Full text: Der Saarbergknappe (13 [1932])

Saarbrütken, den 9. Januar 1932 
13. Jahrgang 
C I——ne— 
Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
Geschäftsstelle des „Saar-Bergknappen⸗: Saat · 
brücken 2, St Johanner Straße 49. — FernlprechAnschlußz: 
Amt Saarbrücken, Nr. 6660 bis 6669. 
Nummer 2 
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Preis für die Zahlstellenabonnenten 5.— Fr. monatl. ohne 
Botenlohn, für die Postabonnenten 15.— Fr. vierleljährl. 
3 3 Seit geraumer Zeit ist es wieder so ganz anders 
An die organisierten Velenschaften eworden. Die Agitation für die onahue —F 
zen Saarbund lebte plötzlich wieder mit Heftigkeit 
der baargruben! ruf. Man kann den Zeitpunkt ihres Beginns von dem 
Das verflossene Jahr 1931 war ein Rotjahr. dage ab datieren, an dem sichtbar geworden war, 
ANeben die wirtschaftliche trat vielfach jeelische Not. zaß die Pariser Saarverhandlungen“ kein Ergebnis 
Dahß es den Saarbergleuten schlecht geht, weiß jeder; gejeiligt hatien. Diese VPropaganda hätte 
genau so ist jeder darüber unterrichtet, daß die —A n ichrmehrauflebentnnen, wenn 
werlschaften nichts unversucht ließen, um die Lagesper neune Genkraldirektordagegenge— 
erträglich zu gestalten, sowohl im Arbeitsrecht wie in wesen wäre. Wir können nicht annehmen, daß 
der knappschastlichen Versicherung. Die Abwehr von die Herrschasten vom Zimmer 17 der Vergwerts 
Verschlechterungen bei wirtschaftlichem Riedergang — zirellion mehr Besugnisse besitzen wie der oberste 
das hat sich gezeigt — ist bedentend schwieriger wie deiter der Saargruben. Ihm muhte es doch zu denken 
der Aufbau bei guter Wirtschastslage. aaz jeben, daß an der Spitze des Saarbundes gar leine 
Die Tarifgewertschaften haben sih in ihrer Tütig⸗ igentlichen Saarländer stehen. Unsere Bergleute, 
rit bei der Generaldireltion der Saargruben Jedig⸗ die die Kotzlen graben, den Betrieb aufrecht erhalten 
lich um die rein wirtschaftlichen Belange der Beleg- gnd den Leistuugseffett herausarbeiten, wollen weder 
schaften gekümmert. Um so unverständlicher ist es, zon der Domanmaljschule noch dem Saarbunde etwas 
daß die wirtschastliche Frise unter der Leitung des vissen, Warum ehrt man ihre Einstellung nicht? 
derzeitigen Generaldirekltors politisch auszuwer- Zind die wenigen Bergleute“ keine Heuchler, die be— 
ten gesucht wurde. Gruben⸗Kaffeeküchen, Zasins⸗ Jaupten, Freiwillig“ gehandelt zu haben, in Wirk— 
und Musikhallen, die von den Gewerkschaften für ihre lichkeit aber eines Vorteils zuliebe ihre Kinder der 
Veranstaltungen nie beansprucht worden waren, von Zomanialschuie überwiesen oder dem Saarbund bei— 
der Grubenverwaltung auqch nicht zur Verfügung ge⸗ sraten. Wo bliebe der Grubenbetrieb, wenn alle 
tellt worden wären, wurden denm Saarbund zu Zergleute sich von solcher Gesinnung leiten liehen? 
hropagandazwecken zu Gunsten derfranzsosischen Das ist heute aber nicht mehr maßgebend für die 
s n de, und des Saorbundes bereitwitligit Feneraldirettion. Die Volitit ist vor das Wirijschaft. 
