Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

Nummer 12 
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Saorbrücken, den 283. März 1929 
10. Jahrgang 
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Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlandos für das Saargebiet 
Geschäftsstelle des Saar-Bergknappen“: GSaar⸗ 
brucken 2. St Johannet Straße 49. — Fernsptech-Anschluß: 
Amt Saarbrüchen. Nummert 1530. 1062. 2003. 3194 
Wollen wir aufsteigen? 
Einige Bemerkungen. 
Im lehlen Leilartikel führlen wir mit Absicht 
eine sehr offene Sprache, um allen Verantkworth⸗ 
sichen zu zeigen, wie es im Volke gärt und was 
bevorstehl, wenn man eine wirkliche Volksgemein⸗ 
schaft nicht herbeiführt und prakktizierl. Wir be— 
kamen auf diesen Arlikel hin einige Zuschriften, 
die der Meinung sind, daß es an der Zeit gewesen 
sei, diese deullichen Worte rundheraus zu sagen. 
Wir freuen uns, daß wir verstanden wurden. Da⸗ 
mit allein ist es aber nicht gelan. Es kommt auch 
darauf an, als Arbeiter den Beweis zu erbringen, 
daß man besser als die andern zu handeln auch im 
Stande ist. Damit scheint es aber noch zu hapern. 
Und doch muß jeder nach oben strebende Arbeiler 
wissen, daß der Aufstieg des Arbeilerstandes nich! 
allein von äußeren Forischritten abhängig ist, son- 
dern vielmehr von der inneren Einftellung und 
reichen seelischen Kräften, die dazu befähigen, im 
Zusammenleben besser als die andern zu handeln. 
Um zu zeigen, daß es mil dem J 
Bessersein und Besserhandeln 
denn doch noch hapert, führen wir folgendes Er 
lebnis an. 
Komml dieser Tage ein recht biederer Kumpel 
und meint, um sein Begehren gefragt: „Eich hon 
do ebbes met dem Steiger, dat muß en uss Blääd- 
chen.“ Danach gefragt, was der denn verbrochen 
habe. kam zur Antwort: „Der Bruda pissakt uss 
bis dorthinaus; nie schaffen ma em genug, er stritzt 
uss, un noher schill er uss noch als Drückeberger.“ 
Als ich mich daran machte, die nolwendigen Be—⸗ 
merkungen niederzuschreiben, geht die Tür und 
herein kritt ein Jungknappe so im Alter von etwa 
18 Jahren. Als der Hauer diesen erblickt, meint 
er ein wenig verdutzt: „Jo, wat willscht dau denn 
lo?“ Der Junge wollte nun nicht recht mit der 
Sprache heraus. Ich schickte deshalb den Hauer 
hinaus. worauf dem Jungen, der einen sehr guten 
und auch intelligenten Eindruck machte, koörperlich 
aber ein wenig klein geralen war, die Zunge locker 
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Partiemann das Leben so sauer mache. Nie könne 
er ihm flott genug die Wagen laden und von der 
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hen an und kenne keinen krockenen Kiltel. Wenn 
es nach Meinung des Parkiemannes nicht flokt 
genug gehe, dann hagele es nur so von Schimpf- 
worten. „Dau Krippel, dau Bankert, wonn dau 
neischt en de Knoche hascht, donn bleiv dahemm, 
AV 
ähnlich prasselte es jede Schicht auf ihn herein. Das 
mache ihm das Leben zur Qual. Er gäbe sein 
Bestes und gäbe zu, nicht der Stärkste zu sein. Das 
berechtige die andern aber nicht, ihm diese ekligen 
Schimpfworte an den Kopf zu schleudern. Er habe, 
da sein Vater tot sei, die Rente der Mutter nied 
rig wäre, noch für drei kleine Geschwister mitzu⸗ 
sorgen. Darum sei er schon bestrebt, so viel Wagen 
als nur möglich herbeizuschaffen, damit ein guter 
Lohn herauskäme. Mehr wie er leiste, könne er 
nicht mehr. Defür so beschimpft zu werden. sei 
doch eine Schande. 
s bedarf keiner Worte, daß man es diesem 
Jungen ansah, daß in seinem Innern ekwas zer⸗ 
brochen war. Der Glaube ans Gute, an das 
Menschliche, war zerbrochen. Und zerbrochen wor⸗ 
den durch die vielleicht gedankenlos hingeworfe⸗ 
nen Schimpfworte: „Du Krüppel, du Bankert“. 
