Full text: Nach der Schicht (24)

Selie 12 
NMach der Schicht“ 
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Für unlere Rindervoeelt 
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Heft 1/ 1828 
J 
— ——— — 4 
Die Nanni 
veon den Kaisermühlen. 
Von M. v. Greiffenstein. 
¶ erade geht die Nanni über den Nasch⸗ 
I marki. Es ist eine rüstige Fünf⸗ 
zigerin mit festen, nicht unschönen 
Zügen, leohaftem Kolorit und großen, 
— blauen Augen. Die ganze Er— 
scheinung hal etwas Energisches und 
doch auch wieder Gutmütizes. Vor dem 
Standerl der Loosdorfer-Kathi, die immer 
die beste Butter hat, bleidt sie stehen. 
Die Höcke.!in kann sich angesichts ihrer 
alten Kundschaft eines Auflachens nicht er⸗ 
wehren. 
„Bist halt doch noch bei den Gruberi⸗ 
schen! ... Dd mir's eh' denkt!“ 
Die Nannůu zieht den großen Familienkorb 
fester an sich und schaut sast ein bischen ver⸗ 
legen drein. „Das hat a b'sondere Be— 
wandtnis“, meint sie würdevoll. 
„Ha, ha, die Bewandtnis, daß du halt 
zu gutmütig bist und nicht fortkommst von 
den Gruberleuten, wannst du dich auch 
hundertmal verschworen hast. Vor vierzehn Paß auf, die Nanni ist schon am 
Tagen hast noch g'sagt ...“ Puntt!“ warnte der Gruberfritzl seinen um 
„Kathi, was hab' ich vor vierzehn Tagen ein Jahr, älteren Bruder Lorenz. Wenn 
gJ'sagt?“ die Ranni „am Punkt“ war., dann wußten 
„Was du vor vierzehn Taçen g'sagt hast? die Grube ischen Kinder, daß eine Exekution 
Ich weiß es noch akkurat so gut, als wann nahe bevorstand. Die Nanni konnte vieles 
ich's vor dem Kriminal beseugen müßt'. ertragen, aber nicht über ein gewisses 
Wann jetzt die Grule in den sieb'ren Buden J Maß hinaus. . 5 
kriegt, hast g'sagt, nachher ist's aber aus!l Dann „Na, und nachher bist halt doch blieben!“ CSeit fünfzehn Jahren die einzige Stütze 
wird die Nanni kündigen.“ Weil die Gruderin kan Buben, sondern iner schwachen kränklichen Frau, deren Mann, 
„Ist richtiz!“ bestütige die Nanni ruhig, a Madl kriegt hat“, verkündigte die Ranni ein Dekorationsmader, nicht selten Wochen und 
„so hab' ich g'red't.“ mit Emphase. Monate vom Heu ferngehalten wurde, war 
„Mit sechs Buben, hast weiter g'sagt, hab⸗ „A Madi hat's kriegt?“ rief die Kathi jetzt ie es eizentlich, auf deren zwei Augen und 
ich schon s Fegfeuer auf Erden — wann der außer sich vor Erstaunen. „Wie heißt denn Armen das ganze Hausmesen lastete: sie na⸗ 
siebsde kommt, wird's die hellichte Höll'.“ nachher das Hascherl?“ mentlich, welche die Knaben, die fich nach und 
„Auch richtig!“ bejahte die Nanni neuer⸗ „Hast wohl völlig recht, wannst du Hascherl nach wie Orgelpfeifen um den häuslichen Herd 
dings. sagst. A Hascherl ist's wahrhaftig. Denk' dir zeschart, in Zucht und Ordnung zu halten 
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Die sMlinistrantentknaben. 
AV 
Gruberbuben; das ist g'rad wie a Tauberh 
i an Geiernest.“ 
„Jetzt geht mir a Licht auf“, warf die 
Hoͤckerin dazwischen. 
„Da müßt ich ja a Kindsmörderin sein, 
wenn ich das Häuterl im Stich lassen tät; 
wär's a Bub g'wesen, gleich nach die ersten 
pierzehn Täg' hätt' ich der Frau gekündigt; 
aber jetzt ist's mein Beruf, daß ich dem 
Sopherl das Leben retten wu.“ 
„Ist das Kleine soviel schwach?“ fragte 
die Kathi mitleidig. 
