Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

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n fast jüniund dreittigjähriger opfernoller Arhert er⸗ 
cricht worben Aber 
der jungen Generatian 
dleibt noch viel Arbeit. Die theoretische Gleichberech 
ligung ist erlkämpft, aber an der praktischen 
Hleichberochtigung sehlt es noch. Was nützt die theo⸗ 
retische Gleichberechtigung, wenn das wirtschaflide 
Fundament fehlt? Die RMinderbewertung der Berg⸗ 
aubeiter ist ein unwürdiger Zustand, der beseit:gt 
werdon muß. Das Mitbestimmungsrecht beim Ar— 
beitsvortrag haben wir uns ertämpft, aber in den 
zioßen Betrieben und Konzernen müssen wir Ein⸗ 
luß in der Verwaltung helommen. Wir vedlangen 
die volle Gleichberehtigung mit den Unter⸗ 
oseen Zur Gleichberecht igung des Arbeiterstamdes 
gehött mehr als theoretische Gosetzesbestimmungen. 
Vor allem ist 
eine wirtschaftliche Besserstellung 
gotwendig. Die Möglichkeit des Erwerbs von Eigen-— 
um muß auch dem Arbeiterstande gegeben werden. 
Alle diese Ziele unmnd viele andere können nur im 
Kampf errungen werden. Freiwillig gibt dem Ar⸗ 
jzeiter niemand etwas. Der echte Kampfgeist muß bei 
sedem von uns vorhanden sein. Dazu gehört eine 
tarke Willenskraft und die Ueberwindung der 
Dpferscheu. Die Jugend soll vor allem ihre Freizen 
zur Ausbildamg benutzen, damit die alten Kämpier 
zinst von noch tüchrigeren jungen abgelöst werden 
das ist heute möglich, weil die Ausbildungsmöglich 
eiten bessere sind als früher. 
Die Knappenjugend im Gewerkverein 
yat es heute auch leichter, weil sie Bestehendes nicht 
iur erhalten, jondern davanf weiter aufbauen kann. 
Es muß deshalb der Stolz der Jungknappen sera, 
sür den Gewertverein, für die Hebung ihres Standes 
ju arbeiten und alle Kraft einzusetzen. Mögen sich 
deshalb die Jungknappen der Vorkämpfer ihrer christ⸗ 
sichen Bewegang würdig erweisen umd datkwväftig an 
dem Ansgeg des Bergmannsstandes mitarbeiten. 
Jtur mit zieslbewußter Energie, größter Opferwillig⸗ 
leit und Hingabe für umseren Gewerkverein wird der 
Kampf für die wirtschaftliche und geistige Hebung 
inseres Standes weiter von Erfolg gekrönt sein.“ 
Noch ist der Abstand von der letzten Lohnbewegung 
im Saarbergbau gering. Die volle Auswirkung kann 
erst nach Verlauf von weiteren Wochen überschaut 
werden. Dann wird es auch möglich sein, jenen Schluß— 
trich zu ziehen, den die Revierleitung gelegentlich der 
abschließenden Konferenz angekündigt. Schon heute 
aber ist zu erkennen, nach welcher Richtung die wirt— 
schaftlichen und gewerkschaftlichen Dinge sich aus— 
virken. Auch jetzt schon muß man zu der Aufsassung 
ommen, die Bergwerksdirektion möge bei allen Be 
vegungen in der Zukunft den Versuch einer gegen— 
eitigen Verständigung nicht zurückweisen. Es erscheint 
jülr sie unerläßlich, die wirtschaftliche Rechnung nicht 
ohne den Bergman und seine Organisation zu machen 
Rur so wird es möglich sein, eine zweite Aktion dieser 
Art in der Wirtschaft der Saar zu verhindern. 
Das Ankündigen der Produktionsdrosselung durch 
obie einsjache Art des Beachtens bergpolizeilicher Vor⸗ 
J erregte bei den Uneingeweihten ein Kopf— 
schutteln. Diese Kreise waren bisher der Auffassung, 
daß ein Einhalten genannter Vorschriften selbstver— 
ttändlich sei Auch industrielle Kreise der Saar, die 
rußerhalb des Bergbaues stehen, waren derselben 
Auffassung. Man hatte nie geglaubt, daß die bis— 
herigen Ergebnisse der Gruben ohne Einhaltung der 
Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften erreicht wur⸗ 
den. Jene Kreise hielten es für unmöglich, daß der 
Bergmann für etwas wehr Lohn zuliebe sein Leben 
und seine Gesundheit auf das Spiel setzt. Trotzdem 
ist dies in nicht wenigen Fällen leider Tatsache Der 
Bergmann will sich eben ein Verdienst beschaffen, 
der ihm seinen Unterhalt einigermaßen fsicherstellt. 
