Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

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derungen der englischen Kameraden auf eine Ver— 
kürzung der Arbeitszeit, erscheint auch im Hinblid 
auf diese Situation durchaus berechtigt. 
Im Bergban Frankreichs 
ist seit vielen Monaten ein dauernd guter Absatz an 
Kohlen wibande Die in guter Konjunktur sich be— 
findliche Eisenindustrie verbraucht gewaltige Mengen 
Von England und Belgien sind die Zuführen nicht 
gering. Hinzu kommen von Feutlem starle Liefe⸗ 
rungen auf Reparationskonto. Im eigenen Lande 
* man inzwischen die Kohlenpreise verschiedentlich 
eraufgesetzt. Arbeitslose sind nicht vorhanden. Es 
werden bei einer gesamten Belegschaft von 295 000 
Menschen annähernd 100 000 Ausländer beschäftigt. 
Leider haben die Bergleute keinen entsprechenden 
Anteil in Gestalt höherer Löhne erhalten. Die Macht 
der gewerkschaftlichen Organisationen ist zu klein, um 
einen nachhaltigen Druck auf die Verbesserungen des 
Lohn⸗- und Arbeitsverhältnisses ausüben zu können 
Von der Regierung wurde allerdings durch Schaffung 
eines entsprechenden Gesetzes zugesagt, vom nächsten 
Jahr ab eine Verbesserung der Alterspensionen de⸗ 
Beraleute durchzuführen. 
Der Saar⸗VBe⸗r⸗e 
kin der Saar 
liegen die wirtschaftlichen Verhältnisse im Bergbau 
ebenfalls nicht ungünstig. Die Kohle hat seit Mo— 
saten einen guten Absatz. Auf den Haiden sind die 
Vorräte gering. Neben der täglichen Produktion hat 
man die aufgestapelten Vengen in den Handel ge— 
dracht. Verschiedentlich wurden Preiserhöhungen vor— 
zjenommen. Der Leistungseffekt pro Arbeiter und 
ee befindet sich in ständiger Aufwärtsentwich 
ung. 
So ist überall gegenüber dem letzten Jahr ein star 
ler Mehrverbrauch an Kohle festzustellen. Daran hat 
die geringe Bautätigkeit an der Saar und in Deutsch 
land wenig geändert. Gerade auf dem Inlandsmartt 
in Deutschland hat man, nach den Konjunkturberich 
ten von April bis August d. J. über 8 Millionen 
Tonnen Stein- und Braunkohlen mehr verbrauch 
als in derselben Zeit des Vorjahres. Es kommt hinzu 
daß in vielen Kohlengebieten der Gedanke zur ge— 
meinsamen Regelung der Absatzverhältnisse stark in 
den Vordergrund getreten ist. Man darf wohl in 
den kommenden Jahren mit mehr Einheitlichkeit au 
dem Kohlenmarkt rechnen. 
An dieser Entwicklung müssen sich auch die Berg 
eute ihren Anteil sichern. Der Lohn ist in allen Ge— 
hdieten zu gering. Die Pensionen für Alter und Be— 
rufsunfähigkeit sind nicht ausreichend. In geistiger 
ind kultureller Beziehung sind andere Volksschichten 
vornehmlich in den letzten Jahren, den Arbeiter 
schichten stark vorausgeeilt. Hier liegt die Rettung 
nur in dem gewerkschaftlichen Zusammenschlußz. Er 
hat über die nationalen Grenzen hinaus dahin zu 
wirken, daß ein allgemeiner Aufstieg in sozialer und 
kultureller Hinsicht vorbereitet und durchgeführt wird 
Bei einer Neugestaltung der bergbaulichen Verhält 
nisse müssen auch die berechtigten Forderungen der 
Bergarbeiter ihre Erledigung finden. Gen. 
