Full text: Nach der Schicht (24)

Heft 1/1928 
Glaubens verheißen. Ein Jünger Christi 
muß also ohne Wenn und Aoer an die 
Wunder des Evangeliums glauben und auch 
daran, daß im Laufe der Kirchengeschichte 
einzelne Wunder vorkommen können. 
Christus hat Wunder gewirkt: Er hat dem 
Seesturm Ruhe geboten und ist selber auf 
dem Wasser wie auf festem Boden gewandelt. 
Er hat Kranke geheilt und aus unreinen 
Seelen böse Geister ausgetrieben. Er hat mit 
einem Wort Menschen zu seiner Nachfolge 
berufen. Er hat Tote erweckt und ist selber 
vom Tode auferstanden. Ja, Christus hat noch 
mehr Wunder gewirkt als im Evangelium 
aufgeschrieben sind. 
Christus hat seiner Kirche die Wunderkraft 
des Glaubens verheißen: Ein rechter Glaube, 
sagte er, könne Berge versetzen, und denen, die 
glauben, werden Wunderzeichen folgen: „In 
meinem Namen werden sie böse Geister aus— 
treiben, in neuen Sprachen reden, Schlangen 
aufheben, und wenn sie einen tödlichen Trank 
trinken, wird es ihnen nicht schaden.“ „Wer 
an mich glaubt, wird noch größere Werke 
vollbringen.“ Tatsächlich hat das Wunder den 
geschichteichen Weg der Kirche begleitet. Im 
Anfang in größerer Zahl, weil die ersten Send⸗ 
boten einen stärkeren Ausweis für ihre gött— 
liche Sendung brauchten; später, als die Aus— 
breitung des Reiches Gottes selber als großes 
Wunder vor Augen stand, in kleinerer Zahl. 
Immer wieder aber hat von Zeit zu Zeit die 
Hand Gottes in den natürlichen Lauf der 
Dinge eingegriffen. Immer wieder hat es dem 
Vater gefallen, die Weisheit der Welt durch 
die Torheit des Kreuzes in wunderbarer Weise 
zuschanden zu machen. Auch die Jrauenwelt 
hat an diesen Wunderkräften des Glaubens 
ihren Anteil, wie es von den Töchtern des 
Diakons Philippus in der Apostelgeschichte 
berichtet wird. Wir müssen nicht jedes einzelne 
Wunder glauben, das in den Heiligenlegenden 
erzählt wird, aber daran müssen wir glauben, 
daß die Verheißung des Evangeliums sich er⸗— 
füllt, daß im Namen Jesu heute noch Wunder 
möglich sind. 
2. Grundsatz: Christus hat vor falschen 
Propheten und falschen Wundern gewarnt 
und damit vorausgesagt: Es gibt neben den 
echten auch scheinbare Wunder. Wir müssen 
also von Fall zu Jall prüfen, ob diese oder 
jene wundersame Tatsache ein wirkliches oder 
ein scheinbares Wunder sei und müssen uns 
in bezug auf die Wunder ebenso vor dem 
Aberglauben wie vor dem Unglauben hüten. 
Thr kennt die warnenden Worte Christi: 
„Es werden falsche Christusse und falsche Pro— 
pheten auftreten und große Wunderzeichen 
wirken, um womöglich auch die Auserwählten 
irre zu führen.“ Man wird zu euch sagen: 
Siehe, hier ist Christus und dort ist er. — 
„Geht nicht hin und laufet dem nicht nach!“ 
Christus hat also gewarnt, wiederholt gewarnt, 
nicht leichtgläubig zu sein und nicht allen Wun— 
dergeschichten nachzulaufen. 
Neben den echten Wundern, die vom Jinger 
Gottes gewirkt sind, gibt es also wunderähn⸗ 
liche Zeichen, Taten oder Leidenszustände, die 
vor dem Auge Gottes keine echten Wunder 
ind. Sei es, daß durch Täuschung und Taschen⸗ 
spielerkunst den Sinnen des Menschen vor—⸗ 
gemacht wird, was ihnen wunderbar vor— 
„Nach der Schicht“ — 
Seite 11 
Das neue Schnellgleitboot. Vor einigen Tagen erregte das Eintreffen eines eigenartigen Fahr⸗ 
seugs in London großes Aufsehen, zumal es sich herausstellte, daß dieses neue Fahrzeug den 
Zänal in 20 Minuͤten überqueri hatle. Ein franzöfischer Ingenieur hat dieses neue Motorboot, 
das eine Kombination zwischen Motorboot und Wasserflugzeug darstellt, erfunden. Abgesehen 
bon seiner großen Schnelligkeit (100 engl. Meilen in, der Stunde, ca. 160 Kilometer), hat es 
noch den Voͤrteil. daß es vollkommen ruhig fährt und keine Seekrankheit hervorruft. Ein Zwei— 
fitzer dieses neuen Moͤdells soll nur 1000 Mark kosten. 
zommt; sei es, daß ohne Absicht zu täuschen, 
Zräfte der Natur und der Menschenseele ein— 
zeschaltet werden, die der Naturwissenschaft und 
Zeelenkunde bisher unbekannt warcn; sei es 
wuch, daß durch dämonische Einwirkung Tat— 
achen oder Zustände geschaffen werden, die 
vit uns aus natürlichen Ursachen nicht erklären 
zönnen. In jedem Falle müssen wir fragen: 
hehört diese Einzelerscheinung zu jenen Zeichen. 
ie den Stempel Gottes tragen, oder gehört 
je zu jenen, für die das Wort gilt: Laufet 
dem nicht nach? In jedem Falle muß die 
erufene Stelle die Wurfschaufel der Prüfung 
zur Hand nehmen und die Spreu vom Weizen 
Wsondern. 