Wir wollen zugeben, daß der böse Druck, der auf 
die Kumpel dor dem Stoß ausgeübt wird, sie zu 
Handlungen verleitet, die beim Vorhandenjein 
normaler Verhälinisse viesleicht nicht beklo—ern 
wären. Und doch! Ist es richlig, einen jungen Men⸗ 
chen so zu behandeln? 
ast das tameraoschaftlichꝰ 
Wohl! Im Bergwerk kann keine Salonsprache 
herrschen. Aber — soll nicht jeder sich bewußl blei— 
en, daß der andere, auch der jüngste, sein Schick 
salsgefährte ist?! Was sagen die Angehöri- 
gen anderer Schichten dazu, wenn wir uns unter⸗ 
einander so behandeln? Geht dann die Achtung 
uicht flöken? Wie oft heißl es, wenn die falschen 
ßandlungen von Beamten Arbeilern gegenüber 
charf gegeihell werden, der Mann möge Knigges 
Umgang mit Menschen“ studieren! Sind wir noch 
berechtigl, das zu verlangen, wenn wir uns selbsl 
nicht ehren und achten? Es soll zugegeben sein. daß 
ansere Jugend sich nicht aus Engein zusammenseki 
ind manches strenge Worlt als Lehre am Plahe ist. 
Aber so, wie es in diesem Falle geschehen ist, darf 
ich kein anständiger Mensch auslassen. Mir stieg 
bei der Schilderung des Jungen meine Milifärzen 
»or Augen. Damals war es auch so, daf die Vor. 
jesehzlen sehr schlecht im Urkeil und in der Mei. 
iung des Volkes wegkamen. Und doch! Wer machie 
nit, den „Rekruten“ das Leben zu verbillernd 
Waren es nicht die sogenannten „Alten“? Ich 
abe es erlebt, daß gerade sie durch ihre Quälereien 
dem Vekruken das Leben zurHölle machen konnken. 
Was damit gesagt sein soll? Wir müssen auch 
uuf uns selbist schauen und in uns hinein. 
Wir müssen uns, wenn wir wirklich ein vollwer 
iger Stand werden wollen, wenn wir wirklich auf⸗ 
leigen wollen, wenn wir wirklich die Gesellschaft 
in gutem Sinne reformieren wollen, davor hülen, 
nur die Splitler im Auge des VRächsten zu sehen. 
Beinnsmässen wirmihder Reform 
und der vesserung anfangen. 
Je nachhaltiger und schneller das geschieht, um 
o schneller erobern wir uns Ehrung und Achtung 
hurch die andern. Die Voraussehzung dazu ist — 
nerken wir uns das wohl — wenn wir uns selbst, 
venn wir unseren Schicksalsgefährten ehren und 
ichten, wenn wir untereinander hilfsbereit sind 
ind uns gegenseilig helfen. Um das überall zu er⸗ 
reichen, fuhrte ich das Erlebnis an, das sich nicht 
nehr wiederholen darf, soll der Glaube an den 
Aufstieg unseres Standes bei der Jugend nicht 
ernichlet werden. 
*) 
Unser Wille werd' zur Tat! 
ner WBule wero zur Tat! 
Der Frühling siegt! 
Siehst du das Ringen draußen in der Natur? Ein 
ilter Riese verteidigt mit letzter Kraft seine Herr— 
chaft gegen das aufstrebende junge Leben. Vie! 
Aummer und Sorge hat der Alte heuer den Men— 
chen bereitet und seine Herrschaft so lange ausge⸗ 
ehnt als nur möglich. Sein kalter Blidkhat die 
sdatur förmlich gebannt. Er will sie immer noch 
richt frei geben zur Entfaltung und zum lebens— 
tohen Wirken. Und doch: sein Ende ist besiegelt! 
Das junge, vorwärtstteibende Leben etweist sich 
iärker als etr. Seine warmen Lebensstrahlen be— 
euten den Tod des Riesen Winter. Und die Men— 
chenkinder können singen: .Es muß doch Frühlina 
uerden!“ 
Frischauf nun, ihr Jungens! 
Braucht ihr noch zaghaft nach einem Ziel zu 
suchen? Lauft ihr noch wie eine hirtenlose Herde 
umher? Gewiß nicht! Darum zielbewußi gehan—⸗ 
delt. Ihr den die Frühlingstraft, die den Winter 
im Gesellschaftsleben überwindet. Dieser Ueber— 
windung gilt die Kraft und aller Dienst. Das ist 
Jugendbewegung. 
