Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

Seite 2 „Ner Saar⸗Bergltnappeß 
Heme sind sehr viele, die damals ähnlich dachten und Dann erkennt sie erst, was ihre Bewegung ehnent 
Handelien, sehr froh, daß wir starke, christliche Gewerk- wert ist. Dann wird sie dieser Bewegung auch aus 
schaften haben. Ipfergeist dienen. Heute wünscht ihnen die ganze 
HZeffentlichkeit Glück zu ihrer Jubiläumstagung und 
u ihren Erfolgen. Diese erfolgreiche Arbeit muß die 
Jugend weiterführen. Und sie kann und wird das, 
wenn sie vom Opfergeiste der Alten allezeit beseelt 
bleibt. Wenn sonst die Leute jubilieren, in der Ehel 
oder im Amt, dann kratzen sie sich, daß sie schon so! 
alt geworden sind. Der Gewerkverein kann garnicht 
altern. Die christliche Gewerkschafts-Idee wird nie 
ilt werden; sie muß und wird auch weiterleben und 
veiterwirklen für den Arbeiterstand und für das Volk 
In diesen Sinne rufe ich ihnen zu: 
GShö⸗⸗anfrume1denen Jubiläum! 
Ein Ehrentag für den Bezirk Neunkirchen-Pfaul 
Am Sonntag, den 4. August, feierte der Bezir!k 
Reunkirchen-Pfalz das 25jährige Bestehen unserer 
Organisation im Steinkohlengebiet der Saar. Die 
Feier fand in der Bezirksstadt St. Ingbert statt 
die in diesen Tagen ihr 100jähriges Stadtjubiläum 
begeht. Im Rahmen dieser Feier bildete das Jubi 
läumsfest des Gewerkverein einen sehr würdigen Auf— 
dalt. Gleich kann es gesagt werden, daß unsere Feier 
in St. Ingbert ein volles Gelingen war. Nicht nur 
unsere Miiglieder beteiligten sich daran, sondern auch 
die übrige Bevölkerung war in all ihren Schichten 
vertreten. So wuchs sich unsere Jubiläumsfeier zu 
einem richtigen Volksfeste aus, woraus hervor— 
geht, daß einmal unser Bergmannsstand als der Kern 
vder Bevölkerung betrachtet und geschätzt, und zum 
anderen unsere Organisation in allen Volksschichten 
hoch geachtei wird. Daß es so im Bezirke Neunkirchen— 
Pfalz ist, ist nicht zuletzt 
das Verdienst des Bezirksleiters Germann, 
für den die Jubiläumsfeier zu einem besonderen 
Ehrentage wurde. Das Jubiläumsfest zerfiel in 
drei Teile: 
1. — am Vormittag; 
2. Festzug; 
3. Äligemeine Jubiläumskundgebung in der städti⸗ 
schen Festhalle. 
Alle Veranstaltungen nahmen einen erhebenden Ver— 
lauf, und haben sicher sehr viel zur weiteren Vertie 
fung des christlichen Gewerkschaftsgedankens beige— 
tragen. Man kann ruhig sagen, daß unsere Mitglie. 
der sich fast restlos beteiligten, was jedem klar sagt 
daß sie unentwegt hinter ihrem Gewerkverein stehen 
blelben. 
Im Zusammenhange damit obliegt uns die ange— 
nehme Pflicht, der Verwaltung und der Bürgerschaft 
von St. Ingbert herzlichen Dank für den würdigen 
Empfang zu sagen, den sie unserm Gewerkverein zu— 
teil werden ließen. Selten sahen wir eine Stadt in 
einem solch schönen Festkleide prangen, wie es St 
Ingbert am 4. August angezogen hatte. Die Freude 
darüber leuchtete auch aus den Augen der schlichten 
Bergleute, die nachmittags voll Stolz zu Tausenden 
im Festzuge marschierten und ein eindrucksvolles Be— 
kenntnis für unsere Bewegung ablegten. Der würdige 
Festzug, in dem Berggeister und Bergknappen in UAni— 
8 in großer Zahl zu sehen waren, hinterließ einen 
tiesen Eindruck, der noch verstärkt wurde durch die 
Festwagen, welche Vorgänge aus der Geschichte de— 
Gewerkvereins im Saarrevier und dem Bergmanns 
leben versinnbildeten. 