Der Bergbau in Belgien und Hollaud 
ist bei dieser Entwickelung nicht zurückgeblieben. Man 
hat die aufgestapelten Kohlenvorräte auf den Halden 
fast vollständig aufgebraucht. Das belgische Kohlen 
gebiet de Campine, in dem 1913 noch nicht peorder 
wurde, hat jetzt eine Produktionsmöglichkeit von 
jährlich 10 Millionen Tonnen guter Feitkohle. Noch 
besser liegen die Verhältnisse in Holland. Während 
hier im Jahre 1913 kaum 2Millionen Tonnen Koh 
len gefördert wurden, ist diese Produktion jetzt aus 
10 Millionen im letzten Jahr gestiegen. Die Beleg 
schaft hat sich stark vermehrt. Sie zählt heute üben 
35 000 Mitglieder 
Verbeßetung des Verlehrweseng in den Greuzlündgehteten 
Der Vorstand des Gesamtoerbandes der christlichen 
Gewerkschaften Deutschlands hat an den Reichstag, 
an die Reichsregierung, an die Regierungen von 
Preußen, Bayern, Hessen, Baden und Oldenburg, so— 
wie an die Verwaltungen der Reichsbahn und Reichs- 
post eine Denkschrift gerichtet, die sich mit der Ver 
besserung des Verkehrswesens in den Grenzland 
gebieten beschäftigt. Diese wichtige Denkichrift stehr 
unter dem Motto: 
Zauptprodukt ist; auch die bedeutende Stahl⸗ und 
Eisenindustrie und die sonstige Saarindustrie haben 
neben dem Interesse an einem lebhaften Bergbau im 
eigenen Revier auch das Interesse daß dieser Berg— 
bau infolge günstiger Absatzmöglichkeiten in die Lagt 
bersetzt wird, der Industrie gegenüber eine ihre Kon 
lurrenzfähigkeit hebende bzw. erleichternde Preis 
bolitik zu treiben. Die Saarindustrie und die Indu— 
trie der angrenzenden Pfalz sind aber gerade auf die 
Möglichkeit, billige Kohlen zu erhalten, aufgebaut 
Prominente Vertreter der Saarindustrie sind auch 
davon überzeugt, daß heute der Weg für den Bau 
einer Wasserstrahe vom Saargebiet nach dem Ober 
thein leichter sei, als die Saar-Mosel-Kanalisierung 
Katürlich darf die begonnene Kanalisierung der 
Saar, wenn die Mosel schiffbar gemacht wird, nicht 
zum Stillstand gebracht werden. Auch die Arbeiter— 
chaft an der Saar und in der Pfalz verlangt ein— 
nütig, daß Störungen in der Wirtschaft bei der kom 
nenden Umstellung unter allen Umständen vermieden 
verden müssen, weil von einem guten Absatz der 
Tohle und der sonstigen Industrieprodukte auch das 
Wohlergehen der beteiligten Arbeitergruppen 
zurchaus abhängig ist. Daher sollte seitens des Rei— 
hes und der in Frage kommenden Länder nichts un 
ersucht bleiben, um notwendige neue Verkehrswegt 
ür das Saargebiet und die Pfalz zu erschließen.“ 
Nach diesen Forderungen wird die technische und 
inanzielle Möglichkeit eines Kanals durch die Pfal 
owie eine Frachtenerleichterung durch die Verwirk 
ichung des Transportsystens für Massen— 
Jütter nach den Vorschlägen, wie fie Kommerzienrat 
Röchling machte, erläutert. Anschließend wird au' 
die Verhältnisse im Trierer Gebiet und in Birkenfelt 
verwiesen. Nach Hervorkehrung der völkischen, poli 
ischen und wirischaftlichen Verbundenheit des Saar— 
gebietes mit dem übrigen Regierungsbezirk Trier 
vird dargelegt: „Darum darf nicht außer acht ge 
assen werden, daß für den eigentlichen Trierer Be— 
irk und für das Saarrevier die alten zusammen— 
zängenden wirtschaftlichen Beziehungen nach Mög 
ichkeit wieder herzustellen sind, weil die 
kolossale Vertenerung der reinen Frachtlosten 
den Verkehr mit dem weiteren innerdeutschen Gebie 
auch bei mittleren Entfernungen unmöglich macht 
Die Fracht macht z. B. bei einer mittleren Entfernung 
von 580 Kilometer bereits 11,3 Prozent des Rech— 
rungswertes der Ware aus. Die Verlehrswege 
müssen auch hier verbessert werden. Was beispiels. 
weise die Kanalisierung der Saar oberhalb Saar— 
hbrückens für Frankreich bedeutet, das bedeutet die 
veitere Kanalisierung bis zur Mosel und die Kanali— 
ierung der Mosel bis zum Rhein für den Trierer 
Bezirk und schließlich auch für das gesamte Saar— 
revier. Uebrigens würde durch die Schaffung eines 
olchen Wasserweges auch der ganze Eifeler Bezirk 
der bekanntermaßen einer der allerärmsten Deutsch— 
ands ist. wirtichaftlich sicherer gestellt werden“ 
Mehr Schutz und Hilfe den Grenzlanden! 
