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eln, deren Auswahl so getroffen werden sollte, daß
ie „anerkannte Kohleniachverstandige“ seien, die
oͤhne ausgesprochene Vertreter von Arbeitgeberorga⸗—
I den eine Stellung einnehmen, die
es ihnen ermöglicht, einen Gesamtüberblick über alle
Seiten der Kohlenfrage sowohl in Bezug auf die Pro⸗
duktion als auch den Verbrauch, den Handel und den
Transport zu haben. Als deutscher Sachverständiger
wurde Direktor Silverberg berufen, und diese Be⸗
tufung ist auch kennzeichnend jür den Charakter der
Zachverständigen der übrigen Länder.
Die Zusammenkunft dieser Sachverständigen fand
n den Tagen vom 8. bis 12. Januar 1929 in Genf im
Lölkerbundssekretariat statt. Es ist nicht mehr als
decht und billig, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß
rus der Mitte der Sachverständigen selbst heraus die
Frage aufgeworfen wurde, ob es nicht augebracht ge⸗
vesen wäre, auch sofort Sachverständige aus Arbeiter⸗
sreisen zuzuziehen. Man einigte sich schließlich darauf,
zie Ankegung zu geben, eine besondere Zusammen—
unft von ιιιl aus Arbeiterkreisen zu
etanstalten, eine Anregung, der der Wirtschaftsaus⸗
chußz des Voͤlkerbundes, der wenige Tage später vom
5. bis 19. Januar tagte, auch prompt stattgab, in⸗
em er beschloß, diese am 27. Februar stattsinden zu
assen.
* Hinblick auf diese Zusammenkunft, an der von
reutscher Seite Dr. Berger vom Bergarbeiterverband
znd Rotthäuser vom Gewerkverein christlicher Berg⸗
arbeiter und aus Holland der Kollege Joseph Pelzer
dom satsel en Bergarbeiterverband teilnehmen
rerden, ist es angebracht, etwas ausführlicher über
ie Zzusammenkunft vom Januar zu berichten, als
s in der Tagespresse geschehen ist zumal das Ar—⸗
earamnn beider Zusammenkuünfte das gleiche
ein soll.
Als Unterlage für die Besprechung lagen den Sach—
erständigen Verichte über
die Lage auf dem Kohlenmarkt
iner Relhe von Ländern vor, die von Mitgliedern
»es Wirtschaftsausschusses des Völkerbundes jeweils
iber ihr eigenes Land ausgearbeitet worden sind
Ddie Sachverständigen hatten zunächst die Aufgabe,
diese Berichte zu prüfen, eventuell zu berichtigen oder
u ergänzen und miteinander zu vergleichen. Darüber
inaus wurde ihnen die Frage vorgelegt, ob sie den
kindruck hätten, daß durch den Völkerbund
elbst oder durch eine von ihm angetregte
ind organisierte internationale Aktion zur Lösung
zer Schwierigkeiten beigetragen werden könnte, in
)enen sich die Kohlenindustrie zurzeit befindet, und,
in bejahenden Falle, in welcher Richtung und nach
velchen Methoden diese Aktion vorzunehmen sei.
Die Verhandlungen waxcen nicht öffentlich, dso daß
s nicht moͤglich ist, einen genauen Bericht über ihren
Lerlauf zu geben Es liegt jedoch auf der Hand, daß
das Ergebnis nicht sehr ermutigend war, denn ange—
ichts der Zusammensetzung dieser Sachverständigen—
ommission war es nicht zu vermeiden, daß die Ge—
schäflsinteressen der einzelnen In—
dustrienstets im Vordergrundstanden.
Immerhin geht aus den Verlautbarungen des Völ—⸗
erbundssekretariats hervor, daß die Sachverständigen
sämtlich der Meinung waren, daß
die gegenwärtige Lage der Kohlenindustrie tatfüchlich
ein internationales Problem ist.
