Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

Seite 2 
Der Safar⸗Bergluapve“ 
—A ⏑ ⏑ — 
roren, und als Krüppel werden sie zeitlebens dieses 
Schredenswinters gedenken. Die Singvögel sterben 
nassenhaft, auch Raubvögel fallen der Kälte zum 
Ipfer. Nicht nut Hirsche, Rehe und Hasen, auch das 
piderstandsfähige Wildschwein erliegt der sibirischen 
dälte. Kältegrade von 20 bis 30 Grad werden aus 
illen Gegenden gemeldet. Durch das Mauerwertk 
zringt die Kälte und zerstört die Wasserleitungen 
In den Kellern erfrieren die Vorräte an Kartoffeln 
Inübersehbar wird der Schaden sein, den die Kälte— 
Jeriode anrichtet. Große Schäden werden noch ent— 
tehen, wenn das Tauwetter einsetzt. Ueberschwem— 
nungen und sonstige Schäden wird die Folge von 
zchnee⸗ und Eisschmelze sein, die ja einmal der sieg⸗ 
eiche Frühling vornehmen wird. Wehe jetzt aber 
denen, die keinen Brennstoff haben! Die Arbeiter 
ziertel der Groß- und Industriestädte sowie die Ob— 
achlosenasyle reden eine furchtbare Sprache. Arbeiter 
rfrieten auf dem Wege zur Arbeit, Kinder in dem 
ürftigen Bettchen. Abgemagerte Mütter weinen 
iber ihr und ihrer Angehörigen Elend. Ihre Tränen 
ristarren zu Eis .. 
Und doch gehen Tausende erbarmungslos an diesem 
ẽĩlend vorüber, das der Natur-Winter hervorgerufen 
jat. In ihren Herzen ist auch Winter. Da herrscht 
ser furchtbare „metallisch-klingende“ Winter, der noch 
chlimmer ist als der Winter in Gottes Natur. Dieser 
Vinter in den Herzen. der Menschen taut auch im 
zochsommer nicht auf, weil er sich auf dem absoluten 
sefrier-Rullpunkt befindet. Und dieser Winter zer— 
tört noch mehr als der Winter in der Natur. Taute 
er mal auf, dann wären die bitteren Folgen eines 
trengen Natur-Winters längst nicht so schlimm, als 
ie heuer in die Erscheinung treten. Auftauen kann 
iesen Winter aber nur die warme Sonne der Re— 
igion. Wer sie verdrängen hilft im Volksleben, der 
nacht aus warmen, erbarmensfähigen Herzen eiser⸗ 
ftarrte Wüsten“ 
Angepackt! 
Nun, laßt uns greifen fröhlich in die Speichen, 
Daß eilig weiter wir den Wagen bringen! 
Es muß und wird uns ganz bestimmt gelingen, 
denn Tatkraft kann und wird gar viel erreichen 
Und mag vorerst er auch noch liefer dringen, 
Nicht soll die bange Sorge uns beschleichen! 
Zzu frischem Tuen geben wir das Zeichen, 
Und jeder muß mil ein zur Hilfe springen. 
Von Uebel ist und bleibk ein langes Zagen, 
Doch rasches Mühen, kreu, gewissenhaft, 
Läßt immerdar noch gute Früchte kragen. 
Drum angepackt! Die Sehnen frisch geftrafft! 
Nun- einen⸗ ruck! Hinrollt er schon, der Wagen, 
Und wieder siegte die vereinte Kraft. 