Jugendbewegung muß Vereinigung aller Jugend⸗ 
kraft für den Erfolg sein. Ohne Kraftanstrengung 
kein Erfolg. Die Säfte des Frühlings, die Straählen 
der Sonne brechen die Macht des Winters. 
Der heutige Stand der Jugendbewegung ist er⸗ 
'olgversprechend. Er bürgt für die Erhaltung des 
Heschaffenen und für seine organische Weitereniwick⸗ 
lung. Der Gewerkverein wird also weiterleben und 
ich weiterentwickeli Dafür sörat die Jugend— 
rewegung. 
Das ist das eine Ziel. Denn ohne starken Gewerk— 
perein gibt es keine bessere Wirtschaftsordnung. Wer 
te will muß zuerst für einen starken und gestal— 
tungsfähigen Gewerkverein sorgen. Erst dann ist 
das zweite Ziel. die bessere Wirtschaftsordnung. zu 
»rreichen. Frischauf dazu ihr Jungens 
Aehnlich dem Ringen in der Natur ist ein hartes 
Kungen in unserm Gesellschaftsleben zugange. Hier 
vvill man auch der jungen Volksschicht nicht den zu— 
tehenden Lebensraum gönnen. Mit letzter Kraft 
temmen die privilegierten Schichten sich dem Drän— 
zen der nach oben strebenden Arbeiterschicht ent— 
gegen. Ihr Wirtschaitssystem wollen sie für immer 
erhalten Und doch wird es einem neuen weichen 
nüssen. Junge Kräfte, die nachbaltig wirken, wer— 
den den starten Winter in unserm Gejellschafts- und 
Wirtschaftsleben überwinden Hier wird es auch 
nal Frühlind worden 
Wer wagt. der gewinnt! 
Warst du nicht auch kleinmütig, als wir zur letzten 
Werbearbeit aufriefen? Ich höre heute noch die 
Verzagten mit all ihren Einwänden: es ist ja alles 
abgegrast; — sie laufen lieber dem Sport nach; — 
die „Alten“ haben kein Verständnis dafür; — es 
nacht ja ketner von den Jungen mit .. . . So 
ind ähnlich mußte man es hören Aber es waren 
zuch BMutige, Gläubige, Unverzagte, Hoffnungsvolle 
Arhanden, Und ihnen gab die Werbearbeit Recht. 
Der große Erfolg der Werbearbeit macht das Wort 
vieder wahr: „Dem Mutigen gehört die Welt“. 
Jugend ist Wagen, frisches, keckes Wagen in qutem 
Sinne, auf ein edles Ziel gerichtet. 
Diesmal war das Ziel Vermehrung der Mitglie— 
der und Vermehrung der Jugendabteitungen. Häben 
die Mutigen und Gläubigen etwas erreicht? Jawohl, 
der Erfolg zeigt es. Eine größere Zahl neuer 
Jugendabteilungen waurde errichtet, da— 
neben konnte auch eine ansehnliche Zahl 
neuer Mitglieder der Jugendbewegung und 
dem Gewerkverein zugeführt werden. Erfolg zeugt 
Freude. Erfolg sichert Achtuna. Erfolgdebiert 
Unsere Jugend voran! 
In der nach oben drängenden Arbeiterbewegung fehlt 
»cute das jugendliche Element nicht mehr Das ist 
Jut. Weil Bluterneuerung immer von großem Vor— 
ecil ist. Unsere Jugend läßt ihre unverbrauchte 
vraft heute in der Jugendbewegung wirken Ihre 
PLillenskraft wird auf die Erteichung eines großen 
zieles eingestellt. Dieses Ziel sieht die Schaffung 
einer besseren Wirtschaftsotdnung vor, die restlos 
vin Meunichen dient und ieino RMiürde hochochtot 
Leider wurden unserer gewerkschaftlichen Jugend— 
;Cwegung viele Hemmnisse bereitet Man verkannte 
ie und glaubte deshalb, sie bekämpfen zu müssen 
deute hat sich unsere Jugendbewegung durchgerun— 
gen. Sie ist dabei, feste Form und Gestalt zu ge— 
winnen Im Rahmen der Stammorganisation wirtkt 
die Jugendbewegung als quellender und belebender 
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