Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

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10. Jahrgam 
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Organ des Gewoerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlanos für das Saargebiet 
FJar wirtschaftliche u. geistige Hebung An * 3 ee 7 
des Bergarbeiterstandes 8 — 87 — 8 ind 
Nur noch zwei Wochen trennen uns von der Wahl 
der Knappschaftsältesten. Sie müssen gut ausgenutzt 
werden, damit es am Wahltage auch kUlappt. Was 
im einzelnen zu beachten ist, wurde schon allen Zahl—⸗ 
stellen mitgeteilt. An unseren örtlichen Führern 
liegt es nun, ob alle Vorbereitungen gut getroffen 
werden. Wo tüchtig gearbeitet wird, da wird der 
Erfolg nicht ausbleiben. Jede örtliche Führung 
aber auch alle Mitglieder, müssen ihre Ehre darein 
etzen, den Wahlausgang gut zu gestalten. 
Folgende Grundsätze müssen alle Mitglieder un 
edingt beachten: 
Alle wahlberechtigten Mitglieder müssen die 
aufgestellten Gewerlvereinstandidaten anerken⸗ 
nen. Zersplitterung in den einzelnen Sprengeln 
darf es nicht geben. 
Alle wahlberechtigten Mitglieder müssen ihr 
Wahlrecht auch ausüben. Wahlrecht heißtzt Wahl⸗ 
pflicht. Wahlrecht heißt Ehre, der man sichk 
wuͤrdig erweisen muß. 
Alle wahlberechtigten Mitglieder müssen die 
Kandidaten des Gewerkvereins wählen. Wahl⸗ 
recht heißzt Disziplin. Die Disziplin muß; —* 
Mitglied bestimmen, für den Kandidaten seiner 
Organisation sich zu entscheiden. 
Auch in den Sprengeln, die der Gegenseite von 
vornherein sicher sind, müssen alle unsere Mit⸗ 
glieder den Gewerkvereinskandidaten wählen 
Alle Stimmen werden zusammengezählt. Da 
wiegt jede Stimme. Die Stimmenzahl insgesami 
gibt ein Bild von der Stärke der Organisation 
Darum muß jedes Mitglied wählen. 
Dieser Grundsatz gilt auch in den sicheren Ge 
werkvereinssprengeln. Hier wiegt auch jede 
Stimme. Kein wahlberechtigtes Nitglied darf 
sagen, auf mich kommt es nicht an. Es geht um 
jede Stimme. Der Gewerlverein muß min⸗ 
destens soviel Stimmen bekommen, als er wahl 
berechtigte Mitglieder besitzt. 
Besondere Bedeutung kommt jeder Stimme in 
den Sprengeln zu, wo die beiden werbenden Or— 
ganisationen d ungefähr die Stange halten. Bei 
der letzten Wahl gingen dem Gewerkverein Kan⸗ 
didaten verloren, weil nur einige Stimmen 
fehlten. Einige unserer Mitglieder waren zu 
Hause geblieben; sie haben damit der Gegen— 
seite zum Siege verholfen. Das darf nicht noch 
mals vorlommen. Alle Mitglieder müssen den 
Gewerkvereiunslandidaten wählen. Kein Wahl— 
berechtigter darf zurückbleiben. Jede Stimme 
wiegt. 
Kameraden! Wir sind fest davon überzeugt, daß 
der Wahlausgang für den Gewerlverein nicht 
schlecht sein kann, wenn jedes wahlberechtigte Mit⸗ 
glied nach vorstehenden Grundsätzen handelt. Be— 
bont euch dazu! Die Ehre eurer Organisation ge 
etet dass 
— 
Ein Notschrei 
*ine ernste Mahnung an die Regierungskommission 
Ein vom Berufsschicksal schwer heimgesuchter Ver⸗ 
AAuensmann unseres Gewerkvereins schreibt uns: 
Lieber Kollege Kiefer! 
