Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

Saorhrũcken, den 9. Värz 1028 
Urgan des Gewertvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
Nummer 10 
Lrscheint seden Samstag für die Mitglieder gratis. — 
Preis für die Zahlstellenabonnenten 5. — Ft. monatl ohne 
Botenlohn. füt die Postabonnenten 15.— Fr. viertelfährl. 
4 
* Oeschäftsstelle des „SaarBergknappen“: ẽc 
Für wirtschaftliche u. geistige Hebung brũcken 2, St Johannet Straße 49. — FernsprechAnschluß: 
des Bergarbeiterstandes Amt Saarbtlickhen. Nummer 1530. 1062, 2003. 3194 
Einige Bemerkungen. 
Im der Nummer 311929 gaben wir zur Kenntinis, 
‚aß die Regierungskommisstion dem Landesrat einen 
Eutwurf betreffend Erwerbslosenfürsorge 
orgelegt habe, den die gewerkschaftlich organisierte 
Arbeiterschaft nicht annehmen könne, da er auf ver— 
ilteten Voraussetzungen bernhe und keine Rechts— 
Jleichseit mit dem im Reiche gesetzlich bestehenden 
zustande herbeiführe. Dieser Auffassung haben sich 
nit Ausnahme der Kommunisten alle übrigen 
Parteien angeschlossen. Sie haben einen Beschluß 
gzefaßt, der die Regierungskommission dringend er— 
sucht, den vorgelegten Entwurf zurückzuzie— 
sen und baldigst einen Entwurf betreffend 
Arbeitslosenversicherung dem Landesrat zur 
Begutachtung vorzulegen. Durch die gesetzliche Ein— 
iührung der Arbeitslosenversicherung erhielten die 
ẽrwerbslosen einen Rechtsanspruch, der bei dem 
Fürsorgecharakter der heutigen Regelung nicht ge⸗ 
jeben ist. Die Einführung der Arbeitslosenver— 
icherung ist auch schon deshalb notwendig, um das 
Arbeitsvermittelungswesen, das in urfächlichem 
Zusammenhang mit der Erwerbslosigkeit steht, mit 
»er Arbeitslosenversicherung in einen organischen 
zusammenhang zu bringen. Einen Entwurf be— 
treffend Arbeitsvermittelung hat der Landesrat 
schon vor zwei Jahren begutachtet, der aber bis 
sjeute noch nicht in Kraft gesetzt ist. Schon damals 
orderten unsere Kollegen im Landesrai die sofor— 
ige Regelung des Erwerbslosenproblems nach 
oeutschem Muster, da Arbeitsvermittelung und 
Arbeitslosenversicherung organisch zusammenge— 
görten. Dieser Forderung kam die Regierungs— 
lommission nicht nach. Nunmehr hat die überwie— 
tende Mehrheit des Lanudesrates erneut mit allem 
Nachdruck die Einführung der Arbeitslosenver 
icherung verlangt. Die Arbeitgeber haben in der 
Arbeitskammer ebenfalls mit überwiegender Mehr 
deit dasselbe verlangt. Diesem Verlangen der un 
nittelbar beteiligten Kreise darf die Regierungs— 
ommission sich nicht mehr länger verschließen. Die 
Ausrede, es geschähe auf einmal zu viel in der So— 
ialversicherung, ist nicht stichhaltig, zumal die deut⸗ 
chen Versicherungsträger nach Feftstellungen der 
Abteilung Sozialversicherung der Regierungskom 
mission jährlich bis 120 Millionen Franken zur So— 
zialversicherung des Saargebietes leisten. Bei einer 
olchen Entlastung ist es den beteiligten Kreisen 
jut möglich, die Kosten der Erwerbslosenversiche⸗ 
rung zu tragen. Die Belastung, die der Arbeiter— 
chaft durch die Beiträge zur Arbeitslosenver— 
icherung entsteht, kann sofort durch entsprechende 
ntlastung bei der Lohnsieuner ausge— 
zlichen werden. Es besteht somit kein stichhaltiger 
Brund, noch weiterhin mit der Einführung der 
Arbeitslosenversicherung zurüctzuhalten. Die betei— 
igten Kreise haben sie mehrmals dringend gefor⸗ 
dert; diesen entschiedenen Willen zu respeltieren isi 
doch die vornehmste Pflicht der Regierungstkoni— 
mission. 