L. Kessing. 
Winter im Herzen der Menschen 
Ein Kamerad schreibt uns: „Die Zeitungen berich— 
en: „Der kälteste Winter seit 154 Jahren!“ Mit 
sedem Tage hofft die Menschheit auf mildere Tem— 
peratur, aber mit jedem neuen Tag wird ihre Hoff— 
nung zu schanden. Große Städte wie Berlin, Ham⸗ 
hurg, Leipzig, Hannover, Breslau, Warschau, usw 
nelden tausende von Erfrierungsfällen. Hunderte von 
Menihen tot: Tausenden sind die Gliedmaßen er— 
Mehr Undsallschutz für die Bergleute 
den Bergmann vor dem Stoß auswirkt. Handelt er 
zenau nach den Bergpolizeivorschriften, dann kommt 
das Soll nicht heraus und er verdient nichts. Was 
iegt da näher, daß weder die Aufsichtsinstanzen noch 
die Bergleute in der rechten Weise die Unfallver⸗ 
zütungsvorschriften beachten. Wie schon gesagt, diese 
ind sehr schön und gut, aber die Praxis. Soll und 
Prämien stehen über den Unfallverhütungsvorschrij⸗ 
sen, wie ja in der Wirtschaft überhaupt Sachgut zu 
diel vor Menschenleben geht. Zur rechten Unsallbe 
ämpfung im Bergbau gehört 
die Abschaffung des Prämiensystems 
ind eine Gedingebemessung, die es dem Gedingear 
zeiter erlaubt, neben der strikten Beachtung der Un— 
ollverhütungsvorschriften einen ausreichenden Lohn 
zu verdienen. Die technischen Beamten, die die Auf— 
icht unter Tage auszuühen haben, sollen im Gehalt 
'o gestellt werden, daß sie auf die elende Prämien—⸗ 
virtschaft nicht angewiesen sind. Wenn das Verhält— 
uis zwischen technischen Beamten und Bergleuten sich 
sjo zugespitzt hat, dürfte das Prämiensystem daran 
»inen erheblichen Teil der Schuld tragen 
Notwendig ist weiter, daß 
die Fahr⸗, Förder- und Wetterstrecken 
in tadellosem Zustande, soweit man davon im Berg— 
zau sprechen kann, gehalten werden. Nach den Un— 
ällen durch Stein- und Kohlenfall rangieren die 
velche in Schächten und Förderstrecken vorkommen 
zchon oft mußten wir darauf hinweisen, daß die ein— 
und ausfahrenden Bergleute während der Förderung 
die Förderstrecken passieren müssen, wodurch öfters 
Unfälle verursacht werden. Schlechte Förderstrecken 
verursachen viele Quetschungen, was zu vermeiden 
väre, wenn sie immer ordentlich in Stand gehalten 
vürden. Praktisch wird heute so gehandelt, daß die 
zimmerhauer bzw. Nachreißer oft nachts vor Kohle 
jelegt werden, anstatt die Förderstrecken in Ordnung 
u halten. 
Außerordentlich wichtig ist. daß im Untertagebe 
trieb immer 
genügend richtiges Holz 
um Ausbau vorhanden ist. Holzmangel hat schon oft 
Infälle verursacht, dann aber auch die Verwendung 
jon Holzarten, die für den Bergbaubetrieb ungeeig— 
iet sind. Dieser dJea e müssen gerade die Sicherheits— 
nänner erhöhte —S———— schenken. 
Im Zusammenhange mit diesen Fragen ist auch 
darauf zu verweisen, daß in Sclagwettergruben 
eine elektrisch betriebenen Grubenlokomotiven zur 
berwendung kommen dürften. Sodann aber auch 
eine Lokomotiven, die durch ihre Gasentwicklung die 
Belegschaft belästigen oder gar gefährden. 
Wir haben vorstehend nur auf einige praktische 
Lerhältnisse hingewiesen, die unbedingt gebessert 
verden müssen, soll den Unfallgefahren und der Un— 
dusiete ersolgreicher begegnet werden. In theo⸗ 
etischer Hinsicht 3 viel geschehen, was aber 
demlich wirkfunaslos bleiben wird wenn die Vrarxis 
„Schützt Leben und Gesundheit“, so lautete das 
Motto der Reichs-Unfallverhütungswoche vom 24. 
Februar bis 3. März. An sich ist es erfreulich, daß 
die berusenen Körperschaften die Reichs-Unfallver⸗ 
zütungswoche veranstaltet haben, daß sie dazu auf⸗ 
tiesen, alles zu tun, was zur Einschränkung der Un⸗ 
alle geeignet ist. Es ist auch zu begrüßen, daß man 
nehr als früher durch Wort und Bild der Auftlärung 
dient und dem Einzelnen zeigt, wie er unfallvermin— 
dernd wirken kann. Wenn in dieser Weise mal einige 
Zeit gewirkt wurde und gewisse Erfahrungen sich her—⸗ 
ausgebildet haben, dann wird ja sicher manches aus 
der Wort⸗ und Bildaufklärung bezw. Belehrung 
chwinden, das sich als unpraktisch erwiesen hat. 
