Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

Rummer 4 
wJνν. den 28. Dezember 1020 
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Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
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Erscheint seden Samstog fuͤr die Nitglieder gratts. — 
Preis fut die Zablstellenabonnenten 3. — Ft. monatl. ohne 
Botenlohn. silr die Postabonnenten 15.— Ft. diertellähtl 
Geschäftsste lle des „Saar-Bergknappen“: Saac— 
Zür wirtschaftliche u geistige Hebung brsicken 2. St Johanner Straße 49. — FernsprechAnschluß: 
des Beraarbeiterstandes Amt Saarhrüücken. Nummer 1530. 1062. 2003. 3194 
1029. eit FJabhe schöner 
Folge 
Dus alte Sahr ist bald dahin. Nur noch wenige 
Tage, daun läuten ihm die Sylvesterglocken den 
rabgesang. Sie mahnen auch den Menschen Ruͤck 
schau zu halten, damit er am Vergangenen ersehe. 
— es zukünftig zu beachten und au unterlaäassen 
gi — 
Beli unserer Rüchschau finden wir, daß der Jahres 
anfang im Zeichen eines hartnäckigen Kampfes san 
Kurz vor Jahresanfang hatte die Bergwerksdirek 
tion versucht, eigenmächtig in der Lohnfrage vorzu⸗ 
gehen. Sie plante, die Lohnspannung wesentlich zu 
vergrößern. Wenn auch die Gedingearbeiter, die über 
den Durchschnittslohn hinauskamen, davon provitieri 
hätten, so waren sie doch nicht bereit, auf Kosten der 
Vlinderbezahlten und der Schichtlöhner den Anschlag 
Auf die Kameradschaftlichleit der Bergleute gutzu 
heißen oder gar mitzumachen. Sie griffen. da dies aͤls 
das beste Mittel erschien, zur 
Droffelung der Förderung 
Sie arbeiteten für den Mindestlohn, um so die Berg— 
werksdirektion zu veranlassen, von ihrem Plane ab— 
zustehen und den — der Bergarbeiteror—⸗ 
ganisattonen gagt zu werden. Um rund 19 Pro— 
zent sank die Förderung. Daran merkte die Berg— 
werksdirektion, daß sie klug handele, wenn sie aus 
die Wünsche der Bergarbeiterorganisationen Rück 
sicht nehme. Nach sehr schwierigem Vorgeplänkel kam 
es am 283. Januar 1929 wieder zum Abschluß etines 
ordnungsgemäßen Lohntarifes. Er brachte für die 
aunteren Gruppen eine höhere Lohnaufbesserung; er 
brachte eine weitere Heraufsetzung des Mindestloh— 
nes; er brachte auch eine Winderung der vorge— 
sehenen Spannung innerhalb der Gedingelöhne, dann 
aber auch zwischen den Gedinge- und — 
War auch nicht alles erreicht, so dann doch das We— 
sentliche von dem, was die Organisationen vorher 
gewollt hatten. Die Absticht des Grubenbesitzers war 
vöhlig vereitelt worden durch das wirklich muster— 
zültige Zusammenstehen von Beraleuten und Or 
ganisationen. 
So trüb der Jahresanfang ausgesehen hatte, durch 
diese erfolgreiche Lohnbewequng war ein besserer 
Ausblick eröffnet worden. Die Bergwerksdirektion 
hatte auch aus dem Kampfe gelernt. Sie hatte ein 
ehen daß es ein nutzloses Beginnen bleiben wird, 
ie Bergleute durch einseitige Lohnmaßnahmen aus— 
einander zu manövertieren. So kam es, daß alle wei— 
seren Bewegqungen im Laufe des Jahres ziemlick 
riedlich-schtedlich verlaufen konnten. 
Der Wille, es nicht mehr zu solchen Auseinander 
etzungen kommen zu lassen, zeigte sich beim 
Abschluß eines neuen Mamteltarifes 
Dieser wurde am 1. Mat 1939 abgeschlossen. Gegen— 
über dem alten Manteltarif brachte er viele Ver— 
besserungen, außerdem einen Einbau verschiedener 
vorher erlassener Dienstanweisungen, die mit Bestim— 
mungen des alten Manteltarifes in Zusammenhang 
standen. —— SIa wurden erreicht bei der Ar— 
beitszeit, belm Urlaub, beim Deputatkohlenbezug und 
bei sonstigen Bestimmungen des Manteltarifes, ohne 
daß es deshalb zu einem offenen Kampfe gekommen 
wäre. Es zeigte sich hier, daß beide Teile dann am 
besten fahren, wenn der Arbeitgeber geneigt bleibt 
und ist, berechtigten Wünschen seiner Arbeiter ent— 
zegen zu kommen. 