Sie sind jedoch der Auffassung, daß es in erster Linie
Zache der Leiter dieser Industrie, mit anderen
Worten also, der Zechenbefitzer und Zechendirektoren,
ist, im Rahmen der Möglichkteit die Verantwortung
ür die notwendigen Abhilsemaßnahmen zu tragen
Darüber hinaus wucde zugegeben, daß gewisse
Seiten des Problems, wie z. B Zollfragen, Handels—
nethoden usw. unter die Zuständigkeit des Wirt—
—3 des Völkerbundes fallen, daß andere
ragen von den Leitern der Industrie selbst zu regeln
eien und daß schließlich das Problem auch vom so—
sbann Standpunkt und vom Standpunkt des Ver—
raauchers aus zu betrachten sei
Der Vorsitzende der Delegation des Wirtschaftsaus—
chusses des Volkerbundes, Dr. Trendelenburg, machte
darauf aufmerksam, daß es stets das Bestreben dieses
Ausschusses sei, jede ihm zugewiesene Aufgabe im
roßen Rahmen der gesamtsen Handelspolitik zu be—
n und zu lösen Eine Reihe von Sachver⸗
tändigen aus kohlenproduzierenden Ländern ver—
sicherten, daß ihrer Meinung nach
ihre Mitarbeit auf internationalem Gebiete
zur Behebung der Krise beitragen könne, während
indere in dieser Veziehung starke Vorbehalte machten
kzs wurde angeregt, die Besprechungen unter Leitun—
des Völkerbundes später wieder aufzunehmen und
sartzusetzen Da jedoch die gesamte Zusammenkunft
ediglich beratenden und infermatorischen Charakter
detie, wurde kein diesbezüaglicher Beschluß gefaßt
indern lediglich über die Maßnahmen gesprochen
ie eventuell zwecks Fortsetzung der Erhebunag durch—
füuhren sind.
Wie schon oben gesagt, hat sich der Wirtschafts—
ussußß des Völterbundes nach Entgegennahme des
Zerichtes über dielse Sachverständigenzulammenkunst
Der SaerBerrterr
entschlossen, zunächst zu einer Befragung von Ar—⸗
eitersachverstandigen zu schreiten, die am 27. Februar
egonnen hat und zu der Sachverständige aus folgen⸗
en Kohlenländern eingeladen worden sind: Deutsch⸗
and, Oesterteich, Belgien, Spanien, 3833 Groß⸗
ritannien, Holland, Polen und Tichechoslowatei. Es
Aumnminet 14
'ann wohl mit Recht angenommen werden, daß diese
veniger ängstlich und mit weniger Vorbehalten an
die internationale Losung dieses Problems heran—
gehen werden und keinen Anstand nehmen, klar
heraus zu sagen, wo der Knuppel beim —38
Ein bommendes Arheitsschuggeseg im Reich
Nächst dem Schlichtungswesen steht zurzeit im Mit⸗
elpunktt der Erorterungen der dem Reichstag zuge—⸗
ritete Entwurf eines Arbeitsschutzgesezes. Es soll
Rieses Gesetz ein wesentlicher Bestandteil des künf—
igen
reichende und jachgemähe Ueberwachung der einzelnen
Betriebe e ist. Diesem Zwecke diente bis—
her die Gewerbeaussicht, die nunmehr durch die Be—
timmungen im Abschnitt 6 des Gesetzentwurfes eint
wirksamere Regelung erfahren soll. Es muß aner—
kannt werden, daß gegenüber den ersten Entwürfen
die Vorschriften dieses Abschnittes eine Verbesserung
gegenüber dem bisherigen Zustand herbeiführen wer—
den. Leider konnte die Fegecaeg und der Reichs—
rat nicht dazu entschließen, ganze Arbeit zu leisten
ind die neuen Arbeitsaufssichtsbehörden zu Reichs—
sehörden umzugestalten. Man wird sich mit dieser
Teilreform aber dann abfinden können, wenn die im
Entwurf vorgesehene Einflußnahme des Reichsar—⸗
beitsministeriums auf die Abgrenzung, die Besetßung
und Betätigung der Arbeitsaufsichtsbehörden nicht
aur nicht abgeschwächt, sondern verstärkt wird. Da—
neben muß die Mitwirkung der Arbeitnehmerschaft
bei dem Erlaß der Durchführungsverordnungen und
der weiteren Ausgestaltung der Arbeitsaufsicht ge—
währleistet werden Der Gesetzentwurf bringt hierzu
bemerkenswerte Ansätze, die aber noch der Verbesse—
rung bedürfen. „Zentfralblatt“
„Gesetzbuches der Arbelt“
verden. Wie dieses kommende „Gesetzbuch der Ar—
eit“ eine Zusammenfassung und eine von sozialem
ßeist befruchtete Neuregelung aller das Arbeitsver⸗
zältnis beeinflussenden gesetzlichen Bestimmungen
rringen soll, so soll das Arbeitschutzgesetz auf einem
deilgebiet Zusammenfafsung und Fortschritt herbei⸗
Oeses Teilgebiet soll in erster Linie den
jssentlich rechtlichen Schutz der Arbeiterschaft und nur
Einzelfällen auch bürgerlich-rechtliche Beziehungen
zu ischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern umfassen
Die wichtigsten Gebiete ves Arbeitsvertragsschutzes
zer Tarifgesetzgebung und des Berufsvereinsrechtes
zleiben weiteren Gesetzen vorbehalten.