Es ist natürlich, daß wir angesichts der Bemühun— 
gen um Milderung der Unfälle die Pflicht haben, au 
die Unfallgesahren des Bergbaues 
hinzuweisen, die ja besonderer Art und äußerst viel⸗ 
ältig sind. Die Entwicklung der Iee im 
deuischen Bergbau zeigt, daß 1900 auf 1000 versicherte 
Vergleute 1219 und 1927 15.12 entschädigungspflich⸗ 
tige Unfälle fallen. Auf 1000 Unfälle im deutschen 
vag überhaupt entfielen 1900 202 und 1927 
1.91 tödliche Unfälle. Wie wir daran erkennen, hat 
ich die Zahl der Unfälle überhaupt gesteigert, die 
Zahl der tödlichen ist im Verhältnis zur Belegschafts⸗ 
tärke nur um ein Geringes zurückgegangen. Wohl 
— 
oerschärft worden, andererseits sind die Unfallgefah— 
en aber auch gewachsen. Wir brauchen da nur an 
die sortschreitende Technisterung des Bergbaues unter 
Tage zu erinnern, die auch neue Unfallgefahren mit 
ich führt. 
Wenn man 
die theoretische Seite des Unfallschutzes 
nimmt, dann kann man wohl sagen, daß manches ge⸗ 
oessert und viel Gutes geschafsen wurde. Nimmt man 
hagegen die praktische Seite, dann findet man noch 
rußerordentlich viele Mängel, die — soweit der Berg⸗ 
dau in Frage kommt — während der Reichsunfall⸗ 
erhütungswoche von den veranstaltenden Körper⸗ 
chaften auch hätten herausgestellt werden müssen. 
Denn was nützen schließlich die schönsten Vorschriften, 
venn die Arbeiter sie nicht restlos beachten können, 
vollen fie mit ihren Familien nicht Hunger leiden 
Zuerst erinnern wir da an 
das Soll⸗ und Prämienhystem, 
as auch im Saarbergbau herrscht. Am grünen Tische 
vird die Fördermenge errechnet, die eine Steigerab⸗ 
eilung mindestens zu fördern hat. Für dieses „Soll“ 
vird der Steiger verantwortlich gemacht, dem aber 
indererseits kein maßgebender Einfluß auf die Ge— 
dingebemessung eingeräaumt wird. Das Gedinge i 
tbenfalls am grünen Tisch errechnet — gemäß dem 
aufgestellten Soll — und den Kameradschaften dann 
diktiert. Run beginnt der Murks. Der Steiger wird 
mit Prämien an der ÿ»S interessiert, ein 
geil treibt den andern. 833 sich der ganze Druck auf 
Nummer 9 
nicht mit der Theorie einigermaßken in Einklang a⸗ 
bracht wird. 
Zum Schlusse betonen wir noch die besondere 
Pflicht, die auf jedem Bergmann ruht, 
ich gegen die Unfallgefahren selbst weitestgehend zu 
chüthen. Wenn alle Bergleute in der rechten Weise 
darduf bedacht sind, dann wird manches besser wer⸗ 
den. Es muß in diefsem Punkte absolute Einigkeit 
hertschen, da es um die eigene Gesundheit und um 
das eigene Leben geht. Jeder erfahrene Bergmann 
sat auch die Pflicht, den bergmännischen Nachwuchs 
richtig aufzuklären und zu belehren, damit auch jeder 
m Stande ist, sich selbst, soweit das die Verhältnisse 
rur zulassen, zu schützen. — Folgt man nun an ver— 
intwortlicher Stelle unseren vorstehenden Hinweisen, 
dann wird die Unfallverhütungswoche sicher nicht 
ohne praktischen Erfolg bleiben. Darum erheben wir 
nechmals den Ruf: Schützt Leben und Gesundheit de⸗ 
Beraleute durch wirksame Tat! 
