Full text: Nach der Schicht (24)

Seite 10 J 
Gillofsky erhob sich und schritt einigemale 
im Zimmer auf und ab. Es schien, als ob 
er sich mit schweren Gedanken beschägtigte, 
denn seine Stirne legte sich in Jalten und 
seine Augenbrauen zogen sich zusammen. 
„Josef, warum giost du mir keine Antwort 
auf meine FJrage?“ Auch Therese hatte sich 
von ihrem Sitze erhoben. 
„Therese,“ meinte Gillofsky, „mußt nicht 
weiß Gott was glauben von mir. Darfst nicht 
meinen, daß ich nicht ehrlich und aufrichtig 
gegen dich bin. Warum ich dich noch nicht zu 
meiner rechtmäßigen Gattin gemacht habe, hat 
seinen Grund darin, daß meine Mutter deine 
größte Gegnerin ist. Sie hat mir oft gedroht, 
mich zu enterben, wenn ich dich gegen ihren 
Willen zu meiner Frau mache, und wie ich 
meine Mutter kenne, so ist sie auch imstande, 
dies zu tun. Die Zeit wird kommen, daß 
ich das Wort einlöse, das ich dir gegeben habe, 
denn ich liebe, liebe dich mit jeder Faser 
meines Herzens.“ 
Er hatte ihre Hand ergriffen, doch Therese 
wandte sich zur Seite und entzog sie ihm 
durch eine rasche Bewegung. 
Therese hätte vielleicht seinen Worten Glau— 
ben geschenkt, wenn ihr nicht wieder jenes 
Papier in den Sinn gekommen wäre, das 
heute ein Unbekannter bei ihr abgegeben hatte. 
Wohl nahm sie sich vor, jener Warnung keine 
Bedeutung beizumessen, da sie der Meinung 
war, daß nur jemand, der Josef Gillofsky 
ihren Besitz neide, dahinterstecke, wohl hatte 
sie sich vorgenommen, jeden Zweifel an Josefs 
Liebe und Treue zu erstichken und dennoch 
war ihr, als riefe eine laute Stimme in ihr: 
Es ist nicht wahr, was Gillofsky sprach. 
„Josef,“ sagte sie, nach einer Weile, „wahre 
Liebe setzt sich über alle Hindernisse hinweg 
Dir zu Liebe bin ich vom Theater gegangen 
weil du mir dein Wort gabst, mich zu deinem 
Weibe zu machen. Ich habe Opfer, große 
Opfer der Liebe zu dir gebracht, und was gabst 
du mir? Was gibst du mir? Worte sprichst. 
du zu mir, die mir weh tun müssen, Worte, 
die nur auf Täuschung berechnet sind .“ 
„Therese ...“ 
„Ja, ja, die nur auf Täuschung berechnet 
sind,“ fuhr sie fort und ihre Augen blickten 
in einem eigentümlichen Glanze. „Du liebst 
mich nicht mehr, Josef,“ stieß sie dann hervor, 
„du liebst eine andere und willst mich mit 
leeren Worten hinhalten.“ 
„Wer hat dir das gesagt?“ fragte er und 
tat entrüstet. „Du beleidigst mich mit einem 
solchen Vorwurf. Das hab' ich nicht verdient. 
Im übrigen, wenn ich gewußt hätte, daß mir 
ein solcher Empfang zuteil werde. wäre ich 
heute nicht zu dir gekommen.“ 
„Ich habe lange genug auf Einlösung deines 
Versprechens gewartet,“ fuhr Therese fort, „und 
wäre es tatsächlich wahr, daß deine Mutter 
meine Gegnerin ist, so hättest du ein Mann, 
ein ganzer Mann sein und deiner Mutter 
antworten sollen: Behalt deinen Mammon, das 
Wesen, das ich liebe, ist mir kostbarer als 
Geld und Gut. So höättest du sprechen sollen 
und ich hätte dir dafür die Hände geküßt und 
wäre dir zeitlebens dankbar gewesen.“ 
„Ich kann auf das Erbteil meiner Mutter 
nicht verzichten,“ erwiderte Gillofsky. An seiner 
Stirn schwoll eine Ader an und die zartge— 
„Nach der Schicht“ 
öteten Ilecke in seinem Gesicht glühten. „Im 
ibrigen möchte ich bitten, Therese, mich mit 
derlei Szenen in Zukunft zu verschonen. Es 
ist mein gutes Recht, nach meinem Willen zu 
jandeln. Ich sehe, die Mademoiselle Therese 
st heute in schlechter Laune und ich bin nicht 
geneigt, für diese einen Ableiter zu bilden.“ 
Voll Unmut sprach Gillofsky, wandte sich 
im und griff nach seinem Hut. 