Der Gesetzentwurf behandelt in sieben Hauptab—
chnitten: den Geltungsbereich, die Betriebsgefahren,
vie Arbeitszeit, die Sonntagsruhe, den Ladenschluß,
Fe Durchführung des Gesetzes Meuordnung der Ge—
werbeaufsicht), Ausführungs- und Ueberleitungsvor
chriften. Die Arbeitnehmerschaft würde sich selbst
einen schlechten Dienst erweisen, wollte sie nur die
S„schwächen und Mängel in diesem wearg er⸗
zlicken und dann in den sehr dummen Ruf einstim
nen: „Schutz der Arbeitnehmerschaft vor dem Ar
zeitsschutzgesetz!“ Der Entwurf bringt gegenüber der
estehenden Ausführungen recht zahlreiche Verbesse
ungen, die es zu erhalten gilt.
Der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften
»zw. der Deutsche Gewerkschaftsbund haben in Er—
vartung der Schwierigkeiten, die von Arbeitgeber—
eite gemacht werden, sorgfältige Vorarbeiten ge—
eistet, um den befreundeten Abgeordneten brauch—
dares Material für die Beratung des Gesetzes an die
hand zu geben. Im gegenwärtigen Stadium genügt
s natürlich nicht mehr, nur grundsätzliche Forde—
rungen aufzustellen, sondern es müssen sorgfältig
rusgearbeitete Abänderungsanträge zu den einzelnen
Paragraphen des Entwurses vorgelegt werden. Diese
mfangreiche Arbeit ist beendet und hofjen wir, daß
ꝛs unseren Freunden im Reichstag möglich werden
vird, die vom Deutschen Gewerlischaftsbund als not
vendig erachteten Aenderungen durchzudrücken.
Vor allen Dingen muß
der Geltungsbereich des Gesetzes
ruch auf die bisher ausgenommenen Betriebe der
Land- und Forstwirtschaft, der Tierzucht, der Fischerei,
der Seeschisffahrt und der Luftfahrt, sowie auf die
leinen Nebenbetriebe und auf die Hauswirtschaft
rusgedehnt werden. Auf dem Gebiete des Vaschinen—
chußes muß endlich ganze Arbeit geleistet werden
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Bestim
nungen des dritten Abschnittes über die Arbeitszeit.
Die Reihe der ausgeschlossenen Berufsgruppen und
die Zulassung zahlreicher Ausnahmen müssen wesent⸗
lich eingeschtänkt und auf ein für
die Sicherung des Achtstundentages
»rträgliches Maß zurückgeführt werden.
Ganz entschieden wird man sich gegen eine weitere
Ubschwächung des Nachtbackverbotes durch Sonderbe—
astung der Familien- und Anstaltsbetriebe und durch
generelle Zulassung von Ausnahmen zur Deckung
zes Bedarfs infolge von Messen, Jahrmärkten oder
oAsentlichen Festen wenden müssen Dasselbe gil!
auch hinsichtlich der Durchbrechung der Scuntagsruhe
der Ansturm aus Kreisen des Mittelstandes gegen
vpeitere, die Sonntagsarbeit einschränkende Vestim
nungen wird besonders groß sein, und die bürger
ichen Parteien werden zu beweisen haben, wie wei“
r2s ihnen ernst ist mit ihrer Forderung, das öffent
niche Leben mit christlichen Grundsätzen zu durch
)ringen. Nicht weniger hart umstritten wird der von
uus geforderte hi Sadencß und der im Gesetz—
entwuͤrf bereits vorgesehene 8- Uhr-Ladenschluß am
Weihnachtsabend sein.
