Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

Rummet 44 
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An den Gruͤbetn ver Argnt Vrul 
und hermann Kirer 
Von Joseph Budeus. 
Seit Jahren ruhen sie in kühler Erde: Augult Brus 
And Hermann Köster. Der Gewerkverein christlicher Berg⸗ 
arbeiter Deutschlands hat beiden eine würdige Grabstätte 
bereitet. Ein Jeichen der Dankbarkeit und der Verehrung. 
Ruhelos haben sie sich geopfert für die Beftrebungen der 
Bergartbeiterschaft. Der Gewerkverein christlicher Berg⸗ 
arbeiter ist ihr Werk, ist die Verwirklichung ihrer Idee. 
Unter gewaltigen Trauerkundgebungen wurden die 
beiden Gründer zu Grabe getragen. Hierin spiegelte fich 
die Anerkennung der Gewerkvereinsmitglieder für das 
von den Toten in ihren Lebzeiten Geschaffene. Tausende 
und aber Tausende aus unseren Reihen stehen alljährlich 
an ihren Grabhügeln und erneuern das Gelöbnis, das 
Erbe der Alten hochzuhalten und auszubauen. 
Am 28. Oktober dieses Jahres find 35 Jahre seit der 
Sründung des Gewerkverelns vergangen. Die beiden 
Baumeister deckt der grüne Rasen. Doch vergessen sind 
le nicht. Besonders am heutigen Tage gedenken wir 
Hrer und stehn im Geiste an ihren Gräbern. 
In Gedanken versunken das Leben und Wirken der 
beiden Toten betrachtend, glauben wir, sie redeten mil 
uns. Sie haben uns manches zu sagen. Den Alten, 
die mit ihnen an der Wiege des Gewerkvereins standen 
und jenen, die noch praktische Gewerlvereinsarbeit mit 
ihnen leilteten, rusen sie innigen Dank zu. Sie knüpfen 
darin die Bitte, trotz ihres Alters nach wie vor ein gutes 
Beispiel zu geben und den alten Kämpfergeist immerfort 
zu dekunden. Die Erwachlenen, besonders die Zahlstellen⸗ 
vorstaͤnde, Vertrauensmänner und Mitarbeiter ersuchen 
ie um Treue und Einigkeit. Sie erzählen von ihrem 
Opfergeist und ihrer Beharrlichkeit und ermuntern zu 
weiterer uneigennütziger und planmeßiger Mitarbeit, weil 
nur hierin die einzige Gewähr jür das weitere Gedeihen 
des Gewerkvereins liegt. Der Jugend rufen sie zu, 
sich zu rüsten für das Erbe, das sie dereinst anzutreten 
hat Sich vorzubereiten auf die Verantwortung, die sie 
in Zukunft tragen muß. Die sturmerprobte, 35 Jahre 
ledenlos gehaltene Fahne des Gewerkvereins weiter sieg 
reich voranzutragen, soll sie sich würdig zeigen. 
In Erinnerung der beiden toten Gründer gedenken wi 
aller verstorbenen Kameraden, die in den 35 Jahren aus 
unserer Mitte gerissen wurden. Darunter befinden sich 
viele, die der Gründung des Gewerkvereins beiwohnten 
viele, die in den vordersten Reihen des Gewerkverein⸗ 
tämpften, eine gewaltig große Anzahl, die als strebsam 
Pitglieder ihre Pflichten erfüllten. Ihnen allen sei 
gedankt für ihr unerschrockenes Eintreten für die Belang— 
der Vergarbeiter. 
Wir verlassen die Gräber nicht, ohne den beiden Toten 
unser Versprechen zu geben. Dieses Versprechen soll uns 
nunmehr Richtschnur seint. Kampfesmutig und sieges— 
gewiß soll unsere ganze Arbeit dem Gewerkverein gelten. 
Wie August Brust, Hermann Köster und ihre Freunde 
das Werk geschaffen haben, so soll es von uns weiter— 
zesührt werden. Im echten, wahren und christlichen Ge— 
wertichafts- und Kämpfergeist wollen wir die Grundsätze 
dee Alten verteidigen. wenn es sein muß, mit Zähigkeit 
und entschiedenem Willen. Unsere Bewegung soll selb. 
tändig bleiben, wie gerade Brust es wollte. Von nie— 
mandem und von keiner Stelle lassen wir uns diesbezüg— 
lich dreinteden. Einen Vormund haben wir nicht nötig 
Der Gewerkschaftsgeist det Gründungszeit soll in uns 
lebendiger werden. Nichts wollen wir unversucht lassen 
leder an seinem Platze, gerade jetzt an der Ausbreitung 
des Gewerkvereins mitzuhelsen. Wir sind und bleiben 
eine wahre Interellenvertretung des Vergarbeiterstandes 
* 
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Kuapuschuft einst und jeßl 
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Von Anton Wegener. 