„Pumpergesund ist's; sechs Kilo hat's 
und Wangen wie Paradeisäpfel, aber die 
Buben, die Buben! Da ilt man ja keinen 
Augenblick siher, daß sie ihm nicht das 
Köpferl eintätschen oder a Handerl aus— 
ceißen. Ich hätt mich ja nit amal auf den 
Markt getraut, wann die Halunken jetzt 
nicht in der Schule wär'n; nur der Tonerl 
ist bei der Frau. Doch jetzt muß ich mich 
— ich hab' noch ettie Gäng'. 
hüt dich Gott. Kathil ..“ 
In alten bũchern wird viel erzählt, 
Wie Jesus (hristus, der hert der Welt, 
5o gern bei den stindern det Menschen wohnt, 
Absonderlich, wo noch finfalt thront, 
Und kindlicher blanbe und frömmigkeit 
die herzen jum Tempel der bottheit weiht. 
So spricht eine alte Chronik: ks war 
In einem kloster ein stnabenpaar, 
die kamen tagfäglich zur Sakristei 
Und dienten gehorsam der kilerisei. 
Und Bruder Bernardus der sakristan, 
kin strenger und gottigefälliget Mann, 
der hielt sie jur Zucht und Andacht an, 
Und hattfen sie oft einen fehlet gemacht, 
50 hat er sie ernst mit 5chlügen bedacht. 
Ddef liebten die snaben ihn um so mehr 
Und waren gar so gern um ihn her; 
Auch haben sie, wenn sie zur stürche gekommen, 
Ihr kleines frühstück mit sich genommen 
Und setzten sich nach geendeten Messen 
Dergnügt in die scke ihr Brod pu essen. 
ks war aber auch in der Sakristei 
Don der Jungfrau Maria ein fonterfei, 
Wie sie sanft im Arme den hjeiland hielt, 
kin wunderliebliches Marmorbild. 
Und sieh' eines Tages, als die näblein afen, 
hat das Jesuskind seine Mutter verlassen. 
Und ging im den frommunschusdigen fnaben 
Und teilte mit ihnen dee irdischen baben 
Und gensff die liebliche frucht und das Groi, 
Was jeder in Unschuld zur 8peise ihm bot. 
da hat er wohl auch der Zeiten gedacht, 
Vie er einst in stazareth zugebracht 
Nit Johannes in seliger fiudheit spielend 
Jes Daters Willen mit freuden erfüllend. 
zo stieg er herab noch manchesmal, 
mich erfreuend am einfach kindlichem Mahl. 
die snãblein aber verdroß das fast, 
Und sie klagten über den kleinen bast 
dei Meister Bernardus, dem Sakristan. 
der hört mit 5taunen die stinder an, 
Und pries im Stillen des herrn krbarmen, 
der gern verweilt bei säindern und Armen, 
Iind sprach, sobald er sich wieder gefaßt: 
stun, sinder, kommt euer kleiner bast, 
Im wieder von eurem Mahl zu speisen, 
zo sollt iht ihm auch kKeveren, erweisen, 
)Jann mögt ihr bescheiden die bitte tun: 
Aieweil er von eurem GBrote nun 
zo oft genossen so mäag' er in s6nnden 
zum eigenen Mallle euch einmal laden, 
And habt ihr das hers und dürft es sagen, 
ʒ0 mõgt ihr den stleinen zugleich noch fragen, 
Ib auch ich mit euch in den mmlischen 5800l 
erscheinen dürfe um Abendmanl.“ 
das haben die sinäblein sich wohl gemerkl 
Und sagten, von kind icher kinfalt geliärkt, 
Als wieder das Jesuskindlein kam, 
lnd Teil an dem könglichen Mahle nahm: 
du willst unser bast nut immer sein, 
dun lade zu dir uns einmal ein; 
And gewährst du in bnaden die kleine bit', 
50 nimm auch bdater Bernardus mit.“ 
die bitte wird alsbald Geiden gewährt, 
Und ehe noch Jesus zut Mutter kehrt, 
zefiehlt er den knüblein: „slun seid bereil. 
Im himmelfahrtsfest jur Morgenseit, 
ann führ' ich euch al in's baterhaus, 
Jas richtet dem Meister getreulich aus.“ 
Ne stinder verlieren hiervon kein Wort 
ind ertahlen Alles dem sMeister sofort. 
Nraut kam das genannte fest des hherrn 
zaum leuchtet noch der Morgensternn, 
Als schon Bernardus am fjochaltar 
YNe sllesse las, ihm zur Seite war 
In stiller Andacht das finabenpaar. 
zaum mochte die Messe vollendet sein 
zo schliefen die dreie ruhig ein, 
ss war der letzte, der ruhgste schlaf, 
der plötzlich die Leiber der blücklichen kraf. 
der hert aber hatte den beist der frommen 
zut sslahtzeit des himmlischen Cammes genommen 
3. bal QAoret
	        
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