die schlechten Gedingeverhältnisse sind die Triebkraft 
der genannten Handlungsweise. Dann konnte man 
dort auch nicht glauben, daß die Solidarität eines 
Kohlenhauers soweit gehe, auf einen ihm zugesagten 
PDlehrverdienst zu Gunsten eines schlechter bezahlten 
Berufskollegen zu verzichten Man hai sich getäuscht 
und wieder einmal erfahren. daß man die Bergar—⸗ 
deiterorganisationen an der Saar nicht mit denen in 
inderen Revieren vergleichen darf. Der Zusammen⸗ 
chluß, die Solidarität und die Disziplin find hier 
derart vollständig, wie man sie in diesem Umfange 
wohl kaum mehr antrifft. Die Aufforderung der 
Verbände brachte hierfür im Januar einen erneuten 
Beweis. Wir sehen ziffernmäßig die ersten Aus— 
wirkungen. 
Die Förderung blieb im Monat Januar mit zu— 
sammen 956 932 T um 145 295 T. hinter dem gleichen 
Monat des Vorjahres zurück Sie war selbst niedriger 
als im Februgar, in dem nur 21,16 Schichten verfahren 
wurden Es kam hinzu, daß der Leistungseffekt von 
330 Kilo pro Mann und Schicht im Monat Dezember 
auf 689 im Januar zurückging. Ebenso wurden die 
Haldenbestände um 48417 ger geringer. Sie hetrugen 
Der Saar⸗Beroerrabppern 
Ende Januar nur noch 120 000 T. In diesen einfochen 
und trockenen Zahlen liegen nun große wirtschaftliche 
ind jogiale Schwierigkeiten verborgen. Zunächst fiel 
zieser Förderungsausfall in eine Jeit des besten Ab— 
atzes. Im Monat Januar ist fast in allen Jahren 
»ine stärkere Nachfrage nach Kohlen vorhanden. 
Neben Frankreich mußlen die Industrien an der Saar 
hren erhöhten Bedarf an Brennstoffen decken. Auch 
derlangte der Hausbrand ein erhöhtes Quantum. In— 
olge der genannten Störungen konnte der Bedars 
un Kohlen nicht gedeckt werden. Nicht wenig In— 
vustriezweige bestellten fremden Brennstoff. Schlim 
ner mußte sich die Situation im Februar auswirken 
Zunächst hatte die Grubendirektion durch die ange— 
ündigte Schichtenreduzierung die Arbeitsfreudigkeit 
der in den Betrieben tätigen Menschen zerstört. Ohne 
diese kann nun im Bergbau eine Produktionssteige— 
rung nie erreicht werden. So ist die gegenwärtige 
5timmung unter den Bergarbeitern, durch die ver— 
dängten Raßnahmen verursacht, wenig geeignet eine 
rhöhte Förderung zu ereichen Hinzu kam, daß durch 
die große Kälte nicht allein die Industrie, sondern 
nuch der Familienhaushalt mehr Kohlen bedurfte 
Zo wurde die Kohlenknappheit ungemein stark. Eine 
Nenge Arbeitsloser entstand. Der Schaden in der 
Pirtschaft zählt nach Millionen. 
Nummert 10. 
Jetzt tauchen neue Schwierigkeiten auf. Infolge der 
n Frankreich gesteigerten Kohlennachfrage, liefert die 
Safur in erhöhten Mengen. Der heimische Bedarj 
hleibt unbefriedigt. Jetzt tritt wiederum die alte Er— 
cheinung zutage, daß die Grubenverwaltung in 
zeiten großer Kohlenknappheit die Abnehmer im 
Saargebiet und Süddeutschland schlechter beliefert. 
Bei einer normalen Förderung in beiden Monaten 
onnte man der gesteigerten Kohlennachfrage gerecht 
verden. Auch hätte man die jetzt vorhandenen wirt— 
chaftlichen Schäden verhindert. Darüber hinaus wäre 
die Arbeitsfreudigkeit, die in den letzten Monaten des 
dergangenen Jahres der Direktion glänzende Er— 
gebnisse gebracht, erhalten geblieben. 
Der gewerkschaftliche Gedanke ist durch die Maß,— 
iahme der Bergwerksdirektion erneut gestärkt worden. 