Dank gebührt auch der Tagespresse, die schon 
am Vortage das wichtige Ereignis in anerkennenden 
Worten gefeiert hatte und bei der Festfeier vollzählig 
vertreten war. Sie wußte auch nach der Feier deren 
Bedeutung ins rechte Licht zu rücken. Dieses Vor 
lapitel können wir abschließen mit dem Bemerken 
daß die Mitglieder des Bezirkes Reunkirchen-Pfat 
stolz auf ihr Fest sein können. Sie haben den Bewei 
erbracht, daß sie geschlossen hinter ihrer Führung 
stehen und gesonnen sind, in aller Zukunft dem Ge 
werkverein und ihrer Standessache treu zu dienen. 
Die Arbeit in unserm Bezirk 
war auch nicht leicht. Jahrelang hatten wir in der 
zroßen Industrieorten sehr wenige Mitglieder. Id 
denne Heiligenwald, Elversberg, Mittelberbach 
Spiesen und Münchwies. Lange Zeit hatten wir bei 
pielsweise in Spiesen, in dem heute mehr als 600 
ameraden organisiert sind. nur ein einziges Mit 
glied. 
Wie man in früherer Zeit unsere Mitglieder auf 
den Gruben behandelt hat, das wissen die älteren 
Kameraden selbst. Wie es in den Gemeinden und 
Kreisen mit der Vertretung der Arbeiterschaft aus⸗ 
ah, ist ebenfalls bekannt. Oft wünschten wir in der 
Vorkriegszeit, doch die Zeit zu erleben, in der alle 
eraden sich zur Organisation bekennen. Heute 
in 
uchr als 90 Prozent der Saarbergleute organisiert. 
Das ist ein überaus graßer Erfolg des gewerkschaft⸗— 
lichen Gedankens. Er wiegt die gebrachten Opfer und 
Mühen tausendfach auf. Aber auch große wirtschaft⸗ 
iche Erfolge sind zu verzeichnen. Sie befriedigen uns 
allerdings noch nicht. Die Existenzgrundlage für die 
Familie und den Bergmannsstand muß besser wer—⸗ 
jen. In dieser Richtung muß unsere Arbeit in der 
Zukunft eingestellt bleiben. — Groß ist 
unser geistiger Aufstieg. 
Diesen verdanken wir hauptsächlich jenen Männern, 
die uns als geistige Führer gedient und uns belehrt 
haben. Wenn wir heute im Bereiche unseres Bezirkes 
prüfen, wie die Beteiligung unserer Kameraden in 
den kommunalpolitischen Körperschaften ist, so kön 
nen wir folgendes erfreuliche Ergebnis buchen; 
Bezirks⸗ oder 
Kreistag Jahr Mitgl.insgesamt darunter Arbeite 
Waldmohr 1912 
1929 
St. Ingbett 255* 
domburg 
Rtweiler 
yr 
92. 
1914 
1929 34 19 
Ueber 200 Mitglieder des Gewerkvereins des Bezirk⸗ 
Reunkirchen-Pfalz gehören heute den Gemeindevertre— 
zungen an. Das ist ein erfreulicher Aufstieg. Aber er 
ntspricht immer noch nicht dem Stärkeverhältnis der 
Arbeiterschaft. Darum ist neben der gewerkschaftlichen 
Urbeit intensive Anteilnahme am varteivpolitischen 
Leben notwendig. 
Und nun liebe Freunde begehen wir die heutige 
Jubiläumsfeier so, wie sie von einer christlichen und 
zeistig hochstehenden Arbeiterschaft begangen werden 
nuß. Dieser Tag muß neue Kräfte für unsere Bewe— 
zung und unsere Arbeit auslösen. In diesem Sinne 
gzilt es zu wirken.“ 
Eine wohlverdiente Ehrung 
des Kameruden Germunn 
Der Auistieg der Arbeiterschaft, herbeigeführt durch 
die Gewerkschaftsbewegung, machte es dringend not 
wendig, daß auch Arbeiter in den verschiedensten Kör 
perschaften, die zum Wohle des WVolkes, des Staates 
und der Wirtschaft wirken, vertreten sind. So haben 
wir denn auch heute die Tatsache zu verzeichnen, daß 
Arbeiter in den Ministerien des Reiches und der ein— 
jselnen Staaten, in der Verwaltung der Provinzen 
uind Kreise, in den Selbstverwaltungskörpern der Koh— 
enwirtjchaft, der Sozialversicherung, in den Arbeits— 
imtern und an den Arbeitsgerichten, in führender 
Stelle tätig sind. Hier im Saarrevier haben wir zu— 
ange bescheidene Zurückhaltung geübt. So sind bei— 
vielsweise im Arbeitsamt des Saargebietes drei 
Freigewerkschaftler aber kein christlicher Gewerkschaft 
er vertreten. Die Bedeutung, welche diesem Amte zu 
kommt, erforderte es dringend, daß auch mindesten? 
