Heft 1/1928
Glaubens verheißen. Ein Jünger Christi
muß also ohne Wenn und Aoer an die
Wunder des Evangeliums glauben und auch
daran, daß im Laufe der Kirchengeschichte
einzelne Wunder vorkommen können.
Christus hat Wunder gewirkt: Er hat dem
Seesturm Ruhe geboten und ist selber auf
dem Wasser wie auf festem Boden gewandelt.
Er hat Kranke geheilt und aus unreinen
Seelen böse Geister ausgetrieben. Er hat mit
einem Wort Menschen zu seiner Nachfolge
berufen. Er hat Tote erweckt und ist selber
vom Tode auferstanden. Ja, Christus hat noch
mehr Wunder gewirkt als im Evangelium
aufgeschrieben sind.
Christus hat seiner Kirche die Wunderkraft
des Glaubens verheißen: Ein rechter Glaube,
sagte er, könne Berge versetzen, und denen, die
glauben, werden Wunderzeichen folgen: „In
meinem Namen werden sie böse Geister aus—
treiben, in neuen Sprachen reden, Schlangen
aufheben, und wenn sie einen tödlichen Trank
trinken, wird es ihnen nicht schaden.“ „Wer
an mich glaubt, wird noch größere Werke
vollbringen.“ Tatsächlich hat das Wunder den
geschichteichen Weg der Kirche begleitet. Im
Anfang in größerer Zahl, weil die ersten Send⸗
boten einen stärkeren Ausweis für ihre gött—
liche Sendung brauchten; später, als die Aus—
breitung des Reiches Gottes selber als großes
Wunder vor Augen stand, in kleinerer Zahl.
Immer wieder aber hat von Zeit zu Zeit die
Hand Gottes in den natürlichen Lauf der
Dinge eingegriffen. Immer wieder hat es dem
Vater gefallen, die Weisheit der Welt durch
die Torheit des Kreuzes in wunderbarer Weise
zuschanden zu machen. Auch die Jrauenwelt
hat an diesen Wunderkräften des Glaubens
ihren Anteil, wie es von den Töchtern des
Diakons Philippus in der Apostelgeschichte
berichtet wird. Wir müssen nicht jedes einzelne
Wunder glauben, das in den Heiligenlegenden
erzählt wird, aber daran müssen wir glauben,
daß die Verheißung des Evangeliums sich er⸗—
füllt, daß im Namen Jesu heute noch Wunder
möglich sind.
2. Grundsatz: Christus hat vor falschen
Propheten und falschen Wundern gewarnt
und damit vorausgesagt: Es gibt neben den
echten auch scheinbare Wunder. Wir müssen
also von Fall zu Jall prüfen, ob diese oder
jene wundersame Tatsache ein wirkliches oder
ein scheinbares Wunder sei und müssen uns
in bezug auf die Wunder ebenso vor dem
Aberglauben wie vor dem Unglauben hüten.
Thr kennt die warnenden Worte Christi:
„Es werden falsche Christusse und falsche Pro—
pheten auftreten und große Wunderzeichen
wirken, um womöglich auch die Auserwählten
irre zu führen.“ Man wird zu euch sagen:
Siehe, hier ist Christus und dort ist er. —
„Geht nicht hin und laufet dem nicht nach!“
Christus hat also gewarnt, wiederholt gewarnt,
nicht leichtgläubig zu sein und nicht allen Wun—
dergeschichten nachzulaufen.
Neben den echten Wundern, die vom Jinger
Gottes gewirkt sind, gibt es also wunderähn⸗
liche Zeichen, Taten oder Leidenszustände, die
vor dem Auge Gottes keine echten Wunder
ind. Sei es, daß durch Täuschung und Taschen⸗
spielerkunst den Sinnen des Menschen vor—⸗
gemacht wird, was ihnen wunderbar vor—
„Nach der Schicht“ —
Seite 11
Das neue Schnellgleitboot. Vor einigen Tagen erregte das Eintreffen eines eigenartigen Fahr⸗
seugs in London großes Aufsehen, zumal es sich herausstellte, daß dieses neue Fahrzeug den
Zänal in 20 Minuͤten überqueri hatle. Ein franzöfischer Ingenieur hat dieses neue Motorboot,
das eine Kombination zwischen Motorboot und Wasserflugzeug darstellt, erfunden. Abgesehen
bon seiner großen Schnelligkeit (100 engl. Meilen in, der Stunde, ca. 160 Kilometer), hat es
noch den Voͤrteil. daß es vollkommen ruhig fährt und keine Seekrankheit hervorruft. Ein Zwei—
fitzer dieses neuen Moͤdells soll nur 1000 Mark kosten.
zommt; sei es, daß ohne Absicht zu täuschen,
Zräfte der Natur und der Menschenseele ein—
zeschaltet werden, die der Naturwissenschaft und
Zeelenkunde bisher unbekannt warcn; sei es
wuch, daß durch dämonische Einwirkung Tat—
achen oder Zustände geschaffen werden, die
vit uns aus natürlichen Ursachen nicht erklären
zönnen. In jedem Falle müssen wir fragen:
hehört diese Einzelerscheinung zu jenen Zeichen.
ie den Stempel Gottes tragen, oder gehört
je zu jenen, für die das Wort gilt: Laufet
dem nicht nach? In jedem Falle muß die
erufene Stelle die Wurfschaufel der Prüfung
zur Hand nehmen und die Spreu vom Weizen
Wsondern.