Unter den Aufgaben, die sich unser Gewerkverein bei 
seiner Gründung stellte, findet man auch die Forderung 
nach einer zeitgemäßen Reform des Knappschoftswefens 
Heute nach 35 Jahren ist deshalb die Frage berechtigt 
Was ist auf diesem Gebiete erteicht worden? Haben sich 
die Arbeiten, die Kämpfe, die materiellen Opfer gelohnt? 
Diese Frage wird von den Kameraden, welche damal— 
unsereni Gewerkverein beitraten, aber auch von denen die 
erst später beitraten, aber damals schon im Bergbau be— 
schäftigt waren, sicher mit einem freudigen Ja beantwortet 
werden. Es dürjte sich aber empsehlen, heute, nach 85⸗ 
jähriger Tätigkeit unseres Gewerkvereins, auch auf diesem 
Teulgeblete lseines Arbeitsfeldes, einen Rückblick und eine 
irze Uebersicht über die bestehenden Verhältnisse zu 
geben. 
Wie war es vor der Gewerkvereinsgründung? Im 
Jahre 1690 gab es in Deutichland 166 Knappschaftsvereine. 
Davon entfielen 75 auf Preußen. Von den 78 preu— 
zischen Knappichaftsvereinen hatten 58 weniger als 1000 
j3 sogar unter 100 und 8 weniger als 60 Mitglieder 
Entsprechend dieser Zersplitterung waren auch die Lei 
tungen. Eine ganze Ansahl Knapplchaftsverelne gewähr 
den ganz minimale Penstonen. Die 75 preußischen Knapp. 
schaltsvereine umfatzten im Jahre 1290 404216 Mit—- 
glieder. Davon waren 187 766 minderberechtigt, soge⸗ 
hannte unftändige Mitglieder, die zahlen durften, aber 
keine Ansprüche eiwarben. Diese Vereine hatten im 
genannten Jahre eine Einnahme von 25677 208 Mart 
tine Gesamtansgabe von 21905 622 Markt. 
Seite 8 
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de Knappichajtstrankentassen geworden. Die Reichs⸗ 
knappschaft verausgabte für die Familienangehsörigen 
der Krankenkassenmitglieder im Jahre 1927 UÜber 19 Mil⸗ 
tlönen Mark. Welcher Segen für die Familien der 
Anappschaftsmitglieder! Wieviel Not und Elend i 
zurch die Einführung der Familienhilfe gelindert, wieviel! 
Ziechtum vermieden worden! 
So könnte man nach Belieben noch weitere Erfolge 
and Verbesserungen folgen lassen. Doch die angeführten 
genügen. Jeder Kamerad kann sich durch die Ausfüh—⸗ 
rungen eine Uebersicht bilden. Alle Leser werden die 
zu Anfang gestellten Fragen mit Ja beantworten. Gewiß 
gibt es noch Lücken, welche ausgefüllt, Mängel, die be⸗ 
seitigt werden müssen. Je stärker unser Gewerkverein 
wird, desto eher können weitere Ersolge erzielt, desto 
leichter kann der Angriff der Arbeitgeber gegen die 
Sozialversicherung Uberwunden werden. An diesem Tage 
des Rucblickes und der Freude muß der Vorsatz in uns 
allen reifen: Ale meine Kraft muß ich zur weiteren 
Ausbreitung, zur finanziellen Stärkung meiner Organisa⸗ 
tion, meiner Interessenvertretung einsetzen. Zu meinen 
und meines Standes Nutzen und Mohlergehen 
Unsere Jubelschrift 
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25 
— — 
Von Wilhelm Sickers. 
„Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb 
s, um es zu besitzen.“ Passendere Worte kaͤnn man 
der Bergarbeiterjugend aus Anlaß des 85jährigen 
hestehens des Gewerkvereins suche Bergarbeiter 
Deutschlands wohl kaum zurusen. Mahnworte sind 
e2s, die der Jugend die ,y Verantwortung für die 
Zukunft unseres Standes und der Bewegung vor 
Augen führen sollen. Jugend erwirb es, was die 
bäter dir als heiliges Erbe hinterlassen haben. Aus 
den Händen der Väter soll den starken Armen der 
Jugend einst die Fahne des Gewerkvereins, die vor 
35 Jahren entrollt und ehrenvoll durch alle Stür⸗ 
me getragen wurde, anvertraut werden. iceeeh 
mit dem äußeren Jeichen soll die Jugend die en, 
Srundsätze und Tugenden der Gründer und Väter 
veitertragen. Fürwahr, ein großes, stolzes Erbe tritt 
unsere Jugend an! 
Wird die Jugend die grogen gewerkschaftlichen Zu⸗ 
unftsaufgaben erfüllen? Die Frage wird oft in den 
Kreisen, die besorgt sind um unsere Jugend, ernstlich 
besprochen. Mit Recht. Denn von der Gewinnung und 
passiven oder aktiven — Etinstellung 
der Jugend hängt der Aufstieg oder Niedergang un— 
serer Bewegung ab. Rückgang der Bewegung würde 
zur Beseitigung der auf wirischaftlichem und sozial⸗ 
politischem Gebiete erworbenen Rechte Aeen 
Durch das zohe Ringen der alten Pioniere sind 
Tarifverträge, Urlaub, Mitbestimmung der Arbeiter 
und andere Rechte erkämpft worden. Der frühere Zu⸗ 
stand der Alleinherrschaft der Unternehmer wurde be⸗ 
seitigt. Es ist eine bedauerliche Tatsache, daß ein 
großer Teil der Bergarbeiterjugend dieses Iv 
Kämpfen um jeden Joll nicht in der rechten Weise 
achtet und anerkennt. Die Erfolge sind der Jugend 
mühelos, ohne persönliche Opier in den Schoßk ge⸗ 
allen. 
Wenn auch der größte Teil der Jugend sich dem 
Sport und anderen nebensächlichen Dingen zuwendet, 
so darf doch mit Stolz gesagt werden: es gibt auch 
eine große Zahl Jungknappen, die ernstlich an der 
Lösung der wirtschaftlichen und sozialen Fragen mit—⸗ 
arbeiten. Diese vorwärisstrebende Jugend steht mit— 
ten in den vordersten Reihen, wenn es sich darum 
handelt, gewerkschaftliche Kleinarbeit zu verrichten 
Das ist die optimistische, kämpfende, schaffende Jugend, 
die zu Zukunftsträgern, unserer Bewegung heran— 
38 Ihre Zahl ist groß. Daß sie noch größer werde, 
soll das Streben unserer Jugendarbeit sei. 
Die in unserer Bewegung schaffende Jugend schaut 
heute anläßlich der 86jährigen Wiederkehr des Grün— 
dungstages dankbar zu den Gründern und Führern 
auf. Mit dem Dank für ihre mühevollen Arbeiten 
verbindet sie das Treugelöbnis zur Bewegung. 
Mit den älteren Kameraden wird die eeee 
ugend käm er um bessere Lohn- und Arbeitsbeding 
ingen, um e Gleichwertung des Beramannsstandes 
Jugend voran! 
Gewerkverein chriftlicher 
Bergarbeiter im Saarrevier 
Saerdruckan 1929 
derlag des Sewerkrereine christlicher Oerzarbdaiter Deutschlands 
hauptsid Essev 
Oeschaͤftostelle Saardruden 2, Et. Johannerstrahe 40 
Alle Mitglieder, besonders die jungen, müssen 
ich diese Schrist zulegen. Der Preis beträgt sür Mit— 
Alieder nur 8.— Ir. Bestellungen werden bei den 
einzelnen Bezirksbüros, aber auch bei allen Zahl— 
tellen⸗ und Jugendabteilungsvorständen entgegen— 
zenommen. Bei der Bestellung entrichtet man gleich 
den Betrag, damit Nacherhebungen nunötig bleiben. 