83— Fswt die Desegiaster siche getreten. Darum werden für einen politischen 
e ie itation der Grubenverwaltung bezw ißg n * —** 
en e zweck jährlich viele Millionen Franken auf Koiten 
Wir fordern die Belegschaften auf, auch im neuen 
Jahre stark zu bleiben und sich gegen jegliche Agita⸗ 
on für die französische Schule und den Saarbund 
zur Wehr zu setg en. Ferner ersuchen wir unsere 
Mitglieder, ihrer Gewerkschaftsleitung alle Vorfälle, 
die in dieser Richtung zu verzeichnen sind, genau zu 
melden und jene Personen namhaft zu machen, die 
unsere Mitglieder bei der Werbung für den Saar⸗ 
bund oder für die französische Schule mit Entlassung, 
Verlegung oder anderen Schikanen bedrohen. 
Wir wollen in der Zukunft nicht nur die Saar⸗ 
bevölkerung, sondern auch die französische Regierung, 
ja die ganze Welt auf die seelische Bedrückung der 
Zaarbergarbeiter aufmerksam machen. 
Kameraden! Als Belegichaftsmitglied tue jeder 
eine Pflicht; aber auch als Staatsbürger und guter 
Gewerkischaftler. Die Zeiten sind ernst. Ein Zusam— 
menschluß und Zusammenarbeiten ist unbedingt er— 
iorderlich. 
VGewerkverein christlicher Bergarbeiter Deutschlands 
Bezirk Saar. 
Verband der Bergbauindustriearbeiter Deutschlands 
Bezirk Saar. 
Ch ristlicher Metallarbeiterverband Deutschlands. 
Bezirk Saar. 
Deutscher Metallarbeiterverband. 
Bezirk Saar. 
der Bergleute für die verwerfliche Propaganda und 
zur Unterhaltung der Domanialschulen ausgeworfen. 
Und darum werden unsere Bergleute unter Druck ge⸗ 
etzt, damit sie weich werden und dem Locken der 
ranzösischen Propaganda folgen sollen. Was aller⸗ 
zings die Regierungskommission nicht stört, in ihren 
Berichten nach Genf so zu tun, als ob alles in bester 
Ordnung wäre und eigentlich nur die deutsche Be⸗ 
pölkerung im Saargebiet eine Rüge verdient habe. 
Es ist natürlich, de die Bergarbeiterorganisatio⸗ 
en, die für das Schicksal der Saarbergleute in höch⸗ 
tem Maße verantwortlich sind, diesem Treiben nicht 
antätig zusehen dürfen. Nachdem ihre Vorstellungen 
bei der Generaldireltion und bei der Regierungs⸗ 
lkom mission nicht genügend beachtet wurden, muß nun⸗ 
mehr die aufrechte Bergarbeiterschaft zu einem Ei n⸗ 
heitsblock zusammenwachsen. Geschlossen muß sich 
die ganze Bergarbeiterschaft gegen die Werbung für 
die Domanialschule und den Saarbund zur Wehr 
sehen. Das ijst ihr gutes Recht, aber auch ihre Pflicht. 
Für den Lohn, den die Bergwerksverwaltung zahlt, 
wird schwere Arbeit geleistet. Der Grubenverwal⸗ 
tung steht kein Recht zur Seite, daneben auch noch 
die Seele des Bergmanns und dessen Kinder zu for⸗ 
dern. Mit dieser Anmaßung muß es Schluß sein. 