Schon oft hast Du über die Notwendigkeit einer 
Ferhen des Krankengeldes geschrieben, aber immer 
ijt auf diesem Gebiet noch nichts erreicht. Ich weiß 
es. daßz die Schuld nicht au unserem Organ und un— 
serer Organisation liegt; sie liegt bei den Männern, 
die im Saargebiet die Macht besitzen: der Regie— 
tungskommission und der Bergwerksdirektion. Damit 
de erkennen, wie wir Vergleute von ihrem Verschulden 
betroffen werden, will ich Dir mal kieine Ausschnitte 
aus meinem Leben schildern, die Du veröffentlichen 
launst. damit sich ieder Bon unierer Lage überzeugen 
Aun 
Ich verunglückte mit 18 Jahren in der Grube zum 
ersten Male. Bruch eines Schlüsselbeines war die 
Folge. Zwei Jahre spüter erlitt ich einen schweren 
Beinbruch und drei Jahre darauf einen Aruibruch 
krotzdem mußte ich in den Krieg, der mir drei Ge—⸗ 
wehrschüsse eintrug. Nach dem Kriege erlitt ich bei 
Ausübung des Berufes eine Fingerverstümmelung 
dann trat eine sechsjährige Pause ein, in der es aller— 
dings kleinere Verletzungen absetzte. Vor einem 
Jahre verlor ich wieder einen Finger und jetzt kostete 
—AE 
Maß nun doch bald voll. Man könnte schon ausrufen 
jöüre auf mit diesem Segen! Ich arbeite jetzt 25 Jahr« 
in der Grube, beziehe aber für alle erlittenen Ver— 
etzungen und Verstümmelungen keine Rente. Und 
vührend der Krankfeiertage ist man dann auf sehr 
chmale Ration gesetzt, weil das Krankengeid so 
jämmerlich bemessen ist. Mit 12,50 Fr. Krankengeid 
kann man schlecht eine sechsköpfige Familie ernähren 
Wer das nicht glauben will, mag sich eine Zeitlang 
auf diese Geldration setzen lassen. Ich glaube be— 
timmt, wenn die maßgebenden Herrschaften mal mi⸗ 
viesem Vetrage eine Zeitlang rechnen mühßten, daß 
ie dann schon für eine Heraufsetzung des Kranken⸗ 
zeldes jorgten. Unsereiner bemühl sich sehr, daß man 
schnell wieder an die Arbeit kommt. Die Folge ist, 
dahz man halb geheilt zur Arbeit geht. Nachher 
kommt dann das dicke Ende, indem man frühzeitig 
auf der Nase liegt. Man hat das Streben, seine Fa 
milie vor Not zu schützen, arbeitet und spart sein 
Leben lang, um dann erkennen zu müssen, dan man 
während Krankheitstagen, die eine Folge von Be⸗ 
rufsunfüällen sind, mit seiner Familie hungern muß. 
Soll man denn zuständigerseits diese schreiende Un— 
gerechtigkeit nicht einsehen? Es ist schier zum Ver⸗ 
zweifeln, wenn man die Taten der Leute prüft, die 
das Heft bei uns in den Händen haben. Traurig t 
es auch, daß nicht alle Arbeiter in der gewerkschafi⸗ 
lichen Front stehen und so dem Kapital helfen. Das 
Unrecht, das uns widerfährt, mühie doch jeden Ar⸗ 
beiter in die Organisation zwingen. Ich lause mit 
meinen beschädigten Knochen jede Woche Beiträge ein⸗ 
kassieren. Du kannst es mir glauben, wenn man nicht 
so tief von der Sache überzeugt wäre, dann würfe 
man die Brocken dahin wegen der vielen dummen 
Reden, die man hören muß. Aber ich will ja aus⸗ 
halten, weil ich sehe, daß die Arbeit doch geleistet 
werden muß. Du kannst den Brief bringen, denn ich 
möchte doch gerne mal den Herrschaften eiwas aus 
unserem Leben bieten, damit ihr Gewissen geweckt 
wird und sie erkennen, was sie baldigst tun sollen. 
Was sie tun sollen, hast Du ja in unserem Organ den 
derrschaften schon viele dutzendemal vorgezeichnet. 
Mit herzlichem Glückauf 
Dein Peter Rolson. 
Anmerkung: Kommentar überflüssig, Brief spricht 
iür sich selbst. 
— MWMWw222 
Fine süüle ghet erfolgteihhe Lohnhewegune 
kohnaufbesserunz — Sanierung der! 