ein Beamser dieses Amtes aus unseren Reihen stam 
men muß Es ist natürlich, daß man für ein derar 
iges Amt den Besten zur Veriügung stellt. Al— 
denn die Regierungskommission, Abteilung Volks 
wohlfahrt und Sozialversicherung, an unsere Bewe 
zung herantrat, einen unserer Leute als Piitarbeite 
ni Arheitsamt vorzuschlagen. da war es allen klar 
* 
Die Fest⸗Bezirlslonferenz 
Sie nahm im großen Saale des Kaffee Becker vorm 
1025 Uhr ihren Anfang durch folgende Einleitungs— 
rede des zuständigen Bezirksleiters Karl Germann. 
„Unsere Konferenzen haben sich immer mit wirt— 
schaftlichen, mit Standes- oder Bexufs-Fragen zu be— 
jchäftigen. Davon können wir auch ain Vormittag 
unserer Jubeltagung keine Ausnahme machen. Zumal 
wir heute auf eine 25jährige Arbeit im hiesigen Ge— 
biet blicken können. Diejenigen Kameraden, welche 
erst seit einigen Jahren an der Spitze der örtlichen 
Bewegung sitehen, können an ihrer Arbeit ermessen 
wie eine 25jährige gewerkschaftliche Arbeit bewerten 
werden muß. Daß diese Arbeit nicht leicht war und 
unter erschwerenden Umständen erfolgen mußte, hat 
Oberbürgermeister Dr. Neikes in Saarbrücken am 21 
Juli treisend hervorgehoben 
summer 3 
daß das nur Kamerad Germann, der über ein 
eiches Wissen und erprobte Ersahrung verfügt. lein 
önne. Aus Disziplin folgte er dem Rufe seiner Be— 
vegung, um an anderer Stelle für seine Arbeitsbrü— 
der und sein Volk zu wirken. So wird denn Kamerad 
Germann am 1. September 1929 sein Amt bei der 
Saarregierung antreten. Nicht eigenem Interesse folgt 
er, sondern dem Rufe seiner Bewegung, der er auch 
weiterhin innigst verbunden bleiben wird. Mag er 
auch auf einem anderen Posten wirken, er wird im— 
mer einer der Unsrigen bleiben. — 
Weil nun die Leitung der Bezirkskonferenz und der 
en Jubelfeier am 4. August in St. Ingbert die 
etzte größere Handlung als Bezirksleiter jfür 
den Kameraden Germann war, feierte in wohlver— 
dienten Worten Revierleiter Kamerad Kuhnen 
seine Verdienste als Führer, Gewerkschaftler, Christ 
und Mensch. So wurde die Bezirkskonferenz eine 
chlichte, aber eindrucksvolle Ehrung für den verdien— 
en Kameraden Germann, von der er nichts geahnt 
aue, Die Treue seiner Kumpel aus dem Bezirke kam 
n einem prächtigen Blumengebinde und einem prak— 
tischen Geschenke zum Ausdruck. Die größte Ehrung 
für ihn aber waren die Worte des Kameraden Kuh— 
nen, der über das Problem „Mitgliedschaft 
und Führer“ sprach, wobei er gerade Germann 
als einen vor bildlichen Führer feiern konnte 
Mitgliedschaft und Führer 
Kamerad Kuhnen ging davon aus, daß einsacht 
Bergleute den Gewerkverein gründeten, für ihn sich 
elbst und ihrer Familie die größten Opfer aufluden. 