23 
at 
7 
Das sind die Einnahmen und Ausgaben für Kranken⸗ 
bersichetung und Penslonsversicherung. Die Ausgaben 
oerteilten sich auf Kosten für Gesundheitspflege (Kranken⸗ 
ersicherung) 6 680 356 ⸗ 80,14 Prozent, Kosten für lau— 
ende Unterstützungen (Pensionen) 18 637 641 * 6201 
Prozent, Kosten der Verwaltung 606 516 * 2,76 Prozent 
indere Ausgaben, darunter Begräbniskosten 1121 100 * 
5,10 Prozent. Auf den Kopf eines Mitgliedes entfielen 
demnach 56,54 Mark im Jahre. Das ist ein winziger 
Betrag. Demgegenüber verausgabte die Reichsknappschaft 
im Jahre 1827 auf ein Mitglied (Arbeiterabteilung) an 
Arankengeld 71,62 Mark, an Gesamtkrankheitskosten 141,40 
Viark, Krankentassenausgaben insgesamt 157566 Mark 
an Penstonen (Invaliden, Witwen und Waisen) 229,1* 
Hiark, an Penftonskassenausgaben insgesamt 248,37 Mart 
Vtthin in beiden Versicherungen zusammen auf ein Mit. 
slied 406,02 Mark, gegen 66,54 Mark im Jahre 1890. 
Ein anderer Vergleich. Im Lurchschnitt zahlten die 
»eutschen Knappschastsnereine im Jahre 1880 an einer 
Invaliden 216,70 Mark, für eine Witwe 102,87 Mark 
an eine Waise 33,39 Mark jährlich an Pension. Dagegen 
die Reichsinappichaft im Jahre 1927 an einen Invaliden 
319,72, eine Witwe 882,322 und an eine Watise 67,66 Mark. 
Das sind die Durchschnittsbezüge nach den tatsächlich ge 
zahlten Beträgen. Die Verbesserungen sind also unver 
jennbar. Ebenso wichtig ind aber die anderen Verbes 
jserungen. 
Damals gab es eine grotze Jahl unständiger Mitglieder 
Zeute noch sind viele Kameraden vorhanden, die ständig 
die schwere Bergarbeit verrichtet haben, aber keinerle 
oder nur geringe Ansprüche an die Pensionskasse haben * 
Dieses Unrecht ist für die Zukunst beseitigt. 5 3 lonff 
Erlöschen der Anwartschaften ist heute nur noch be XR hteinlohleuforderung Fucohns 
Zaumseligkelt möglich. Früher gingen alle Ansprüche Auf die einzelnen Bergbau treibenden Länder Europas 
bei Aufgabe der Bergarbeit verloren. ntjielen solgende Fördermengen (in Millionen Tonnen): 
„Die Beschlüsse des Vorstandes werden mit abloluter Land 1913 19025 1926 1627 1928 
Simmenmehrheit defaßt, bei Stimmengleichheit entschei⸗England 292.0 247.1 1283 2553 241.6 
der der Vorsitzende.“ Solche oder ähnliche Bestimmungen erde 
enthielten die Satzungen vieler Knappfchaftsvereine. verg Setten msang 
Vorsitzende wor stets ein Arbeltgebervertreter. Diese Vor⸗ dee Vberschlessen 
rechie hatten sich die Arbeitgeber besorgt, odschon fie Lisaße Coihringen 
neistens viel weniger Beiträge zahlten als die Arbeiter. Altfrankresch 
Die Wahl der Knappschaftsältesten wat eine öffent⸗ Belgien 
liche. Als Kandidaten wurden meist nur Zechenbdeamte dolland 
präsentiert. Wer den Mut aufbrachte, gegen sie zu Tchechoslowakei 
timmen, der kdonnte gehen. Er verlor neben der Arbeit Zelterreich · Ungarn 
alle seine Anspruche an die Knapplchalt. 07 * Schlesi. 
Diese Verhältnisse vergleiche man mit den heutigen uee 
Der Erfolg unserer Gewerkschaftsarbeit ist unverkennbar fJugosiawien 
Noch auf einen Fortschritt sei hingewiesen. —R Lander 
Die Einführung der Familienhilfe war eine weiter; 
roßze Verbesserung. Die Familienbilse ik Pflichtleistung Luropa zusammen 
53.6 150.9 
136 134 
7.1 302 
84 5.6 
B8.4 4658.6 
739 74 
23 107 
4.7 13.2 
9 1.9 1.9 
29 10.3 103 
) 283 316 38060 
1 63 6.6 67 
9.0 2 a2 0.3 . 
4.5 24 13 15 
6033 3340 4544 4043 500.53
	        
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