Solches Prüfen ist nicht vorwitziges Ab— 
asten der Werke Gottes mit unreinen Händen. 
Dder heilige Johannes mahnt: „Prüfet die 
Zeistetr, ob sie aus Gott sind!“ In Lourdes 
ist eine besondere Prüfungsstelle eingerichtet 
im jeden Fall von Heilung zu untersuchen 
ind viele Fälle werden dort nicht anerkannt, 
die auf der Straße bereits als Wunder gelten. 
Nuch in Konnersreuth kat der verstorbene 
Bischof von Regensburg, der für Konnersreuth 
uständig und verantwortlich war, lange bevor 
zie öffentliche Aussprache eine wissenschaftliche 
unterfuchung des Jalles forderte, die Eltern 
»on Therese Neumann verarlassen wollen, ihre 
Tochter in das Krankenhaus zur strengen 
Beobachtung zu schicken. Die Eltern haben 
ich dessen geweigert und eine gewaltsame Ver— 
zringung in eine Universitätsklinik war nicht 
nöglich, weil das vor dem bürgerlichen Gesetz 
Beraubung der Freiheit gewesen wäre. Als 
nan Therese nahelegte, sie sei volljähyrig und 
ucht mehr an den Willen der Eltern gebunden, 
jab sie zur Antwort: Der liebe Heiland ist bis 
zum 30. Jahre seinen Eltern untertan gewesen. 
Ddaraufhin wurde auf Anordnung der ober— 
irtlichen Sielle von Regensburg die Beabach— 
ung im Elternhause selber durchgeführt. 
Von kirchlicher Seite würde man heute noch 
ene neue, streng wissenschaftliche Beobachtung 
und Prüfung, etwa in einer Unine sitäskl'nik. 
hegrüßen. Es muß sich doch durch medijzinische 
Wissenschaft ohne seelische Mißhandlung fest⸗ 
stellen lassen, ob Therese wirklich ohne Nahrung 
lebt und ob die Wundmale durch äußeren Ein— 
zriff von Menschenhand entstanden sind. Es 
nuß sich doch durch die Wissenschaft der mor— 
genländischen Sprachen feststellen lassen, ob sie 
virklich aramäische Wortformen wiedergibt, die 
ie nie gehört und auch nicht durch Suggestion 
rfahren hat. Es muß sich feststellen lassen, ob 
hre Angaben über das Sterben einzelner Per— 
onen, welche Angaben gegen Unterschrift bei 
zritten Personen, hinterlegt sind, später sich 
ewahrheiten. Erst dann, wenn diese Tatsachen 
odissenschaftlich festgestellt sind, könnte die Glau— 
»enswissenschaft, im besonderen die Mystik, die 
bensogut eine wirkliche Wissenschaft ist wie 
die Medizin, an die Erklärung der Tatsachen 
zehen und die Kirche das letzte Wort sprechen. 
die Kirche will nicht bloß den Wunderglauben 
ehren, sie will auch dem Wunderaberalauben 
nvehren. 
Der dritte Grundsatz soll uns sagen, in 
welcher Weise die Prüfung zu machen ist. 
Die Prüfung einer wunderbaren Tatsache 
muß geschehen in einer reinen Wahrheits— 
liebe, mit Ehrfurcht vor dem Heiligen, nicht 
in Wundersucht, aber auch nicht in Wunder— 
scheu. 
In reiner Wahrheitsliebe, also nicht mit 
Gorurteilen, die mit ihrem Urteil bereits fertig 
ind, bevor die Prüfung beginnt. Auch nicht in 
echthaberischem Eigensienn. Wiediel wird heute 
zdin und her geredet, und dabei ist es den 
Streitenden nicht um die Wahrheit zu tun, son⸗ 
dern um den Triumph: Gelt, ich hab' recht 
sehabt. In reiner Wahrhecitsliebe, also nicht 
im Geld zu verdienen, nicht um für eine Zeit— 
ang Abonnenten zu fangen, nicht um eine 
Zensation in die Welt zu werfen, nicht um dem 
Lhef des Geschäftes zu gefallen oder die Kol— 
egin zu ärgern. Oder ist unser geistiges Leben 
zurch Kino und Radio schon so abgestumpft 
mnd versinnlicht, daß wir für eine reine Wahr— 
—DDDDDVD— 
iberhaupt nicht mehr zugänglich sind? 
(Schluß folgt.)
	        
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