Er schilderte dabei die großzen Opfer, welche Brust 
einer Bewegung brachte, der jahrelang neben der 
chweren Bergarbeit die Organisation geleitet, den 
Bergknappen geschrieben und die Agitation nebst 
einigen treuen Freunden, wie Hermann Köster und 
dann Johann Effert und Karl Kühme bewältigt 
habe. Das habe nur ein Mann mit eisernem Willen, 
mit starker Energie, mit großem Idealismus und un— 
verwüstlichem Optimismus leisten können. — Mit 
dem weiteren Wachsen der Organisation habe sich ein 
Führermangel gezeigt. Es seien aber tüchtige Kräfte 
jerangewachsen, die sich schulten, der Bewegung als 
einfache Soldaten dienten und so in eine Führerstelle 
hineinwuchsen. Sie hätten diese Führerstellung nicht 
elbst gesucht, sondern sie seien gerufen worden, das 
Vertrauen der Mitglieder habe sie mit dem schweren 
und verantwortungsvollen Amte beehrt. Schwer seien 
ihre Aufgaben gewesen, groß die Sorgen und Mühen, 
die sie mit den Mitgliedern hätten tragen und durch⸗ 
kosten müssen. Aber daraus erst sei der Erfolg ge— 
wachsen, der ein Ergebnis des Vertrauensverhältnisses 
sei, das zwischen Mitgliedschaft und Führung sich zu 
einem festen und unverwüstlichen Bande herausge—⸗ 
zildet habe. Wörtlich fuhr er dann fort: 
„Vor 25 Jahren kamen Brust, Köster, Stegerwald, 
Giesberts ins Saarrevier und hielten Versammlun—⸗ 
gen ab. Trotz der 
Schikanen der Unternehmer, 
rotz aller Schwierigkeiten, die die Behörden machten, 
etzte sich der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter 
durch. Auch hier wuchsen bald Führer empor, und 
heute besetzt der Gewerkverein, wenn es sein muß, 
pielend leicht hun dert Versammlungen mit Red— 
iern. Tüchtige Knappschaftsälteste, Sicherheitsmän— 
ner, Bezirksvertrauensmänner sind in den einzelnen 
Ortschaften nicht jselten Fihrer geworden. In vielen 
Bergmannsorten arbeiten gerade unsere Leute für 
das Allgemeinwohl. Hier wie im Reiche und in den 
einzelnen Ländern sehen wir in den Parlamenten, 
in der Verwaltung tüchtige Menschen, die aus den 
hristlichen Gewerkschaften hervorgegangen sind.“ Nach 
ziner Ehrung für den um die Bergarbeitersache so 
verdienten allzu früh verstorbenen Dr. Ludwig Nie⸗ 
der, ging dann Kuhnen auf den Kameraden Ger— 
nann über. Er sagte 
„Hier in dieser Konferenz möchte ich ganz besonders 
inen Führer ehren, der 
den Arbeitern ein wirklicher Führer, 
helfer und Berater war. Ein Mann, der in der näch— 
ten Zeit im Arbeitsamt der Saarregierung litzen 
wird und heute zum letzten Male als offizieller Lei— 
ter des Bezirkes NReunkirchen in unserer Mitte ist. 
Farl Germann, unser treuer Mitarbeiter und eif⸗ 
riger Leiter des hiesigen Bezirks, wird nach dieset 
Tagung offiziell bei uns austreten; aber innerlich 
mit uns verwachsen bleiben. Er war mit einer der 
ersten neben Aatz und Koster, der für das hiesige 
Hebiet freigestellt wurde. Er war seinen Kollegen ein 
leuchtendes Vorbild und hat seinen Kameraden ein 
wirkliches Führerleben vorgelebt. Er war immer ein— 
such, schlicht und mutig. Er war immer unermüdlich 
tätig. Alle Opfer, die mit seiner Stellung verbunden 
waren. hat er gerne auf sich genommen. Er hat 
die Schwierigkeiten gemeistert. 
Dafür danke ich ihm im Namen des Hauptvoritan— 
des und im Namen der Revierleitung. Von ihm kann 
man sagen: „Es war kein Falsch an ihm!“ Seine 
Hingabe an die Bewegung soll uns allen Vorbild 
bleiben. Wenn er auch offigiell von uns geht, so wird 
er inafsfsiziell nicht nur dem Gewerkperein die Treue
	        
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