Er hat auch im Monat Januar seine Probe be— 
tanden. Der letzte Bergmann in den Gruben hat den 
Wert seines Zusammenschlusses wiederum verspiürt. Es 
st unendlich schade, daß solche Proben eines gewerk— 
chaftlichen Selbstbewußtsein mit erheblichen wirt— 
chaftlichen Schäden verbunden sind. Wir hoffen, daß 
es für absehbare Zeit einer solchen Auseinander— 
etzung nicht mehr bedarf, um dem Bergmann der 
Zaargruben zu einem Lohne zu verhelfen, der durch 
die Verhältnisse mehr als berechtigt ist K. G. 
Prubtische Bebömpfung der Unfallgeführen 
Die letzte Woche stand im Zeichen des Wortes. 
Helft Unfälle verhüten!“ Es ist sicher anzuerkennen, 
venn' berufene Koͤrperschaften dazu übergehen, die 
Vekämpfung der Unfallgefahren zu einer allgemeinen 
bolkssache zu machen. Das Volk muß aber auch zur 
raktischen Bekämpfung der Unfallgefahren unmittel⸗ 
zar mit herangezogen werden. Dies gilt in besonderem 
MNaße zur Bekämpfung der Unfallgefahren in den 
en Betrieben. Leider müssen wir feststellen, 
jaß die Arbeiterschaft und ihre Vertretung da nicht 
n der richtigen Weise an der Bekämpfung der Un— 
Juepen beteiligt mird. Sie sind im Saargebiet 
n keinem der Organe beteiligt, die obligatorisch der 
Unfallverhütung zu dienen haben. Das ist ein großer 
Dangel, der nach Beseitigung ruft. Schon oft haben 
vir die Beteiligung der Vergleute in den Aussichts— 
zeganen des Bergbaues verlangt; bis heute ist dieser 
Ruf ungehört verhallt. In Preußen ist man ausf 
diesem Gebiete uns hier an der Saar um ein gutes 
Wegestück voraus. Dort besteht seit einigen Jahren 
das Grubensicherheitsamt, dessen spezielle 
Lufgabe die Bekämpfung der Unfallgefahren im 
Bergbau ist. In seinen einzelnen Organen wirken 
bertreter der Bergleute praktisch mit. Das ist richtig. 
Dder Bergleute tragen ja ihre Haut zu Markte. Sie 
»aben darum auch ein Recht darauf, selbst an der 
Unfallverhütung praktisch beteiligt zu sein. Zumal 
der Bergbau den gefährlichsten Gewerbebetrieb bildet. 
Ddamit die Saarbergleute auch zu ihrem Rechte 
ommen, erheben wir erneut die Forderung nach 
hrer Beteiligung in den Aufsichtsorganen des Berg 
»aues, denen die Unfallbekämpfung obliegt. — 
folgende Unterausschüsse: 
Allgemeine Sprengstoffragen, allgemeine Zündmittel⸗ 
fragen, betrieblich sicherheitliche Vagen Zulassung 
von Sprengstoffen, Prüfung von prengitoen, flüs—⸗ 
sige Luft, zusammengefaßt im Ausschuß für das 
Sprengstoff- und Zündmittelwesen; ferner die Seil— 
fahrtskommission mit fünf Unterausschüssen: Förder— 
ürbe und, Fangvorrichtungen, Förderseile einschl 
Zwischengelchirre und Seilfahrtsstatistik, Förder— 
naschinen einschl. Seilscheiben und Fördergerüste 
Signalzeichen und Ausbildung des Personals, Seil 
'ahrt in blinden Schächten; dann noch der Ausschuß 
ür Schlagwetter und Kohlenstaubfragen. 
3. Grubensicherheitskommissionen bei den 
Oberbergamtern. 
Sie bestehen aus: ein Vertreter des Oberbergamtes 
wei Bergrevierbeamten, je drei Vertreter der Arbeit: 
geber und Arbeitnehmer, zwei Mitgliedern des Preu— 
zischen Landtages. Sie werden sinngemäß wie bei 
der Hauptkommission berufen, dabei müssen die Ver— 
treter der Oberbergämter (die Vertreter der Arbeit— 
geber und Arbeitnehmer können) Mitglieder der 
dauptkommission sein. Die Kommissionen sind be—⸗ 
ratende Organe der Oberbergämter. Aufgaben: Mit— 
virkung bei der Aufklärung wichtiger Unfälle, Mit— 
virkung bei anderen wichtigen Ereignissen, Stellung⸗ 
tahme zu den Entwürfen der Bergpolizeiverord— 
tungen. Auch diesen Kommissionen können Fachaus 
— beigeben werden; so bestehen in Breslau dit 
Ausschüsse für die Erforschung und Bekämpfung der 
Tohlensäureausbrüche, zur eene der Gebirgs 
chlãge, für flüssige Luft; in Dortmund für das Ge— 
teinsstaubverfahren. Bei jedem Oberbergamt besteh⸗ 
ein Unfallausschuhßz. 