diese Erkenntnis bewahrheitete sich auch beim 
Abschluß des zweiten Lohntarifes 
im laufenden Jahre, der am 21. Juni 1929 unter 
Dach und Fach kam. Wohl waren mehrere Verhand— 
zungen notwendig, um zu einem Ergebnis zu ge— 
tangen Aber es bestand bet der Bergwerksdirektion 
wenigstens von Anfang an der Wille, den Organi 
attonen entgegenzukommen. Durch diese Einsicht war 
s möͤglich. den 
zweiten Lohntarif mit einer Erhöbnng aller Löhne 
um 5.6 Prozent abzuschließzen. 
Wir schrieben damals im „Saar-Bergknappen“ 
rummer 26. vom 29 Juni)* 
„Es verdient hervorgehoben zu werden, daß dies— 
nal die Bergwerksdireition von ihrer früheren We— 
thode Abstand nahm, die Sache auf „die laͤnge Bank 
zu schieben“ und schließlich eigenmächtig vorzugehen 
Daraus wuchsen ja immer harte Kämpfe, die schließ 
lich zum Schaden beider Teile waren. Weil die Berg 
werksdirektion bei den jetzigen Verhandlungen den 
Erfordernissen der Stunde eher Rechnung trug, 
konnte auch eher ein Ergebnis erzielt werden, das 
den Abschluß eines neuen Lohntarifes rechtfertigte 
Beide Teile haben davon Vorteil, indem die Förde— 
Uunq ungeftört weiter laufen kann, und die Bergleute 
der Erhöhung lag der Teil an erhöhten Beiträge 
den der Arbeitgeber je Versicherten leisten muß. 2453 
die Erhöhung der knappschaftlichen Beitraͤge, die 
chmerzlos erfolgte, konnten wenigstens die bisherigen 
Bezüge aus der Pensionsabteilung des Saar-Knavp 
chaftsvereins gesichert werden. 
Wenn wir allein das Lohngebiet betrachten 
müssen wir bei unserem Rückblick zu dem Ergebn s 
kommen, daß das Jahr 18929 tatsächlich ein erfolge 
reiches war. Die Leistungssteigerung, die im Laufe 
des Jahres erfolgte, fand ihre Äbgeltung in der Er— 
reichung eines höheren Lohnes. Sicher ist, daß ohne 
festgefüugte Organisationen dieses Ergebnis nie er— 
zielt worden wäre. Am Jahresanfang wäre es nicht 
so gut abgelaufen, wenn die Saarbergleute ihrem 
Arbeitgeber schwach organisiert gegenübergestander 
waren 
* 
Neujahr 
Der große Zeiger hat den kleinen 
Auf seinem Wege nun erreicht. 
Der Hammer hebl — vom Glockenmunde 
Tönl schrill hinaus die Neujahrskunde: 
Das alle Jahr stirbt und erbleicht. 
Was die Sylvesterglocken klingen. 
ist lust- und leidgemischles Lied. 
Noch einmal seh'n wir mahnend steigen 
Was des versunk'nen Jahres Reigen 
Uns vorenlthalten und beschied ... 
Wir senken krauernd nicht die Blicke. 
Wir klagen um Verlorenes nicht. 
Wohl zierl den Baum die Blütenbürde; 
Wenn Frucht auch jede Knospe würde. 
Er bräche unlerm Vollqgewicht. 
Die zahlen maͤßige Auswirkung 
der erstrittenen Lohnerhöhungen im Jahre 1929 kann 
erst dann voll bekannt gegeben werden, wenn der 
amtliche Lohnbericht für das vierte Quartal 1929 
vorliegt. Ein Bild giht aber auch schon die An⸗ 
ührung der nackten Tariflöhne, die am Jahresan— 
tjang und am — galten, soweit sie als 
Hauptlöhne für die einzelnen Gruppen — ohne Be— 
rücksichtigung der erhöhten Zulagen — in Frage 
amen. Es aalten folgende Tariflöhne: 
Jahres⸗ Jahres⸗ 
anfang schluß 
Durchschnittslohn für Geoingehauer: 86. 13 Fr. 41.40 Frt. 
Vlindestlohn für Gedingehauer: 3351 Fr. 38.64 Fr. 
Schichtlohn Gruppe unter Tage: 3351 Fr. 38.64 Fr. 
Schichtlohn Gruppen unter Tage: 31.75 FFr. 86.57 Fr. 
Schichtlohn Gruppe 111 unter Tage 30.00 Ir. 34.50 Fr. 