den Unfallversicherungsträgern des Saargebietes 
ur Prüfung und Aeußerung vor. Obschon dieser sich 
n wichtigen Punkten nicht an die im Reiche gelten— 
»en Bestimmungen anpaßte, sieht der dem Landes 
at vorgelegte Entwurf noch weitere Verschlechte⸗ 
ungen vor. Die Regierungskommission hat sonach 
uuf Betreiben gewisser Kräfte bestimmte Verbesse 
ungen, die der Vorentwurf enthielt, wieder ausge 
nerzt. Das nennt man dann Einhalten der Be— 
tinmmungen der Heidelberger Abrede! Das nennt 
nan Anerkennung der gewaltigen Leistungen, die 
eutsche Versicherungsträger zur Entlastung der 
aarländischen Sozialversicherung leisten! Es ist 
zeradezu empörend, daß die hiesigen maßgebenden 
Ztellen nicht bereit sind, das dem Volke zu gewäh— 
en, was ihm zusteht. Als der Vorentwurf den Un— 
all versicherungsträgern vorlag, nahmen wir ein— 
gehend dazu Stellung. In der Nummer 47/1928 
inseres Organs haben wir die berechtigten und er— 
üllbaren Forderungen deutlich zum Ausdruck ge— 
racht, welche in den endgültigen Entwurf noch 
usgenommen werden sollten. Die Regierungs— 
ommission störte sich nicht an diese berechtigten 
rorderungen, sondern verschlechterte den Vorent⸗ 
vurf noch bedeutend. So wird im Saargebiet der 
Fi und die Wohlfahrt der Versicherten respet⸗ 
iert! 
Der Entwurf sieht natürlich noch eine Versiche— 
ungspflichtgrenze für Angestellte und eine Dritte— 
ungsgrenze für beide Arbeitnehmergruppen zur 
krrechnung der Vollrente vor. Im Reiche simo 
eide Grenzen gefallen. Dort wird also der wirk— 
liche Jahresarbeitsverdienst der Rentenberechnung 
zugrunde gelegt. Es ist daher zu verstehen, daß die 
bersicherten unter allen Umständen die Beseiti— 
Jung der beiden Grenzen (Gersicherungspflicht⸗ 
und Drittelungsgrenze) verlaugen müssen. Weiter 
sieht der Entwurf keine Kinderzulage für Beschä⸗ 
digte vor, die 50 Prozent mehr erwerbsbeschränkt 
ind: außerdem keine erhöhte Witwenrente. Der 
Weg nach und von der Arbeit ist nicht mit in die 
Bestimmungen eingezogen, sodann auch nicht die 
Unfallsolgen, die bei der Instandsetzung, Aufbe— 
vahrung und Befördeung von Arbeitsgerät ent⸗ 
tehen. Das sind nur einige im Reiche bestehenden 
vichtigen Bestimmungen, die der Entwurf neben 
anderen nicht vorsieht. Die Gewerkschaften haben 
also alle Ursache, mit allem Nachdruck die Einfüh— 
rung dieser Verbesserungen zu verlangen. Sie 
tehen ja geschlossen hinter dem Landesrat, der die 
sehlenden Bestimmungen in den , einbauen 
wird. Die Regierungskommission befindet sich in 
iesen Fragen einer geschlossenen Front aller Ver— 
sicherten gegenüber. Wir betonen daher nochmals, 
daß es nicht angäugig ist, daß bei der großen Lei— 
tung der deutschen Versicherungsträger für die 
Sozialversicherung des Saargebietes hier wesent⸗ 
ich schlechtere Verordnungen in Kraft gesetzt wer⸗ 
den, als sie im Reich bestehen. Es ist die allerhöchste 
zeit, daß auf diesem Gebiete endlich völlige Rechts⸗ 
zleichheit in allen Versicherungszweigen herbei— 
jeführt wird. Das ist der Wille aller Versicherten. 
Nach ihm hat die Regierungskonmission zu han— 
deln! 
e 
Weg unmd Ziel für unsere Zungknappen 
Von unserem Vorsitzenden Seinrich Imbusch. 
Am 17. Februar fand am Sitze unseres Gewerk-ein Ausbeutungsobjekt des Kapitals. Der Berg⸗ 
ereins, Eisen⸗ F Kohlenstadt Essen, eine große wann war rechtlos umd wurde nur noch als Produf— 
Zugendkundgebung des Gewerkpereins christlicher ionsmittel gewertet. Das zeigte sich in der langen 
exgarbeiter statt, die als Auftakt für die Jugend, Arbeitszeit bis zu zwölf Stunden unter Tage und 
Pexrbewoche galt und einen überaus glänzenden Ver- dirdrigen Köhnen. in der Einschränkung der persön⸗ 
auf nahm. Im Mittelpunkte, der Veranstaltung ichen Freiheit, in Minderbewertung und politischer 
tand der Vortrag unseres Vorsitzenden Heinrich Anterdrüctung Die Bergarbeiter waren gegenüber 
Im busch, der unserer Knappenjugend in klaren diesen Zuständen zuerst machtlos. 