Diese Einrichtungen können und haben schon Er— 
prießliches fsür die Unfallverhütung Leghet 
rommen doch in den Kommissionen alle Vertreter 
der Inieressierten zusammen, um gegenseitig ihre 
rfahrungen auszutauschen und nach gemeinsamer 
Beratung das vorzuschlagen, was für den Unfall— 
chutz am wirksamsten erscheint. — Wir sind der 
Bleinung, daß die Regierungskommission nur einer 
großen Pflicht nachkäme, wenn sie für den Bereich der 
Zaargruben eine ähnliche Einrichtung schüfe 
Wie für den preußischen Bergbau das Gruben 
icherheitswesen, sae es durch das Grubensicher— 
sjeitsamt betreut wird, gegliedert ist, geht aus nach 
tehenden Ausführungen hervor. 
1. Das Grubensicherheitsamt. 
Es ist dem preußischen Ministerlum für Hander 
ind Gewerbe eingegliedert. Es besteht aus dem Leiten 
ind vier Fachreferenten und bearbeitet: 
Allgemeine bergpolizeiliche Angelegenheiten, Un 
allverhütung, die sicherheitstechnischen Einrichtungen 
ẽs hat dahin zu wirken, daß die gemachten Ersah. 
uungen für den ganzen preußischen Bergbau nutzbar 
jsemacht werden Um diesen Zweck besser erfüllen zu 
oͤnnen ist ihm beigeordnet 
2. die Grubensiche rheitskommission. 
Diese gilt als Hauptkommission. Sie besteht aus 
em Leiter des Grubensicherheitsamtes (Vorfitzender) 
e einem Vertreter der Oberbergämter, sieben Ver— 
retern der Arbeitgeber (darunter ein Betriebs 
ührer), sieben Vertreter der Arbeitnehmer (darunter 
wei Angestellte) und drei Vertreter des Preußischen 
randtages. 
Von den Vertretern der Arbeitgeber und Arbeit⸗ 
iehmern entfallen je vier auf Steinkohle, je einer 
ruf Braunkohle, Erz und Kali, sie müssen mindestens 
ünf Jahre praktisch im Bergbau tätig gewesen sein 
Zie werden von der Arbeitsgemeinschaft, Fachgruppt 
Bergbau, benannt und vom Minister berufen. Es ist 
in Ehrenamt. 
„Freie Bahn dem Tüchtigen!“ 
Das Schlagwort „Freie Bahn dem Tüchtigen' 
schwirrte besonders in der Nachkriegszeit. Leute, di— 
alles durch die rosige Illusionsbrille betrachten, tater 
so, als ob nun jedem begabten, fleißigen und tüch 
tigen Arbeiterkinde der Weg nach oben frei gemach 
sei. Manche glaubten, daß die höheren Schulanstalter 
mehr als fruüher den Arbeiterkindern erschlossen wür 
den. So die „holde“ Theorie. Die graue Praxis rede 
eine andere Sprache. Sie zeigt, daß der Aufstieg nad 
oben nicht nur von Verstandesgaben, sondern haupt 
r von dem notwendigen „Mummes“ (Geld 
abhängig ist — und nach dem Studium von nach 
schubjahiger Protektion. Darin hat sich gegen frühes 
aber auch gar nichts geändert, wir glauben, daß vie! 
eher eine Verschlechterung für die Arbeiterschaft zu 
erzeichnen ist. 
Diese unsere Meinung wird durch die Statistik er 
zärtet. Man braucht nur die nachfolgenden Zahler 
u würdigen, die unsere Tageszeitung „Der Deutsche“ 
n der Nummer vom 85. Fehruar ds. Is in einen 
wachtenswerten Artikel Arbeiterkinder auß der 
Die Kommission hat das Grubensicherheitsamt zu 
zeraten; sie kann Anregungen geben, Beschlüsse fassen; 
»as Grubensicherheitsamt hat die Stellungnahme der 
ZTommission zu allen wichtigen techn. Maßnahmen 
»er Unfallverhütung zu veranlassen. Die Kommission 
vie auch deren Unterausschüsse können Grubenbe 
ahrungen vornehmen oder durch einzelne Mitalieden 
wrnehmen lassen. — Es hestehen
	        
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