Solches Prüfen ist nicht vorwitziges Ab—
asten der Werke Gottes mit unreinen Händen.
Dder heilige Johannes mahnt: „Prüfet die
Zeistetr, ob sie aus Gott sind!“ In Lourdes
ist eine besondere Prüfungsstelle eingerichtet
im jeden Fall von Heilung zu untersuchen
ind viele Fälle werden dort nicht anerkannt,
die auf der Straße bereits als Wunder gelten.
Nuch in Konnersreuth kat der verstorbene
Bischof von Regensburg, der für Konnersreuth
uständig und verantwortlich war, lange bevor
zie öffentliche Aussprache eine wissenschaftliche
unterfuchung des Jalles forderte, die Eltern
»on Therese Neumann verarlassen wollen, ihre
Tochter in das Krankenhaus zur strengen
Beobachtung zu schicken. Die Eltern haben
ich dessen geweigert und eine gewaltsame Ver—
zringung in eine Universitätsklinik war nicht
nöglich, weil das vor dem bürgerlichen Gesetz
Beraubung der Freiheit gewesen wäre. Als
nan Therese nahelegte, sie sei volljähyrig und
ucht mehr an den Willen der Eltern gebunden,
jab sie zur Antwort: Der liebe Heiland ist bis
zum 30. Jahre seinen Eltern untertan gewesen.
Ddaraufhin wurde auf Anordnung der ober—
irtlichen Sielle von Regensburg die Beabach—
ung im Elternhause selber durchgeführt.
Von kirchlicher Seite würde man heute noch
ene neue, streng wissenschaftliche Beobachtung
und Prüfung, etwa in einer Unine sitäskl'nik.
hegrüßen. Es muß sich doch durch medijzinische
Wissenschaft ohne seelische Mißhandlung fest⸗
stellen lassen, ob Therese wirklich ohne Nahrung
lebt und ob die Wundmale durch äußeren Ein—
zriff von Menschenhand entstanden sind. Es
nuß sich doch durch die Wissenschaft der mor—
genländischen Sprachen feststellen lassen, ob sie
virklich aramäische Wortformen wiedergibt, die
ie nie gehört und auch nicht durch Suggestion
rfahren hat. Es muß sich feststellen lassen, ob
hre Angaben über das Sterben einzelner Per—
onen, welche Angaben gegen Unterschrift bei
zritten Personen, hinterlegt sind, später sich
ewahrheiten. Erst dann, wenn diese Tatsachen
odissenschaftlich festgestellt sind, könnte die Glau—
»enswissenschaft, im besonderen die Mystik, die
bensogut eine wirkliche Wissenschaft ist wie
die Medizin, an die Erklärung der Tatsachen
zehen und die Kirche das letzte Wort sprechen.
die Kirche will nicht bloß den Wunderglauben
ehren, sie will auch dem Wunderaberalauben
nvehren.
Der dritte Grundsatz soll uns sagen, in
welcher Weise die Prüfung zu machen ist.
Die Prüfung einer wunderbaren Tatsache
muß geschehen in einer reinen Wahrheits—
liebe, mit Ehrfurcht vor dem Heiligen, nicht
in Wundersucht, aber auch nicht in Wunder—
scheu.
In reiner Wahrheitsliebe, also nicht mit
Gorurteilen, die mit ihrem Urteil bereits fertig
ind, bevor die Prüfung beginnt. Auch nicht in
echthaberischem Eigensienn. Wiediel wird heute
zdin und her geredet, und dabei ist es den
Streitenden nicht um die Wahrheit zu tun, son⸗
dern um den Triumph: Gelt, ich hab' recht
sehabt. In reiner Wahrhecitsliebe, also nicht
im Geld zu verdienen, nicht um für eine Zeit—
ang Abonnenten zu fangen, nicht um eine
Zensation in die Welt zu werfen, nicht um dem
Lhef des Geschäftes zu gefallen oder die Kol—
egin zu ärgern. Oder ist unser geistiges Leben
zurch Kino und Radio schon so abgestumpft
mnd versinnlicht, daß wir für eine reine Wahr—
—DDDDDVD—
iberhaupt nicht mehr zugänglich sind?
(Schluß folgt.)