mißgeschickes
geherzt und beschwichtigt wurde, mehrte sich
ein Zorn. Grollend kauerte er sich in die Ecke
und dachte über sein erlittenes Unrecht nach
Wie ganz anders würde sihh das Leben ge—
stalten, wenn die Nanni nicht immer dazwischen—
führe, so oft er sich einen unschuldigen Spaß
erlaubtel Früher war es viel gemütlicher ge—
wesen; aber seit das Sopherl erschienen, konnte
man es einsach nicht mehr aushalten. Alles
drehte sich um das Fatschenkind. Wenn die
Buben sanzgen, hieß es: „Stad sein, das
Sopherl schläft!“; wenn sie im Zimmer herum⸗
prangen: „Gebi's a Ruh, ihr werft das
Sopherl um!“ So ging es den ganzen Tag.
Er und die Brüder galten rein nichts mehr
Um meisten hatte es zu Nanni aber auf ihn
Mach der Schicht“
—
2 4
vuũünschen wir allen Lesern und Le-
serinnen, Mitarbeitern und fFreunden
Gottes reichsten Segen.
ir bringen für unsero Lesesschafi, die
2uch im eizten Jarhre um mehçere Tausend
zugenommen hat, im neuen dahre eine
freudige Ueberraschung
n Gostatt einer Bitderbeilage, die intoressanto
Dastenungen von Personen und Ersignissen
aus ato MWeit in hobschem Tiefdruck bingen
vird. Di⸗ Benago wied 8 Seiten umfassssen
and monatiich einmat (2 Nummern im
lahre) ,Nach der Schicht“ beinegsn. Das
Angenehme dabsei füör unsere Leser wird
aria bestehön, dass wir die Séeilage
ohne Erhöhung
dos Heftpreissess belegen Dem Vertag or—
wvächst dadureh eine Mehrausgabe von vieten
au Jι Mark; wie werden diese beadéutende
Menhnrbeasturg nur dann ortragen können.
vsehn dee Auf ge von .Naen der Schicht“ oine
btarke Echönung erfänrt. Wir bitton deshaib
alle unsere Leser
und Leserirnen
unsoro Aufforderung und unser Angebot in
Jon otzton Heften zu beachten und sich an
dom eifrigon
Wettbewerb zum Gewinnen
neuer Abonnenten
Ur AMaeh derSchicht“ betoitigen æu wotlen.
Verlag und Redait'on „ach der
Schentes, Wiobelsirehon (Saar).
— ⏑“
Wgesehen; ihn hatte sie förmlich zum Mörder
hres Schütlings auserkoren. Es war gewiß
uch nur aus Rache, daß sie ihn heute wegen ein
ischen Halsweh mit dem Iritz zu Hause be⸗
zalten, während die Mutter mit den anderen
Zrüdern die heiligen Gräber anschauen ging.
zmmer mehr steigerte sichh sein Zorn, nicht gegen
»as Sopherl — das dumme Ding war ja doch
iur ein Jatschenkind, das nichts vecstand —
iber die alte Nanni hätte gescheiter sein müssen
ind sich nicht so zu ändern brauchen. Sie
var ja rein vernarrt in das Sopherl. Er hatte
inmal gehört, im Alter würden die Leute kin—
disch, und die Nanni war alt, gewiß fing es
bei ihr auch schon an. Die Nanni war alt.
Fortsetzung folgt.
—E
vom vener aus de Palz
ei Plauderei üwer Hindeburgs 80. Ge—
F J burtsdag hat m'r e Berefj aus 'm
1Kreis Wadern inngebracht. Do schreibt
Vle Leser von „Nach der Swcicht“: Lieder
* Setter aus de Palz, ich lese Ihre
Vr vescichte immer in „NRach der Schiqht“,
auc, in Nr. 45, da lese ich die schönen Worle
iber den Reichsprasisenten von unserem
—KDDDVVD
groß, abe — — — — Und nun schil⸗
Seite 13
dert mir unser Abonnent sei Schicksal als
in Lothringen ausgewiesener Reichsdeutscher,
der mit seiner sechsköpfigen Jamilie Haus
un Hof, das er sich dorch Fleiß und Spar—
amkeit erworb hat, hat wider verlasse müsse.