Lorten sagte, was sie uun muß, um den Bergmanns- Die große Masse 
j älli s i * 23. * 4 * , 
eee he eee duret eh vne ucdeuten und drapgeatherru ebns 
hres Vorsitzenden einprägen kann. um mutvoll da— De —* in V 5 Ane —5* dahe 
nach zu handeln, bringen wir sie nachstehend zur — Einigeb ievig tannten di 
Kenntnis. Wir verbinden damit die dringende Bitte aut Wd 3 aietgse nner vrranuen de 
se a eeeen d —9 Ieene ihrer unwürdigen Lage und suchten 
beherzigen und nach ihnen zu handeln. Die prak— J 
d * Anncnn 8 va heee 5 anede —I — 
ugs iche 
hnhe den welleren Aumlen des Vergwianns der siebziger Jahre, die aber mißlangen. Die Fehl⸗ 
schläge rie die erree Edsg Trotz 
— schheitsgeschi ist ei Schikumierung, Maßregelung und Verfolgung gelang 
Die Wenshte eteen a es einige Jahrzehnte später, endlich die Bergarbeitet 
e des un größerem Umfange zu organisieren. Sie hatten 
ur unter stetem Kampf geht es mit der Menschheit —B 
orwärts. So wie das Kampfelement in der ganzen 
Menschheit lebendig ist, so auch bei den einzelnen 
Lölkern und Ständen. Geschlechter kommen und ver— 
zehen. Neue Stände lösen andere ab. Die Ge— 
chichte unseres Vaterlandes ist ein Beweis dafür, wie 
n starkem Kampfe neue Volksgruppen nach oben 
Rängen, um sich Luft und Licht, Gleichberechtigung 
ind Gleichachtung zu erringen. Lange mußien die 
Bauern und Bürger in der Vergangenheit um ihre 
freiheit, um Anseilnahme an Regierumg und Ver— 
paltung kämpfen. 
In der Mitte des vorigen Jahrhunderts entwickelte 
ich Deutschland vom Landwirtschafts- zum Indujstrie— 
tagate 
nur durch eigene Kraft 
der Aufstieg des Bergmannsstandes möglich sei. Des⸗ 
zalb war die Gründuͤng des Gewerkvereins christlicher 
Bergarbeiter 1894 eine Tat der Beftetung 
und Aufwärtsentwicklung des gedrückten Berg— 
ubeiterstandes auf christlicher und gesetzlicher Grund⸗ 
age. Manche der ersten Gründer der Gewerkschafts— 
bewegung haben die Fuchtel des Kapitalismus zu 
spüren bekommen; sie wurden nicht nur brotlos, son— 
dern auch heimatlos gemacht. Wie gemeine Ver⸗ 
brecher wurden sie verfolgt, so daß sich viele nur durch 
Auswanderung vor der Verfolgung retten konnten. 
Die Geschichte des Gewerkvereins 
war eine Geschichte des Kampfes. Unter unsäglichen 
Mühen und Opfern konnten die christlichen Berg— 
leute ihren Gewerkverein grinden und ausbauen. 
Von allen Seiten wurde der Gewerkverein bekämpft. 
Trotzdem ging es vorwärts, weil die Gründer 
»om echten Kampfgeiüst erfüllt waren. 
die wollten nur die Durchsetzung des Rechtes. Die 
Irganisationsatbeit brachte auch Erfolge. Vieles ist 
Zur Zeit beschäftigt sich der Landesrat auch mit 
dem Entwurf zur Aenderung der Reichsversiche 
ungsordnung 
betrefsend Unfallversicherung. 
ẽs hat sehr lange Zeit gedauert, bis dieser Ent— 
vursf dem Landesrat vorgelegt werden konnte. 
zchon am 13. Okt 1927 wurde die Heidelberger Äbrede 
wirksam. Erst nach fünf viertel Jahren erhält der 
Landesrat den Entwurf zur Aenderung der Bestim— 
nungen der RVO betr. Unfallversicherung vor— 
gelegt. Das wirft ein bezeicknendes Licht auf den 
Beseresapparat der Regierungskommiffion. Die 
viderstreitenden Kräfte in ihr um den pflichtge⸗ 
näßen Ausbau der hiesigen So zialversicherung 
'ommen in diesem erschredend langsamen Gange 
»eutlich zum Ausdruck. Dann aber auch in dem, 
vas der Entwurf an Verbesserungen bietet. Im 
herbst vorigen Jahres lag schon ein Vorentwur 
Die industrielle Entwicklung 
chuf den unselbständigen Lohnarbeiterstand. Der 
rüher hochgeachtete Stand der Berg— 
eute wurde nunmehr ins Proletariat gedrängt 
iachdem die gesetzliche Bergbaufreiheit eingeführt 
ie Schutzbestimmumngen beseiligt und der sogenannic 
reie Abreitsvertrag zur Einführung fam. Der eins 
achtete und bevorrechtete Beramanuisstand wurd—
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.