Und es wird Schluß mit ihr sein, wenn alle auf⸗ 
eechten Bergleute vorstehenden Aufruf befolgen. In 
zer Einigkeit liegt unsere Stärke 
Die N⸗jghrsgabe der 
NRegierungskommission 
Um der Arbeiterschaft und den Sozialrentnern des 
Zaargebietes ihr besonderes „Wohlwollen“ zum Aus 
»ruck zu bringen, hat die Regierungskommission ihre« 
in unserer vorigen Nummer schon angekündigte „Not: 
verordnung betreffend Sicherung des Bestandes der 
Zozialversicherungsträger“ noch schnell vor Neujahr 
ind zwar in der Nummer 51 ihres Verordnungs— 
blattes vom 29. Dezember 1931, veröffentlicht. Wie 
schon aus der Bezeichnung dieser Notverordnung der 
Regierungskommission hervorgeht, handelt es sich nu⸗ 
um den Teil der vierten Notverordnung des Reichs 
präsidenten, der sih mit der Sozialversiche 
rung befaßt. Alle übrigen Teile der Notverordnuneg 
des Reichspräsidenten hat die Regierungskommission 
pöllig übersehen. Wahrscheinlich kommt das 
daher, weil nur die Arbeiterschaft und die Sozial— 
rentner des Saargebietes heute ein „noch üppiges 
deben“ führen können. Teuerung, hohe Zinsen. hohe 
Hehälter uüsw. sind halt im Saargebiet „nicht“ zu 
verzeichnen, weshalb die „einkommensstarken“ Ar— 
heiter und Sozialrentner beim Schopfe gefaßt werden 
nußten. Den Mitgliedern der Regierungskommission 
ür die der Etat für 1931 zusammen „nur“ 1075 000 
Franken an Gehältern vorsieht (die sich inzwischen 
im 6 Prozent verringert haben), konnte doch wegen 
hrer „Bedürftigkeit“ nichts abgeknöpft werden. Und 
das wird doch kein Arbeiter bestreiten wollen, daß 
nan alle Generaldirektoren, Direktoren, Räte ver— 
chiedensten Ranges, Oberbürgermeister usw., die 
nur“ 60 000 bis 150 000 oder 180 000 Franken im 
zvahre Einkommen haben, als „notleidend“ be— 
eichnen muß. Die Regierungskommission konnte doch 
hr ezhle Herz“ nicht damit belasten, daß sie die 
Notlage“, in der sise sich samt den vorstehend ge— 
iannten Beamtenkategorien befindet, noch 
urch eine Kürzung der sowieso „unzureichenden“ Be— 
üge weiter vermehrt hätte. Nein, nein, so etwas 
väre direkt „himmelschreiend' gewesen. Wo bliebe 
»a das standesgemäße Leben! Es ist schon 
chlimm genug, daß die Regierungskommission vor 
inigen Monaͤten sich durch die christlichen Gewerk⸗ 
chaften „gezwungen“ fühlte, sich selbst und der Be— 
amtenschaft 6 Prozent vom Grundgehalt und den 
Ztellenzulagen zu kürzen. Es ist doch „natürlich“ 
aß, wenn einer zehnprozentigen Senkung der Ge— 
amtlebenshaltungskosten durchschnittlich 455 bis 5 
Lrozent Gesamt-Gehaltskürzungen (Wohnungsgeld. 
dindergeld und andere Nebenbezüge blieben ja un— 
zekürzt) gegenüberstehen, die ganze Beamtenschaft 
nicht mehr so viel kaufen kann wie früher. da doch 
45 bis 5 Prozent Danpost ĩn viel ist“ wie 10 Prozent 
Infolge der dadurch verursachten „Notlage“, zumal tin 
»en oberen Beamtenschichten, blieb der Regie— 
rungskommission doch gar nichts anderes übrig, als 
den „gut situierten Arbeitern und So⸗ 
rzialrentnern“ ihre üppige Speck— 
ch warte gehörig zu beschneiden. Wie 
oll sie denn anders sparen? Es hat jeder gut reden, 
der die „Last“ und die „Verantwortung“ eines Re— 
zjierenden nicht verspürt. Wenn so ein Arbeiter, 
der doch immerhin, wenn er noch Arbeit hat, seine 
500 bis 700 Franken monatlich verdient, krank wird 
end ins Krankenhaus kommt, dann wäre es doch 