Er wohne jetzt wider in seim Geburtsort, in
re menschenunwürdigen Wohnung usw. Er hätt
iich in seiner Not schon an de Herr Indete
gewandt, aber der hätt' 'm a net geholfe u
etzt deht er sich emol an de Better aus de Palz
vende ob der m net heife könnt. Obwohls
ↄ gar net in de Rahme von meiner Plaudereit
gehört, will ich dem Briefschreiwer doch e Ant⸗
vort gewe off sei Anfrage. De Vetter aus de
Palz kann do so wenig helfe wie jeder annere,
dann er isch selbscht nur e kleener Handwerks⸗
nann,. der de Krieg un die Inflationszeit hart
nitgemacht hat un sei Gesundheit als sei gan—
zer Reichtum betracht. Daß 's de ausgewiesene
Reichsdeutsche net besonnersch gut gang isch
uin dauß se meischtens net das bezahlt kriegt
yan, was se verlor han in Lothringe, sell wisse
n'r allegar. Das hängt awer net von einzelne
Persone. wie zum Brispiel vom Hindenburg
ab, daß das so gang isch, dodran isch die Ge—
jetzgebung schuld, dorch die wo das alles ge—
zegelt isch un die Gesetzgeber han sich bei
Feschtlegung von de Entschädigungssumme noh
de Mittele richte müsse, wo 's Reich zur Ver—
jügung hat. Daß die Ausgewiesene im Darch—
cmitt sehr schlecht eweg kumm sinn un net
das kriegt han, was se reclor han, schteht fescht.
Awer liewer Freund, s war doch Kröeg.
Wer kann dann de Eltere ihr Söhn, de Fraue
ihr Männer voll un ganz ersetze, wo se im
Krieg verlore han? Wer kann dann ail die
hunnertdausende arme Krüppel so bezahle, daß
se e Ausgleich for ihr gesunde Glieder hätte,
wo se 'm Vaterland geopfert han? Fragen se
ꝛeni Mutter ob se net ihr Hüttche un ehr Alles
gern hergäb wann se ihren Sohn wider m
die Arme nemme könnt. Dann denke se emol
in all die wo in de Inflationszert ehr sauer
erdiente Ersparnisse verlore han un heut
Zunger leide müsse, well 's Vaterland eensach
iet in de Lag isch die verlorene Gelder wider
o off sewerte oder serücksegewe wie 's recht
vär. Mir all sinn Kriegsopfer un
nüssen so lang wie m'r lewe an de Kriegsfolge
rage, mei liewer Freund, ich und alle Andere,
die net zu de Kategorie der Kriegsgewinnler
gehöre, auch sie, liewer Freund. Mir siehn
hvoch täglich, daß unser Regierung un anser
Harlamente droff aus sinn sor noh un noh alles
vider gut se mache un könne feschtitelte, daß
chon manches besser wor isch in der Beziehung.
Awer mir han ewe doch de Krieg verlore un
jan uns me Friedensvertrag beuge müsse unner
dem m'r all timol sesammebreche, wann r net
»ald revidiect werd. Sie neane sich ein unglück⸗
icher Deutschher well ihne net alles ersetzt wor
sch, was se in Lothringe veclor han. Wie soll
sich dann der neane, der im Keieg sei Auge
oder sei Hände verlor hat. Wie solle sich
dann die nenne, die dausende Soldate, die
heut noch als unheilbar ecklärt, in Kranke—
)auser lewe un dahin siohe, die so ver—
tümmelt sinn, daß ke Mensch sie mehr siehn
darf. Also, liewer Freund, die Sach isch nir
jalb so schlimm, wie sie sich die Geschicht in
de Kopp sege. Ich bin sogat der Ansicht, daß
mir a glücklich un zufriede lewe kann, wann
n'r ke eige Haus hat. Un daß mit der Woh—
iungsnot werd sich a schon gewe, bald werte
nol wieder Recht un Gerechtigjkeit off de Welt
jerrsche un viellciht alle Mensche sefriede werre.
AUwer nur net erum gehn un de Kopp hänge
osse un heule un jammere wie e alti Fraa, well
toch net alles Unzent aus de Keiegszeit gut
gemacht isch. De Kopp hoch un 'm Herrgott