Schichtlohn Gruppe J über Tage: 31.75 Fr. 36.57 Fr. 
zchichtlohn Gruppe II über Tage: 30. 00 Fr. 34. 88 Fr. 
zchichtlohn Gruppe 1I1 über Tage: 28.69 FIr. 33.12 Fr. 
Wie schon betont, konnte neben vorstehenden Auf⸗ 
desserungen für verschiedene Arbeiterkategorien der 
Durchschnittslohn der Gedingehauer als Schichtlohn 
erzielt werden. Außerdem für gelernte Handwerker 
eine höhere Sonderzulage und eine Erhöhung der für 
onstige Gruppen vorgesehenen Verantwortungs- bzw. 
Funktionszulage sowie eine Ausdehnung der Förder⸗ 
draämie. Alles in allem sagen uns die angeführten 
Tariflöhne, daß das der Wahrheit entspricht, was 
p als Ueberschrift dieser kurzen Jahresschau voran⸗ 
etzten. 
Das letzte Jahr brachte uns auch in sonstiger Hin—⸗ 
sicht Fortschritte. Wenn man die einzelnen Nummern 
unseres Organs nachsieht, dann bekommt man eine 
aanze Menge zusammen, die heute nur zu leicht ver⸗ 
gessen werden, weil das Leben so hastig geworden ist. 
Deshalb ist es ja auch so wichtig, an jedem Jahres⸗ 
schlusse eine gründliche Rückschau zu halten, damit 
mnan durch die vorliegenden Fortschritte immer wie⸗ 
zer den großen Wert des gewerkschaftlichen Zusam⸗ 
nenschlusses erkennen kann. 
Ein großer Fortschritt ist auch die 
Neuregelung ober Unfallversicherung 
die im Amtsblatt Nr. 22 vom 29. Mai 1929 bekannt 
gegeben wurde. Im Jahre 1928 waren die Invaliden⸗ 
und Angestelltenversicherung den Bestimmungen der 
Zeidelberger Abrede so ziemlich angepaßt worden, im 
Mai 1929 erfoigte die Anpassung der Unfallversiche— 
rung. Wenn die Neuordnung auch nicht alle For—⸗ 
derungen verwirklichte, die wir erhoben hatten, so 
bedeutet sie doch gegenüber dem früheren Zustand 
einen wesentlichen Fortschritt. Die Rentenbezieher, 
die unter der früheren unzulänglichen Regelung der 
drei Versicherungszweige zu leiden hatten, werden es 
mit uns bestätigen, daß auch auf dem Gebiete der So⸗ 
talversicherung das Jahr 1929 die Versicherten und 
sentenbezieher einen quten Schritt voran gebracht 
hat. Die Quelle dieser Erfolge bildet die Heidelber— 
ier Abrede. die durch das Entgegenkommen der zu—⸗ 
tändigen Stellen im Reiche ihren Abschluß finden 
D'rum wollen wir mil Wunsch und Wähnen 
Nicht rückwärts, sondern vorwärhs schau'n 
Aus jeder Scholle sprießzt uns Segen, 
Wenn wir die Hände rüstig regen. 
Auf Goll und unsere Krafl verkrau'n! 
nRichatd Joↄ aAmann 
— 
— 
— 
eher in den Genuß der ohnerhobung kommen. Wir 
wollen hoffen, daß es auch bei den in der Zukunft 
notwendig werdenden Lohnbewegungen zu einem 
baldigen und zufriedenstellenden Ergebnis kommt 
damit die harten Kämpfe, welche in der Vergangen— 
heit gefüihrt werden mußten, vermieden bleiben.“ 
An diese Mahnung hat man sich in der Folgezeit 
sjehalten. Klar trat das beim 
Absch'uß des oͤritten Lohntarifes 
am 11. November 1929 in die Erscheinung. Nach 
einem Abschlusse konnten wir sogar von einer „stil 
len aber erfolgreichen Lohnbewegung“ schreiben 
Diese „stiller“ Lohnbewegung bhrachte ein dreifaches 
ẽrgebnis: 
1. eine Aufbesserung der Löhne, 
2. eine Herauisetzung der Knappschaftsbeiträge, 
3. eine Heraufsetzung des Krankengeldes ohne Er— 
höhung der Beiträge. 
Insgesamt wurde der Lohn um 45 Prozent er— 
zöht. Die Erhöhung wurde in 3zwei Etappen vorge— 
nommen: ab 1. November wurde der VWiultiplikator 
ovon 132 auf 135, und vom 1. Dezember 1929 ab 
pon 135 auf 138 erhöht. In dieser Erhöhung war 
der erhöhte Beitrag einhbegriffen, den der Arbeiter 
ur Knann 648α- οNDfasse leisten muß. Außerhall
	        
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