Zu den Jugeudschutzbestimmungen
zat der Deutsche Gewerkschaftsbund gleichfalls einige
Verbesserungsanträge gestellt, namentlich in Bezug
auf die Anrechnung der Berufsschulzeit auf die Ar
zeitszeit und die Einführung des freien Sonnabend
tachmittags.
Die Erfahrungen in der Vergangenheit haben ge
lehrt, daß es zur Herbeiführung eines ausreichender
Urbeitsschutzes nicht genügt. zahlreiche gesetzliche Vor
chriften zu erlassen, sondern daß daneben eine aus—
Die Arbeitslosigkeit im Reich
Der ungewöhnlich scharfe Winter hat die Arbeltslostgkett,
Ae im vorigen Winter nicht so stark in die Erscheinung se⸗
reten war, cußerordentlich gestetgert. Mehrere Millionen
Koltsamgeböriger haben unter der Arbeitslosigkeit zu
leiden. a d unmitiesbar arbeitslos gewordenen, so⸗
dann ibre milienangehörigen. Nachstehende Tabelle
eigt uns den Stand der unterftützten Arbeitslolenzahl am
is8. Januar 1929 in den einzelnen Gebieten:
Landes arbeits⸗ Arbeitslosen⸗ Krlesen⸗
amtsbegirk un terstützung unterftützung
Ostvreaßzen b6 801 1618
Schlesten 184 814 14 327
Bramndenburg 263 07 17545
Pommern 84 «» 3739
Nordmark 110 28 8388
Niedersachen —— d 288
Westfalen ta4 52 7918
Rheinland 216 842 22 987
desen 119 789 9 807
Nitteldeutschland 178 9884 10270
Sachsen 197 737 11135
Bavern mit Pfale 230 788 20 009
Sud weswodeut chland 105 570 5 624
Doutiches Reich 2029 387 138449
Vom 15 bis zum 31. Januar hat die Zahl der Haupt⸗
3 in der Arbellslosen verficher Ang
ein 8 der Sonderfürsorge bei berufsüblicher Ar—
xeitslostakeit) um weitere 176 000 Personen oder 8,8 Pros
ugonommen. Insgesamt gab es Ende Zanuar rund
1226 000 Unterltützte
Die Arbeitslostgkeit im Saargebiet
Im Saargebiet tritt diesen Winter die Arbeitslosigkeit
bemnfalls in erböbhtem Maße in die Erscheinung. Dabei
nuß beachtet werden, daß viele im Saargebiet arbeitslos
zewordene Arbeitnehmer in der hiestgen Statistik nicht er⸗
cheinen. weil sie ihren Wohnsitz außerhalo des Saarge—
zietes haben und von der A deseawers deum des
Reiches unterhalten werden. Dieser Umstand bringt e⸗—
nit sich. daß die tatsächlich in der Wirischait des Saar—
jebletes arbeitslos gewordene Arbeintehmer in den nach
tehenden Arbeitslosenzahlen nicht zum Ausdruck kommen
Unten handelt es q um die Arbeitslosen, die im Saar—
gebiet ihren Wohnsitz bzw Hauptaufenthalt haben.
Zahl der be⸗ Zahl der be- Zahl der vom
Monat e ien schäftigten Arbeits⸗ Hun—
rbeiter Angestellten losen dert
Aug udt 1028 1790 372 10588 2776 1.48
evtember 192 903 10 280 2940 1.54
Atober 1928 171713 19 246 3559 1.86
November 1928 171176 19 067 4527 236
Dezember 1928 167 288 19 301 7601 4.07
Januar 1920 163 260 1319 10498 5.70
Wegen der Unzukänglichkeit der Unterstützungssätze der
zier noch bestebenden Erwerbs!oenfür'orge mußten die Ge—
meinden besondere Unterstüturngsmaßnahmen durchfilhren;
auch die Regierungaskommession entschloß sich dasu, nachdem
die Parteien die nötigen Schritte unternommen hatten.
Der harte Winter verursachte sa besondere Ausgoben. die
von der körgen Unterstükuntz nicht bestritten werden konn⸗
ten. Im Febrrar und März dürfte die Zahl der Arbeits⸗
osen noch größer geworden sein. da das lange Anbalten
ves Frostes weitere Arbeiterentlaßungen im Gefolge darte