Wasser in die Saar geschüttet, wenn man ihm da noch 
das frühere Hausgeld in Höhe von 50 Prozent des 
rankengeldes gewährte, zumal das Krankengeld 
elbst für einen Hauer den „fürstlichen“ Betrag von 
7— Franken ausmacht. Und eine Witwe, deren 
Hann vor 1912 verstorben ist oder invalidisiert 
vurde, kann doch besser auf die Witwenrente aus der 
Invalidenversicherung verzichten als ein Mitglied der 
Regierungskommission auf 10 Prozent seiner Bezüge, 
da sie doch immer noch die Armenfürsorge in 
nspruch nehmen kann. Es ist doch „sozialer“ und 
gerechter“, man nimmt einem bis eineinhalb Dutzend 
olcher Witwen ihre Renten wegals einem 
zewöhnlichen Mitglied der Regie— 
trungskommission 10 Prozent seines 
ßHehaltes. Und das kann doch niemand verlan— 
zen, wo bisher das Reich die Regierungskommission 
ind die Saarwirtschaft so nett entlastet hat, daß nun—⸗ 
nehr die Regierungskommission den durch die Not— 
ßerordnung geschmälerten Lastenanteil des Reiches 
zur Rentenleistung der Sozialversicherung des Saar⸗ 
zebietes, auf ihreeigene Landeskasseüber— 
rimmt. Die Regierungskommission muß in erster 
rinie „höhere soziale Ausgaben“ mit den Mitteln des 
S5aargebietes erfüllen. Neben der Gehalts— 
zahlung rangiert da zuerst das Poͤcule. Man 
kann doch nicht verlangen, daß die Poͤculerücklagen 
uuf Kosten des Gehaltes gehen. Das ist doch eine 
soziale Pflicht“ allerersten Ranges, daß. wenn ge— 
zenwärtig das Gehalt eines einfachen Ministers der 
„Saarregierung“ nur rund 170 000 Franken beträgt, 
daneben ein Viertel davon, also 42500 Franken, 
dem persönlichen Poͤculekonto dieses Ministers noch 
extra zugeführt werden. So ein Herr aus den 
oberen Beamtenregionen der „Saarregierung“ besitzt 
eben ein „wohlerworbenes Recht“ darauf, daß ihm, 
sofern er die fürchterlichen Strapazen des Regierens 
im Saargebiet 10 bis 15 Jahre hindurch aushält, 
neben seinem bis dahin bezogenen „jämmerlichen“ 
Wenn je ein Aufruf am Platze war, dann bestimmi 
der vorstehende. Er wird bestimmt der gegenwär⸗ 
tigen Generaldirektion der Saargruben in späterer 
Zeit nicht zur Ehre gereichen. Als in den Jahren von 
1922 bis 1925 auch sehr eifrig für die Domanial⸗ 
chule und den damaligen Saarbund unter Begün— 
tigung verschiedener oberer französischer Gruben⸗ 
leiter geworben wurde, hörte der Schwindel auf den 
Protest der Belegschaften und ihrer Organisationen 
hin auf. Die Bergleute konnten wieder unbehelligt 
ihrer schweren Arbeit nachgehen, ohne befürchten zu 
müssen, von minderwertigen Elementen belästigt 
zu werden. Wir nehmen ohne weiteres an, daß 
die Herren Arthur Fontaine und General— 
direkte Defline an dem Abblasen der da— 
maligen Propaganda für die Domanialschule und den 
Saarbund ihr Verdienst haben. Die Folge war ge— 
wesen, daßz der „Verband der Saarbergleute“ und 
der „Saarbund“ eingingen und Stille um die Do—⸗ 
manialschule sich lagerte. Der Neue Saarkurier“ 
»erschwand auch von der Bildfläche, sicher deshalb, 
weil die Quelle des Propagandafonds nicht mehr 
loß. Viele der ehemaligen Saarbündler bemühten 
ich eifrig, wieder als „vollwertige“ Deutjsche betrach⸗ 
tet zu werden. Sie fühlten selbst, daß ihre ehemalige 
Mitaliedschaft beim Saarbund keine Ehrung für sie 
bebeutete.
	        
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