7 
Ne Unfallursaen im Saarberghan 
Die Reichsunfallverhütungswoche im Saargebiet 
vurde uns so spät bekanntgegeben, daß wir nicht 
mehr in der rechten Weise vorher dazu Stellung 
siehmen und in unserem Organ mit Material dienen 
koönnten. Wir haben daher an anderer Stelle dieser 
Rummer das Notwendigste nachgeholt, damit alle In⸗ 
stanzen erkennen können, worauf es in der Hauptsache 
im Bergbau zur Unfallverhütung ankommt. Rützlich 
dürfte es auch sein, nochmals die hauptfsächlichsten 
Unfallursachen im Saarbergbau bekannt zu geben, 
die unsere Ausführungen an anderer Stelle nur er— 
härten. 
Verunglückungen tödlicher Art unter Tage: 
Zahl der Auf 1000 Mann 
Unfallursache tödl. Unfälle je Jahr 
Zzteinfall 20 0.392 
Kohlenfall 9 0,176 
In den Schächten und Blind⸗ 
schächten J d. 196 
In den Strecken mit auf—⸗ 
wärts und abwärts ge—⸗ 
hender Förderung 
Bei der Foͤrderung in hori 
zontalen Strecken 
Durch Explosionen 
Durch böse oder matte 
Wetter — — 
Bei der Schießarbeit 3 0,058 
Auf sonstige Weise 2 0,039 
zusammen unter Tage 58 1,136 
Verunglückungen tödlicher Art über Tage: 
Perschiedene Ursachen 3 0,148 
usammen unter und 
über Tage 61 —X 
Durch Steinfall wurden die meisten Unfälle töd⸗ 
icher Art verursacht. Dann solgen die Unfälle in 
Schächten, Förderstrecken und durch Kohlenfall. Wo 
zier der Hebel anzusetken ist. haben wir in dem an— 
deren Artikel gesagt. 
Dit Forderung der Saurgruden 
Die reine Förderung (ausgelelen und gewaschen] b⸗ 
rug: 
Ponat staatl. Gruben 7*- Frankenholz zufammer 
Tonnen Tonnen Tonnen 
Janvar 209 o 930 1099 139 
debruar *762 180 1028 924 
Närz 7 350 1196857 
April 2 876 994 220 
VNai 29 82 232 
zuni 719 1064 1268 
Juli 759 105 806 
ãugust 3085 1146517 
September 34 561 106s 282 
Dktober 40 067 1188 220 
Rovember 41 064 1088 470 
Dezem her 37181 1069 646 
—E — 
R 
3 
17 
12 
537 
158 162 
044 406 
1032 465 
Ißr 1928 12661 797 444 921 13 106 716 
Jahr 1927 13193 754 402 070 13 595 82⸗ 
Die Förderung blieb im Jabre 1928 (zusammen) um 
89 100 Ton nen I der des Vorjahres zurück. Die 
Hrube Frankenholz hatte eine höhere Förderung zu ver 
zeichnen (42861 To.), die vom e Staate selbs 
Jusgebeuteten Gruben einen Foͤrderruͤfgang von 531 951 
Tonnen. Dieser Förderrückgang ist nur eine dolge de⸗ 
starken Besegschaftsabbaues. Ende 1927 betrug dle Ar 
beiterzahl 67 345 und Ende 1928 69 912; die Belegschafts 
zahl wurde im Laufe des Jahres 1928 um 7433 ver 
Angert. — Die höchste Förderung in der Nachkriegszei 
seit dem Bestehen des Saarbergbaues überhaupt) wurde 
m Jahre 1924 —A sie betrug 14032 118 To. Iut 
910 betrug die Förderung aller Saargruben (einschließ—⸗ 
ich der pfälzischen) 13 216300 To. Sie übersteigt die des 
Jahres 18928 um 109691 To. Daß diese Friedenshöchst 
örderung im vorigen zeß nicht erreicht wurde, st eint 
Folge der eingelegten Felerschichten, deren Zahl auf aller 
Fruhben acht. auf einem Teil sogaar neun betruag.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.