Nach Schilderung der allgemeinen Lage in den 
Brenzgebieten werden die Forderungen fuͤr die ein⸗ 
zelnen Grenzgebiete genau umrissen. Und zwar für 
die Saar und Pfalz, für Hessen, für Baden, für das 
Aachener Wirtschaftsgebiet, für Ostpreußen, für die 
Grenzmark Posen-Westpreußen. für Niederschlesien, 
für Oberschlesien und für den Osten Bayerns. Natur— 
gemäß interessieren uns die Forderungen für die 
Saar und Pfalz am meisten, weshalb wir sie gemäß 
der Denkschrift nachstehend unseren Mitgliedern be— 
kannt geben. 
Saar und Pfalz. 
„Die wirtschaftliche Existenz der 750 000 Bewohner 
des Saargebietes —— auf Bergbau und Industrie. 
Es sind in ihr rund 200 000 Arbeitnehmer beschästigt, 
die mit ihren Familienangehörigen 80 Prozent der 
Bevölkerung ausmachen. Der französische Staat als 
Besttzer der Saargruben hat die Saarwirtschaft in 
stärkstem Maße von ihren natürlichen Bindungen mit 
dem übrigen Reiche gelöst. Er tat dies in der Absicht 
das Saargebiet spälestens 1935 für einen Anschluß 
an Frankreich reif zu machen. So erklärt es sich auch, 
daß die französische Grubenverwaltung den deutschen 
Absatzmarkt preisgab und die Saarkohle in Frank⸗ 
reich abzusetzen versuchte. Die Grubenverwaltung hat 
nicht einmal das ihr zugebilligte Kohlekontingent 
von 1380 000 Tonnen im Jahre, das ihr von der 
deutschen Regierung nach der xig und Suddeutsch⸗ 
land zustand, ausgenutzt. Bei Wiederangliederung 
des Saargebietes an das Reich muß auch 
der deutsche Wsatzmarkt wieder gewonnen 
werden. Um dies zu ermöglichen, fordern die Wirt— 
schaftskreise des Saargebietes, daß schon jetzt alle Vor⸗ 
bereitungen dazu getroffen werden. Die Wiederge— 
winnung des süddeutschen Marktes begegnet großen 
Schwierigkeiten, denn die Saarkohle stößt dort mit 
der Ruhr- und englischen Kohle zusammen. Es ist gar 
lein Zweifel, die Saarkohle wird in der Konkurrenz 
mit der englischen und mit der Ruhrkohle, die den 
wohlfeileren Wasserweg viel mehr benutzt als 
früher, kaum mitkommen, wenn sie nicht auch 
zinen Wasserweg erhält. Die Wirtschafts- 
kreise des Saargebietes und der benachbarten Pfalz 
haben diese Dinge naturgemäß erkannt und fordern 
einmütig den 
Bau eines Saar⸗Pfalz⸗Kanals, 
der von Saarbrücken aus direkt zum Oberrhein nach 
Ludwigshafen führt. Es handelt sich an der Saat 
ibrigens ja nicht nur um Kohle, die allerdings das 
Selte 8 
Nach der Erörterung der speziellen Verlehrswünsche 
der Pfalz wird das Verhältnis in Birtenfeld 
zeschildert. Genau wie in der Pfalz wird eug hier 
der Bahnbau Kusel-Türkismühle erstrebt. Dieser 
Bahnbau ist notwendig zur besseren Erschließung des 
Saargrenzgürtels. Weiter wird der Bahnbau üdar⸗ 
ral nach Bernkastel verlangt sowie die Verbindung 
Türkismühle —Koblenz. 
Die Denkschrift liegt zweifelsohne im allergrößten 
Interesse der Bewohner der Grenzgebiete. Wir freuen 
uns daher, daß der Vorstand des Gesamtverbandes 
die Fragen aufgriff und sich hinter die Forderungen 
der Grenzbevölkerung stellte. Unsere Aufgabe wird 
es sein, mit dem Gesamtverbande dahin zu wirken, 
daß die auigestellten dringlichsten Forderungen 
schnelle Verwirklichung finden. Die beste Grenzpolititk 
liegt in der Sicherung der wirtschaftlichen Lebens⸗ 
nöglichkeiten der Bevölklerung. Diese Sicherung schaf⸗ 
jen und gewährleisten zu helfen ist die vornehmsie 
Aufgabe und Pflicht der angegangenen Instanzen. 
Warum laußt die Regjerungslenmisston 
so lunge guf sih warten? 