Pensionskasse A — Heraufsetzung des 
Grundlohnes und Krankengeldes 
Ohne viel Tamtam lief im Saarbergbau ein 
Lohnbewegung. Die Oeffentlichkeit merkte weniq 
davon. Und doch führte sie zum Ziel. Weil die 
Bergwerksdirektion wußte, daß es den Bergarbeiter⸗ 
organisationen — die, wie immer, Trägerinnen der 
Bewegung waren — sehr ernst war mit ihrem Be 
zehren nach besserer Entlohnung der Saarbergleute 
Den Auftakt zur xstillen Lohnbewegung“ gab „Der 
Saar-Bergknappe“ in seiner Rummer 42 vom 19.Ok 
tober. In einem Artikel „Wie wäre es?“ ver 
wies er die Bergwerksdirektion auf die wirtschaft 
iche Lage der Saarbergleute. Er wies nach, daß 
eine Lohnerhöhung unbedingt erfolgen mülsse, wenn 
die Bergleute die besonderen Erfordernisse des 
Winters an den Haushalt meistern sollten. Er wie 
auch nach, daß infolge der günstigen Absatrwerbau 
nisse, des gestiegenen Leistungseffettes und der vor 
genommenen Kohlenpreiserhöhung für die Saar— 
tohlen in Frankreich nicht nur das Recht der Berg 
leute auf höheren Lohn gegeben sel, sondern dieser 
auch gewährt werden könne. In diesem Sinne ar 
beiteten die Organisationen bei der Bergwerksdirek 
tion. Ein Zweites kam noch hinzu. Im 33 Artike 
hatte „Der —— auch auf die trostlose 
finanzielle Lage des Saar-Knappschaftsvereins ver⸗ 
wiesen, deren Behebung er strikte forderte. In 
dieser Richtung waren die Organisatlonen auch 
ätig. Und schlugen zwei Mücken mit einem Lappen: 
ie erzielten eine Lohnerhöhung, die in einer Höhe 
bvemessen wurde, daß auch die nötige Beitrags 
erhöhung für die Pensionskasse des Saar-Knapp 
schaftsvereins erfolgen konnte. Hier ist sofort zu 
bemerken, daß dieselbe Summe, die die Bergleute 
mehr an Beiträgen zur Pensionskasse zahlen, auch 
vom Arbeitgeber aufgebracht wird, was als indi— 
relte Lohnaufbesserung zu werten ist. Noch ein 
Drittes wurde erreicht: die Bereiterkllärung zur Er— 
höhung des Grundlohnes in der Krankenkasse. Dieser 
zetrug bisher nur 25 Franken. Die Hälfte davon 
wurde an Krankengeld gewährt. Damil konnte kein 
stranker mehr auskommen. Dieser Grundlohn sol' 
nun — das Einverständnis des KAnappschaftsvor 
standes narausgeseüßt — auf 30 Franken erhöht wer 
den. Das Krankengeld betrüge dann 15 Franken. 
Es auch dann noch nicht ausreichend, aber es ist 
ein Schritt nach oben. Und diesen darf man nie⸗ 
mals ablehnen. Auch den geringften Vorteil muß 
man annehmen. Zu eeden ist, den diese Auf⸗ 
besserung des Krankengeldes ohne Beitragserhö— 
hung erfolgen soll. Wir sind gewiß, daß ver 
sKnappschaftsvorstand diesem Vorschlag zustimmen 
wird. 
Die Kommunisten werden natürlich wieder hetzen. 
Sie tragen ja auch keine Verantwortung. Ihnen geht 
es nicht um die Besserstellung der Bergleule, sondern 
um die „Weltrevolution“. Die Stimmung dazu 
'ann nur aus Hunger und Elend wachsen. Daher 
tkönnen sie konsequenterweise eine Lohnerhöhung 
nicht begrüßen. Sie müssen sie verekeln, weil jede 
Besserstellung des Arbeiters ihr politisches Geschäft 
verdirbt. Also durfen unsere Mitglieder die Hetß⸗ 
iraden der Kommumifen nicht ernst nehmen 
Gewiß, es wäre auch uns lieber gewesen, wenn 
ein größeres Ergebnis zu erzielen gewesen wäre. 
Man muß aber bedenken, daß nicht einer allein zu 
bestimmen hat. Darum war es richtig, nachdem 
alle Schritte getan waren, dem erreichten Ergebnis 
zuzustimmen. Die Organifationen legen ja nun nicht 
die Häude in den Schoß, um der Ruhe zu pflegen. 
Sie werden weiter arbeiten an der Verbesserung 
der Lage der Bergleute und der Sozialrentner. Und 
ste werden voran kommen, zwar Schritt sür FGchritt. 
aber doch erfolgreich für alle beteiliaten Arbeiter 
im Beraban 
Und die Pflicht unserer Mitglieder? Sie ist klar 
vorgezeichnet. Alle Mitglieder müßten es sich zur 
Ehre anrechnen, die fleißige und erfolgreiche Arbeit 
ihrer Organisation mit einer regen Werbetätigkeit zu 
beantworten. Die Zeit dazu ist günstig. Material 
steht in Fülle zur Verfügung. Es wartet nur auf 
richtige Verwertung. Also ran an die Unorgani— 
sserten! Unser Heer muß größer werden. Und 
unsere Finanzkraft muß wachsen. Zahlt darum die 
höchsten Beiträge. Der Gewerkverein hat das ver—⸗ 
dient. Je größer seine Inen it ist, um so mehr 
kann er wirken. Wenn sedes Miitglied seine Pflicht 
ut, dann wird beides erreicht: Pehrung der Mit⸗ 
Tliederzahl und Stärkung der Finanzkrafi
	        
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