Im nächsten Augenblick riß er die Tür auf 
„Josef!“ 
Aber er hörte auf seinen Ramen nicht mehr 
wollte vielmehr auf ihn nicht hören. 
Er war froh, dem Auftritte durch eine rasche 
ẽntsernung ein Ende bereitet zu haben. Ob— 
zwar er vor Therese tat, als ob ihn ihre 
Worte erregt, und einen Sturm von Ent— 
üstung in ihm hervorgerufen hätten, so war 
nichts weniger als das der Jall. Nur eines 
var, was ihm Gedanken machte: von wem hat 
Therese erfahren, daß er eine andere liebe? 
Das war es, woran er immerfort dachte 
us er durch die finsteren Gassen stapfte. Er 
var so vertieft, sich eine Antwort auf diese 
ich ihm aufdrängende Frage zu geben, daß 
er gar nicht merkte, wie aus einem Seiten⸗ 
zäßchen eine schwarze Gestalt trat, einen Augen— 
olick, die Blicke auf ihn gerichtet, stehen blieb, 
dann mit hastigen Schritten auf ihn zueilte. 
„Gillofsky!“ hörte er jetzt seinen Namen 
ufen. 
Gillofsky wandte sich um. 
„Du bist's, Hebenstreit?“ 
„Ja, ich bin's.“ 
„Ich hätte dich beinahe nicht erkannt, Franz,“ 
ind Gillofsky reichte dem Mann die Hand. 
Wohin des Weges?“ 
„Resurrektio!“ sautete die Antwort. 
Gillofeky wußte sofort, was dieses geheime 
Wort zu bedeuten habe. 
„Auch ich habe dieselbe Parole,“ meinte er. 
„Dann können wir jedenfalls mitsammen 
»en Weg fortsetzen,“ gab der andere zurück. 
Die beiden Männer schritten weiter. 
Heft 1/1928 
Nach kurzer Zeit gelangten sie durch ein 
Hewirr von Gassen und Gäßchen zum Schotten⸗ 
tor, das sie knapp vor dem Sperren passierten. 
Sie gingen weiter über das sogenannte Schot— 
tenravelin und wandten sich hernach gegen die 
Vorstadt Josefstadt. (Jortsetzung folgt.) 
4 
Sieben Grundsätze 
über Konnersreuth. 
Von Kardinal v. Jaulhaber. 
— 
Ind Jesus sprach zu seinen Jüngern: Es 
werden Tage kommen, da werdet ihr 
5 darnach sehnen, einen einzigen Tag 
des Menschensohnes zu sehen. Und man 
wird euch sagen: Siehe, hier ist er und 
iehe, dort ist er. Geht nicht hin und laufet 
dem nicht nach!“ (Luk. 17, 22 f.) 
Die öffentliche Aussprache über Konners— 
euth will nicht zur Ruhe kommen. In den 
Familien, auf der Straßenbahn, auf dem Wege 
zur Arbeit und in den Arbeitspausen wird 
is zum Ueberdruß darüber gesprochen, und in 
»er europäischen Presse zieht die Frage immer 
veitere Kreise, Liebe, Haß, Zartgefühl und 
Hefühlsroheit, Glaube und Unglaube melden 
ich zum Worte, und einige lassen sich die 
Helegenheit nicht entgehen, ein Geschäft zu 
nachen und ihren Haß gegen die Kirche aus— 
zusprechen. Die Bischöfe von Bayern haben 
nerboten, nach Konnersreuth zu wallfahren. — 
Geht nicht hin und laufet dem nicht nach!“ — 
Andersgläubige aber und Nichtbayern fühlen 
ich durch das Verbot der bayerischen Bischöfe 
nicht gebunden. Darum läßt mich mein Ge— 
wvissen nicht länger schweigen und fühle ich 
nich verpflichtet, das Verbot der Bischöfe neu 
zu begründen und in sieben Grundsätzen sieben 
Schlüssel für dieses Zeiträtsel zu geben! 
1. Grundsatz: Christus hat Wunder ge— 
wirkt und seiner Kirche Wunderkraft des 
P 
Der japanische Tempel in Karlsruhe. Die Stadt Nagoya in Zapan hat der Stadt Karlsruhe 
zinen japanischen Tempel geschenki, der in dem japanischen Teil des berühmten Karlsruher 
Stadtgartens aufgestellt wurde. Der Tempel, ein Meisterwerk japanischer Kunst, besteht 
ius japanischem Holz. Er wird von kleinen Löwen flankiert. Es ist der einzige Tempel 
dieser Art in Europa, alle Teile wurden direkt in Japan hergestellt
	        
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