Gemäß 8 12 der Heidelberger Abrede haben die 
Bereinbarungen derselben zur Voraussetzung, daß 
die Vorschriften über den Gegenstand der Versiche⸗ 
eung im Saargebiet die gleichen sind wie im Deut⸗ 
schen Reich. Durch das Gesetz über 
Leistungen in der Invalidenversicherung 
vom 12. 7. 1929 (Reichsgesetzblatt 1 Seite 135) wur⸗ 
den die Steigerungsbeträge in der Invalidenver⸗ 
sicherung um 15 Prozent erhöht. Ebenso wurde 
durch dieses Gesetz bestimmt, daß auch die Hinter⸗ 
bliebenen solcher Versicherten, die am 1. 1. 1912 ver⸗ 
storben waren, oder an diesem Tage dauernd inva— 
lide waren und dann gestorben sind, Anspruch auf 
Witwen⸗- und Waisenrente haben. Dieses Gesetz trat 
am 1. Oktober 1929 im Reiche in Kraft. Die neuen 
Bestimmungen betreffend Hinterbliebenenrente be⸗ 
eitigen eine von uns stets als ungerecht bezeichnete 
soziale Härte. 
Von seiten der zuständigen Stelle der Regie⸗ 
rungskommission wurde uns schon vor Monaten an⸗ 
läßlich einer Aussprache über schwebende Fragen in 
der Sozialversicherung zugesagt, daß das vorge⸗ 
nannte Reichsgesetz auch sehr bald im Saargebiet 
gesetzliche Wirksamkeit erhalte. Die Knappschafts⸗ 
verwaltung hat sich bereits auf das Erscheinen des 
Gesetzes vorbereitet. Einige hundert Witwen warten 
sehnsüchtig darauf, daß das Gesetz in Kraft tritt, da⸗ 
mit sie endlich auch in den Genuß der Witwenrente 
gelangen können. Es ist uns wirklich wenig ver⸗ 
ständlich, warum die Reg.⸗Komm. so lange zögert 
mit der zugesagten Inkraftsetzung. U. E. brauchte 
die Reg.Komm. doch überhaupt keine Bedenken zu 
haben, dem Gesetz im Saargebiet Geltung zu ver⸗ 
schaffen, da die hiesige Staatslasse lediglich belaftet 
wird durch den neu zu zewährenden Staatszuschuß. 
Alle anderen Leistungen haben nach der Heidelberger 
Abrede die deutschen Versicherunasträgern aufzu⸗ 
bringen. 
Aber nicht nur die vorgenannten Witwen sind 
in Erwartung, sondern auch sämtliche Invallden⸗ 
rentner des Saargebietes erhoffen ab 1. 10. 1929 die 
15prozentige Erhöhung ihrer Rentenbezüge, soweit 
die Steigerungsbeträge in Frage kommen. Die zu⸗ 
ständige Stelle bei der Reg-Komm. dürfte doch be⸗ 
denken, daß in dieser Frage etwas Eile ihrerseits 
nottut. Die Umrechnung der Renten erfordert von 
den Versicherungsträgern — Landesversicherungs⸗ 
anstalt, Saar-Knappschaftsverein und Eisenbahner⸗ 
Penfionskasse — monatelanges Arbeiten. Je länger 
die Reg.-Komm. mit der Veröffentlichung der not⸗ 
wendigen Verordnung wartet, um so — kommen 
die Interessenten in den Genuß ihrer erhöhten 
Bezüge. Das Zuwarten der Rentner gebiert wieder⸗ 
um erhebliche Verstimmungen, die zweifellos ver⸗ 
mieden bleiben könnten. 
Des weiteren hat die Reg.Komm. uns versichern 
lassen, daß sie beabsichtigt, den 
Multiplikator zur Umstellung 
des im Reiche geltenden eage und y, 
zuschusses von Mark in Franken, der bisher 6,6 
hetrug, auf den z. Zt. geltenden Kursstand des 
Franken zu erhöhen. Diese brne würde rund 
10 Prozent ausmachen. — Auch hler darf man 
tagen, daß es wirklich an der Zeit wäre, wenn die 
Reg.-Komm. die gegebene Zusicherung erfüllte. Da⸗ 
mit wäre eine wirkliche Gleichstellung der Leistungen 
des Saargebietes mit denjenigen des Reiches gemäh 
den Beftimmungen des 4. Buches der Reichsͤver⸗ 
sicherungsordnung gegeben. 
Ferner erwarten die altiven und pensionierten 
Nitglieder des Saar⸗Knappschaftsvereins schon seit 
Anfang dieses Jahres die angesagte 
Novelle zum Knappschaftsgesetz. 
Diese Novelle soll ebenfalls in ihren Beftimmun— 
ten dem Reichs-Knappschaftsgesetz angealichen sein
	        
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